Warum ich nie ein Kreuzfahrtschiff betreten werde

Ich habe zehn Jahre lang in Hamburg gewohnt und lebe jetzt seit fast einem Jahr in Bergen in Norwegen. Vor zwei Wochen war ich zu Besuch in Stavanger. Alle drei Städte haben eine Gemeinsamkeit: Sie haben alle große Häfen und sind absolute Klassiker unter den Zielen der Kreuzfahrtschiffe. Kreuzfahrten sind schon seit mehreren Jahren zu einer absoluten Boom-Industrie im Tourismus geworden – und der Boom ist ungebrochen. Immer mehr Leute verbringen ihren Jahresurlaube auf den „weißen Traumschiffen“, in den Werften laufen in schöner Regelmäßigkeit neue Ozeanriesen vom Stapel.

Die großen Kreuzfahrgesellschaften wie Aida und TUICruises werben mit „Naturerlebnissen und frischem Seewind“ - und verschweigen dabei nur zu gerne, dass es sich bei ihren Schiffen, um die dreckigsten Rußschleudern handelt, die es überhaupt gibt. Laut dem deutschen Naturschutzverband NABU belastet einer der Kreuzfahrtriesen die Umwelt genau so stark wie fünf Millionen Autos. Damit verpestet alleine die Aida-Flotte die Luft so sehr, wie das alle Autos, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, zusammen.

Die modernen Kreuzfahrtschiffe werden in der Regel von Schweröl betrieben, was den CO2-Ausstoß im Vergleich zu Schiffsdiesel extrem in die Höhe treibt. Das ist den Kreuzfahrgesellschaften aber zu teuer. Und rechtlich gesehen kann man ihnen auch nichts anhaben: Auf hoher See gelten viel laschere Vorschriften für den Kohlendioxidausstoß als an Land. Sowohl vom Kyoto-Protokoll, als auch vom EU-System des Emissionshandels sind Kreuzfahrtschiffe ausgenommen.

Trotzdem sind Kreuzfahrten beliebt wie nie und es wird ein unglaublicher Hype um sie gemacht. Wenn in Hamburg ein großes Kreuzfahrtschiff einläuft, was nun wirklich nichts besonderes ist, ist es nahezu jeder Zeitung eine fröhliche Meldung wert, der Norddeutsche Rundfunk widmet einem Besuch der Queen Mary 2 auch schon mal eine zweistündige, völlig unkritische Sondersendung über  die "Königin der Meere".

Die Kreuzfahrtschiffe in Stavanger sind höher als jedes Haus in der Stadt.

Wenn in der Meyerwerft in Papenburg, ich bin in der Nähe aufgewachsen, ein neues Schiff vom Stapel läuft, stehen regelmäßig tausende Menschen am Ufer der Ems und jubeln dem Schiff zu. Die Papenburg liegt übrigens etwa 40 Kilometer entfernt von der Nordsee im Binnenland und kann nur deshalb an dieser Stelle so riesige Schiffe bauen, weil auf Kosten des Steuerzahlers ein riesiges Sperrwerk gebaut wurde, das die Ems aufstaut und so tief genug macht für die riesigen Kreuzfahrtschiffe. Da wird gerne in Kauf genommen, dass der ökologische Zustand der Ems sich einfach nur noch als katastrophal bezeichnet werden kann. Die EU droht geradedem Land Niedersachsen mit drastischen Strafen deswegen.

Unterdessen tragen Kreuzfahrtschiffe nicht einmal etwas zur touristischen Bilanz der Hafenstädte bei, die sie anlaufen. Zumindest nicht nachhaltig: In Norwegen wird seit einigen Jahren diskutiert, ob man die Zahl der Schiffe reglementieren möchte. Denn der Effekt auf die einheimische Tourismuswirtschaft ist zu vernachlässigen: Die Passagiere werden an Bord komplett verpflegt, die Stadtführungen werden von der Kreuzfahrgesellschaft organisiert und durchgeführt. In der Stadt lassen die Touristen höchstens ein paar Münzen für einen Kaffee – und einen schlechten Eindruck: In kleinen Städten wie Bergen und Stavanger verändert sich das Stadtbild extrem, wenn jeden Tag 2.000 bis 5.000 Touristen durch die Altstadt irren.

Das Problem mit der Luftverschmutzung könnte aber auch ganz einfach auf einen Bruchteil reduziert werden, indem die Schiffe einfach langsamer fahren würden. Das geht aber nicht, weil man die Touristen in kürzester Zeit zu so vielen touristischen „Hot-Spots“ fahren will, wie nur irgend möglich.

Und damit wäre ich bei dem Punkt, warum mir es sehr leicht fällt, Kreuzfahrten für mein Leben und meine Urlaube nicht in Betracht zu ziehen: In einem Sprint werden innerhalb weniger Tage so viele Ziele angefahren, dass man keine Chance hat, auch nur einen Ort näher kennen zu lernen. Jeden Tag hat man vier bis sechs Stunden in einer anderen Stadt zur Verfügung, um schnell die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Den Rest der Zeit verbringt man in den bordeigenen Restaurants, Kinos, Swimmingpools und Kasinos. Wenn ich einen solchen Urlaub will, dann kann ich meiner Meinung nach besser einen Städtetrip nach Hamburg unternehmen. Und dann kann ich zumindest behaupten, eine Stadt kennen gelernt zu haben.

Vor einigen Jahren haben meine Eltern eine Kreuzfahrt unternommen, sie wollten das gerne mal ausprobieren. Sie fand zwischen den kanarischen Inseln statt. Eine Insel fanden sie besonders schön – leider wissen sie nicht mehr genau, welche das war: „Die Eindrücke verschwimmen ja auch schnell, wenn man so viel sieht in kurzer Zeit...“.

Ihre erste Kreuzfahrt wird also ihre auch ihre Letzte bleiben – obwohl Öko-Gründe für diese Entscheidung keine große Rolle gespielt haben. Mich freut das sehr!

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

fischundfleisch

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irmi

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