Gewiss Donald Trump ist schon - um es vorsichtig zu formulieren - sehr speziell. Dennoch kann ich gelegentlich eine gewisse Schadenfreude nicht unterdrücken, wenn er, so wie gerade beim G7-Gipfel, den etablierten Politikbetrieb aufmischt und dabei unweigerlich auch dessen Schwächen und Scheinheiligkeit zutage treten lässt.

So hat sich Trump doch glatt geweigert, den Zustrom von meist ungebildeten und schlecht qualifizierten Flüchtlingen in der offiziellen G7-Abschlusserklärung zur Bereicherung für Europa und die westliche Welt zu erklären. Damit ist er zwar kräftig gegen den Mainstream geschwommen, doch er hat ausgesprochen, was viele seiner Amtskollegen in der EU zwar denken, aber nie sagen würden. Insofern könnten ihm diese für seine Blockadehaltung sogar dankbar sein. Und er hat seine Amtskollegen, die zwar das Hohe Lied der NATO singen, aber bitte schön möglichst nicht für diese zahlen wollen, daran erinnert, dass sie gefälligst 2% des BIP an die NATO abführen sollen. So wie dies 2002 festgelegt wurde. Deutschland erfüllt mit 1,2% diese Verpflichtung nicht annähernd. Nun kann man die Politik der USA und der NATO mit gutem Recht sehr kritisch sehen, ich empfehle hier das Buch "Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik von Kuba bis Syrien" von Daniele Ganser, doch wenn Merkel und Deutschland die NATO so toll finden, sollten sie ihren Verpflichtungen doch auch nachkommen, oder? Und da ist schließlich auch noch die Klimapolitik. Sie ist vor allem in Deutschland längst ein Dogma und wird wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Aber kann man nicht einmal wie Trump fragen: Ist es wirklich sicher, dass wir das Klima nach Belieben gestalten können? Sicher ist bislang nur, dass die Klimapolitik den Strompreis in Deutschland seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt hat.

Kurz, Trump hat den G7-Gipfel aufgemischt und den anderen Regierungschefs die Leviten gelesen. Nach betretenem Schweigen erleben wir gerade eine Umdeutung des Geschehens durch die Medien. Frei nach der Fabel vom Fuchs und den Trauben heißt es nun, wir Europäer brauchen die USA gar nicht. Dabei wird Frau Merkel zum Superstar geschrieben. Ein ebenso köstliches wie peinliches Beispiel liefert dafür Spiegel Online. Aufhänger ist eine Bierzeltrede Merkels. "Jeder Satz ein Treffer" jubelt SPON. Dabei wissen wir, eigentlich gilt bei Merkel doch eher, "Jeder Satz ein Eigentor". So auch hier. Wie SPON jedoch das Merkelsche Geschwurbsel zu ganz großem Kino erklärt, erinnert mich das irgendwie an das Neue Deutschland zu Honeckers Zeiten. Nicht nur, dass "jeder Satz ein Treffer" ist, nein, SPON erklärt uns auch, dass ihre Rede "weltweit diskutiert" wird, wie deutlich sie sich von Trump abgrenzt und dass sie einen "Neustart für Europa" bedeutet.

Schauen wir uns ihre genialen Sätze einmal genauer an:

"Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei."

Aha. Man hat sich in Europa also früher völlig auf andere verlassen. Womit ja wohl die USA gemeint sind. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis, es kennzeichnet auch einen Mangel bisheriger europäischer Politik, nämlich den Mangel an Souveränität. Fällt aber anscheinend niemandem weiter auf. Und nun gibt sie es Trump so richtig, indem sie in typischer Merkelscher Eindeutigkeit sagt: Diese Zeiten sind nun aber wirklich "ein Stück" vorbei. Da hat sie aber mal voll zugeschlagen. Was wir leider nicht erfahren, ob sie ein großes oder ein eher kleines Stück vorbei sind. Aber unsere allseits geliebte Kanzlerin hat so mal wieder alles und zugleich nichts gesagt und sich ein Hintertürchen offen gelassen.

Genial auch der folgende von SPON gefeierte Satz: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen."

Schön ist doch erstmal, dass wir es in unsere eigene und nicht in eine fremde Hand nehmen. Aber klingt da nicht auch ein wenig Entsetzen durch? Oh Gott, wir müssen das Schicksal "wirklich"... Zudem, warum nur der Singular? In welche Hand nehmen wir denn nun unser Schicksal? In die linke oder die rechte Hand? Ich tippe mal auf die linke. Aber was macht die andere Hand? Oder hat Europa nur eine? Hat man die rechte sicherheitshalber amputiert, damit sie nichts böses macht? Egal, wir werden es nie erfahren.

Doch keine Bange, Angie hat schon einen Plan. Mit Frankreichs Präsident Macron hat sie einen "neuen Push" vereinbart und dann gibt es noch eine "Roadmap" für neue Reformen. Na, da sind wir doch wieder im besten Politikersprech. Wohin uns Frau Merkel damit steuert, scheint sich abzuzeichnen - noch mehr Europa, sprich ein gemeinsamer Haushalt der Eurostaaten, eine Bankenunion, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung. Na, das freut doch die Griechen und die Franzosen. Deren Dank wird uns gewiss sein. Oder vielleicht doch nicht?

shutterstock/Nicole S Glass

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