Ernst Zdrahal "Rückkehr des Architekten" www.thurnhofer.cc

Thilo Bode, Gründer und Direktor der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, hat gemeinsam mit Stefan Scheytt die Machenschaften der internationalen Konzerne unter die Lupe genommen. Ergebnis ihrer Arbeit ist das Buch „Die Diktatur der Konzerne. Wie globale Unternehmen uns schaden und die Demokratie zerstören“ (S. Fischer, 2018). Die Prämisse, dass globale Unternehmen uns schaden und die Demokratie zerstören, gilt demnach als gesetzt.

Nun bin ich sicher nicht der Pflichtverteidiger der Konzerne, doch aus Gründen der Objektivität sei vorweg angemerkt, Pharmakonzerne entwickeln und produzieren viele Medikamente zum Wohle der Menschheit und verkaufen nicht alle zu überhöhten Preisen, Energiekonzerne sichern Tag für Tag unsere Stromversorgung und blasen nicht nur C02 in die Luft, Luftfahrtkonzerne bringen uns billiger denn je an alle Ziele dieser Welt, Handelskonzerne sorgen für effiziente Verteilung der Waren, Telekomkonzerne leisten einen Beitrag zur Meinungsfreiheit indem sie diesen Artikel jedem Menschen dieser Welt zugänglich machen, usw. Aber! Es folgt meine subjektive Auswahl aus der subjektiven Auswahl von Thilo Bode – die einem klar definierten Ziel dient: „Ich möchte Alarm schlagen.“ (Bode, S. 10)

Aber: „Die Lebensmittelkonzerne … schafften es, ihre flüssigen Süßigkeiten als akzeptierten Ersatz für Wasser selbst für Kinder zu etablieren. … Sie gewannen politische Macht, wie wenige Branchen je zuvor. Sie hatten sogar einen Staatspräsidenten: Vicente Fox. Er leitete Coca-Cola Mexiko, wurde Coca-Cola-Chef für ganz Lateinamerika und schließlich Mexikos Staatspräsident. … Und weil Soda-Getränke und Fast Food stets als Zwillinge kommen, … gehören Mexikaner heute zu den dicksten Menschen weltweit. 2016 waren fast 30 Prozent der Bevölkerung krankhaft fettleibig...“ (Bode S. 114 f)

Aber: „Tausende Amazon-Beschäftigte sind für das milliardenschwere Lebensmittelhilfe-Programm SNAP berechtigt, … Im Bundesstaat Arizona beziehen 30 Prozent der Amazon-Mitarbeiter staatliche Essenshilfe, in Pennsylvania und Ohio etwa zehn Prozent;...“ (Bode, S. 141)

Aber: „Eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam zeigte 2017, dass die 50 größten US-Konzerne im Jahr 2015 1,6 Billionen Dollar in Steueroasen schafften; und Oxfam stellte klar: alles im legalen Rahmen. Die Steuereinnahmen, die den Ländern dadurch weltweit entgehen, bezifferte die Organization for Economic Cooperation and Development vor drei Jahren auf 240 Milliarden Dollar. … Auf die Spitze trieb es Apple der wertvollste Konzert der Welt, der 2017 einen Gewinn von 48 Milliarden Dollar einstrich. … im Jahr 2003 lag der effektive Körperschaftssteuersatz bei einem Prozent und ging bis 2014 weiter auf 0,005 Prozent zurück.“ (Bode S. 145-147)

Resümee: „Seit dem Fall der Mauer ist eine neue Qualität des Lobbyismus entstanden aufgrund der dramatischen gewachsenen Markt- und Finanzmacht der Konzerne. Diese Markt- und Finanzmacht ist zu einer politischen Macht geworden. Es hat sich ein industriell-politischer Komplex herausgebildet, in dem Konzerne und Politik zum gegenseitigen Nutzen eine Zweckgemeinschaft bilden, die keine Entscheidungen mehr gegen Konzerne trifft. Das hat verheerende Auswirkungen auf die Demokratie und verursacht gewaltige Schäden.“ (Bode S. 8)

„Eine Handvoll Konzerne verfügt über eine nie dagewesene Marktmacht, die sie offen als Erpressungspotential einsetzt. Ihr Reichtum erlaubt es ihnen, Kartellstrafen in Milliardenhöhe aus der Portokasse zu zahlen und sich buchstäblich alles zu kaufen, auch die Politik, ...“ (Bode, S. 124)

„Anschlusskarrieren für ehemalige Politiker in der Wirtschaft sind so gang und gäbe, dass ihre grundsätzliche Problematik kaum noch wahrgenommen wird. … Die 'Drehtüre' zwischen Politik und Wirtschaft laufen auf Hochtouren: … Joschka Fischer, … Gerhard Schröder … Sigmar Gabriel [uvm] … Noch schneller drehen sich die Türen zwischen Politik und Wirtschaft in Brüssel, ...Laut TI-Report wechselte jeder Dritte der 171 EU-Abgeordneten, die seit der Europawahl 2009 aus dem Parlament ausgeschieden sind und nicht in den Ruhestand gingen, zu einer im Lobbyregister der EU verzeichneten Organisation.“ (Bode, S. 35 ff)

„Die Justiz … stößt an Grenzen, wenn es um die Geschäftsmodelle der Konzerne geht – Rechtsprechung kann nicht Regulierung durch Rechtsetzung ersetzen. … Wenn wir die Konzerne für die immensen Schäden, die sie verursachen, haftbar machen wollen, dann muss die Politik mit gesetzlicher Regulierung in die Geschäftsmodelle der Konzerne eingreifen, und zwar bevor die Schäden überhaupt erst entstehen. Das heißt, heute noch legale Geschäftsmodelle müssen illegal werden.“ (Bode S. 170/180)

Ergänzung Attac-Presseinfo vom 13.2.2019: „Das EU-Parlament hat heute zwei Abkommen mit Singapur zugestimmt: Dem Handelsabkommen EUSFTA und dem Investitionsabkommen EUSIPA. Letzteres enthält die umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne, ISDS (Investor-state dispute settlement).

„Das Ja zu EUSIPA zeigt, dass die Mehrheit der EU-Abgeordneten bereit ist, die Profitinteressen von Konzernen über den Schutz unserer Lebensgrundlagen stellen", kritisiert Alexandra Strickner von Attac Österreich. „Denn eine Ausweitung von Sonderklagerechten für Konzerne gefährdet dringend nötige Maßnahmen gegen den Klimawandel, höhere Umweltstands oder bessere Arbeitsrechte. Konzerne können dafür horrende Schadensersatzförderungen stellen oder diese schon im Vorfeld androhen." Die meisten in Südostasien tätigen europäischen Konzerne haben in Singapur wichtige Niederlassungen, darunter fast alle großen fossilen Energiekonzerne. Nicht nur singapurische Firmen, sondern alle dort tätigen internationalen Konzerne könnten EU-Staaten auf Schadensersatz verklagen - für Gesetze, die unsere Gesundheit, unsere Arbeitsrechte und unsere Umwelt schützen.

Ergänzung 26.2.2019: Laut spiegel.de (16.2.2019) zahlte amazon bei einen Gewinn von 11,2 Mrd Dollar im Jahr 2018 überhaupt keine Gewinnsteuern. Der Steuertrick dahinter: "Der Konzern nutzt Steuergutschriften und setzt auf eine erhebliche Steuerbefreiung durch Bezahlung in Form von Aktien und Aktienoptionen. Auf diese Weise erhielt das Unternehmen letztes Jahr einen Steuerfreibetrag in Höhe von 129 Millionen Dollar. Das führte laut "Washington Post" zu einem effektiven Steuersatz von etwa minus einem Prozent."

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