Meine Freunde sind gute Menschen, und gerechte obendrauf. Und die besten Freunde sind die gerechtesten. Drei Beispiele können das beweisen.

Seit Studienzeiten kenne ich Freund A. Wir haben viele Stunden über Gott und eine bessere Welt in der Zukunft diskutiert. Die Zukunft ist eingetreten, eine bessere Welt nicht. Er arbeitet seit Abschluss seines Studiums bei einem Verband, verdient kein Vermögen aber ganz anständig und vor allem regelmäßig. Nach vielen Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben, taucht er in meiner Galerie auf, zeigt großes Interesse an meinen Aktivitäten, signalisiert sogar Interesse an einzelnen Kunstwerken. Einige Monate später schreib ich ihm über die Künstlerin eines der Bilder, das ihm gefallen hat, ob er, mein Freund A, sein Interesse an ihren Bildern etwa bekräftigen könnte, z.B. durch einen Ankauf, womit er nicht nur einer Künstlern, sondern auch einer alleinerziehenden Mutter, die ihre Miete seit mehreren Monaten nicht zahlen kann, helfen würde. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Aber nicht unter Freunden! Immerhin ist A ein paar Monate später wieder bei einer Veranstaltung in der Galerie aufgetaucht, und hat bei der Gelegenheit offenbar das dringende Bedürfnis gehabt, sich zu erklären: „Bei uns entscheidet die Frau über den Ankauf von Kunst.“ Offenbar auch über den Nichtankauf.

Seit Studienzeiten kenne ich Freund B. Wir haben publizistisch für eine bessere Zukunft gekämpft, er als Chefredakteur, ich mit ein paar bescheidenen Artikeln. Die Zukunft ist eingetreten, eine bessere Welt nicht. Die ambitionierte Zeitschrift wurde eingestellt, ich hab weiter studiert, mein Freund B hat eine steile Karriere hinter sich gebracht. Den Erlös seiner Firmenverkäufe steckt er nun in Immobilien. Er hat heute einige Zinshäuser, ich weiß nicht wie viele. Mehrere Jahrzehnte haben wir uns nicht gesehen, zufällig, oder was man so Zufall nennt, kommt er eines Tages in die Galerie. Die erfreute und freundschaftliche Stimmung, die so ein Wiedersehen auslöst, bleibt nicht aus und hält über mehrere Monate. Bis ich mit der Galerie wieder mal in Liquiditätsschwierigkeiten komme. Was für ein klingender Ausdruck: Liquiditätsschwierigkeiten!

In der Situation bezwinge ich Stolz und Eitelkeit und frage meinen guten Freund B, ob er eine Idee habe. Seine Ideen waren, naja, nicht besonders lukrativ. Um zu einem konkreten Ergebnis zu kommen, frage ich ihn, ob er ein Bild mit realisitsch-phantastsicher Darstellung von Fischen erwerben wolle, das er bei seinem ersten Besuch begeistert gelobt hat. Nebenbei erwähnt: einmal war ich bei ihm zu Besuch und er hat mir stolz seine Sammlung von realistischen Bildern, vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert, gezeigt, und dazu seinen Privatsee mitten in einem Naturschutzgebiet, wohin er sich gern zum Angeln zurück zieht, aber das ist eine andere Geschichte. Hier seine freundliche Antwort, denn von einem Manager kann man sich eine klare Antwort erwarten: „Ich kann mir so ein Bild nicht leisten und ich wüsste auch gar nicht, wohin ich es hängen soll.“ Die Größe des angebotenen Werkes ist 40x60 cm, und den Preis kann ich hier nicht nennen, weil ich mich bei meiner Kollegenschaft nicht blamieren will, dass ich so gute Werke so günstig anbiete.

Alexander Wachtel, Künstler http://www.thurnhofer.cc/galerie/index.php?/category/64

Seit meiner Kindheit kenne ich Freund C. Wir haben uns nie über Gott und eine bessere Welt in der Zukunft unterhalten. Die Zukunft ist trotzdem eingetreten, eine bessere Welt nicht. Mein Freund C ist ein paar Jährchen jünger als ich, aber er hat mich karrieretechnisch weit überholt. C war jahrelang China-Chef eines internationalen Konzerns. In der Zeit als er in Shanghai stationiert war, mit Betriebswohnung, mit eigenem Chauffeur und ein bissl was Cash aufs Konto, hat eine Künstlerin meiner Galerie in Shanghai ausgestellt. Mein Freund hat diese Ausstellung sogar besucht. Verkauft hat meine Künstlerin bei dieser Ausstellung nichts. Um wenigstens die Transport- und Reisekosten einzuspielen, die die Künstlerin selbst getragen hat, weil das kulturfördernde Außenministerium nix dazuzahlen wollte, hab ich meinen Freund C gefragt, ob er ein Werk, deutlich günstiger als zum Listenpreis, ankaufen könnte. Seine Antwort nach langer, mehrwöchiger Nachdenkpause: „Nein, es geht jetzt nicht, weil ich gerade an der Börse Geld verloren habe.“

Nach solchen Erfahrungen stellt sich die Frage: gibt es überhaupt noch Freunde? Hat man früher Menschen in Not unbedingt geholfen und Freunden umso mehr, so hilft man heute Menschen in Not nur dann, wenn man damit wenigstens fünf Sekunden Publicity bei Licht ins Dunkel bekommt. Und wenn ein Freund in Not ist, dann hilft man erst recht nicht. Denn: wie kommt man denn dazu? Das wäre ja ungerecht all jenen Menschen gegenüber, die täglich durch unser Wohnzimmer spazieren, lebensgroß über die 2-Meter-Bildschirmdiagonale. Menschen, die auch dringend Hilfe brauchen, und die meisten davon viel dringender als ein Freund, der mal wieder ein bissl jammert. Liquiditätsschwierigkeiten! Was für ein Luxus-Problem! Das also ist Freundschaft 4.0. Die Freundschaft der Gerechten!

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