Das Leben ist so schwierig. Und ich habe den Eindruck, es wird ständig schwieriger. Eigentlich läuft man permanent Gefahr, etwas falsch zu machen und gegen das Gute und für richtig und fortschrittlich Befundene zu verstoßen. Meist folgt dann auch gleich eine Ermahnung. So wie neulich, als ich bei einem großen deutschen Versandhaus, das so innovativ ist wie ein gleichnamiger Komiker lustig, online etwas bestellte. Ich hab das Sakrileg begangen, ein paar Klamotten in zwei Größen zu ordern. Sofort kam die Ermahnung, doch bitte nur in einer Größe zu bestellen, um die Umwelt zu schonen und unnötige Rücksendungen zu vermeiden. Ja liebe Leute, da habt ihr den falschen erwischt. Ich bestelle das Zeug nur für meine Frau und von dem, was die bestellt, gehen sowieso 50% zurück. Ist es da nicht besser, gleich in zwei Größen zu bestellen, statt später noch mal nachzuordern, wenn es nicht passt? Vor allem aber: Nie bekommt ihr es hin, alles auf Lager zu haben, immer gibt es Nachlieferungen, habt ihr da mal an die Umwelt gedacht? Aber Hauptsache euren Kunden mit der Ökoknute kommen.

Erinnert sich noch jemand an den Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer und fünf Journalisten aus sechs Ländern? Immer sonntags um 12.00 Uhr in der ARD? Da wurde nicht nur über Politik diskutiert, was haben die da Wein gesoffen! Die Dame aus dem Studio kam kaum mit den Nachschenken hinterher. Und geraucht haben die. Man wusste nie, ist der Fernseher im Arsch oder hat das Bild so wenig Kontrast, weil da alles im Zigarettenrauch verschwimmt. Das waren noch Zeiten. Heute stehen Raucher artig bei minus 20 Grad draußen vorm Restaurant und ziehen schnell eine durch und auf ihrer Zigarettenschachtel steht: „Rauchen kann tödlich sein!“ Oder „Raucher sterben früher!“ Gut, dass das da steht. Hätte niemand vermutet. Nur der olle Helmut Schmidt hat sich das nie richtig durchgelesen. Sonst wäre er vermutlich nicht 96 geworden.

Wetten, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auf der Pulle Whisky steht: „Alkohol ist nicht gut für Ihre Leber!“ Oder: „Wer so viel säuft wie Harald Juhnke, wird dumm im Kopp!“ Und wer im Restaurant nicht Tofu oder so ein vegetarisches Kunst-Schnitzel aus Eiweiß, Soja und ordentlich Geschmacksverstärker bestellt, sondern ein richtiges Hamburger oder Wiener Schnitzel, dem sagt der Ober nicht mehr „Guten Appetit“, sondern „Ich weise darauf hin, Fleisch kann Darmkrebs verursachen“. Also, da ist man immer auf der sicheren Seite. Da kommt Lebensfreude auf.

Ganz gefährlich ist auch das Einkaufen. Man kann z. B. womöglich versehentlich was in den Einkaufswagen packen, das nicht fair trade ist oder wo der Hinweis fehlt „Garantiert ohne Gentechnik“. Gibt es eigentlich auch schon Mineralwasser „Garantiert ohne Gentechnik“? Bestimmt. Veganen Tee kann man ja nun zum Glück endlich kaufen. Die wirkliche Gefahr lauert aber an der Kasse. Hier noch nach einer Plastikeinkaufstüte zu verlangen, ist total out. Das geht gar nicht mehr. Das ist wie seine Frau verprügeln, im Stehen pinkeln oder an der Ampel den Motor laufen lassen, also fast wie Mord. Eine Plastiktüte zu verlangen ist Mord an der Umwelt. Daher besser nicht danach fragen und den Einkauf unter den Arm klemmen oder einen Jute-Einkaufsbeutel hervor fummeln (aber unbedingt fair trade!)

Allerdings kapier ich da was nicht. Heutzutage trinkt ja kein Mensch mehr seinen Kaffee zu Hause, im Büro oder im Café. Nein, man schleppt das Zeug mit sich rum und trinkt auf der Straße, in der U-Bahn oder auf dem Bahnhofsklo. Coffee to go ist voll im Trend. Und komisch: Hier stört auch keinen der Verpackungsmüll. Jedenfalls habe ich noch nicht erlebt, dass jemand seine versiffte „Ich-bin-der Chef“-Kaffeetasse von zu Hause oder aus dem Büro zum Auffüllen mitschleppt. Ist halt auch immer eine Frage des Images. Coffee-to-go ist in, die Plastiktüte out. Pech für die Tüte.

Pech haben irgendwie auch die Männer. Eine Frau anzubaggern und zum Sex in die Kiste zu bekommen, wird zunehmend zum Höllentrip. Ruck zuck landet man nämlich nicht in der Kiste, sondern im Knast. So mal hinterher pfeifen, ein flotter Spruch oder gar berühren, das geht nicht mehr für den deutschen Mann, höchstens noch für Refugees. Auch zu lange Anschauen könnte schwierig werden, vorerst nur in den USA, aber was dort en vogue ist, ist ja ganz schnell auch bei uns Standard. Aber selbst wenn Mann sich auf der sicheren Seite glaubt und denkt, er habe die Dame seines Herzens rumgekriegt, kann das ein böses Erwachen geben. Wenn die nämlich am nächsten Morgen erwacht, sich das ganze noch mal durch den Kopf gehen lässt und denkt, also heute so nüchtern und bei Tage betrachtet, seh ich das ganz anders, kann es ganz eng für den Herrn der Schöpfung werden, zumindest, wenn es nach den Plänen unseres Bundesjustizministers geht. Also am besten nach dem romantischen Abendessen nicht gleich ins Bett, sondern erst mal zum Notar des Vertrauens, der alles fein säuberlich in Schriftform bringt und vertraglich regelt. So wird der Sex auch gerichtsfest.

Wenn Mann nun glaubt, dass macht doch keinen Spaß, da gehe ich lieber zu einer Professionellen – Irrtum. Auch hier brechen andere Zeiten an. Ich sage nur: „Saskia - zum Sex gezwungen.“ Kommt in unseren Breiten zwar fast nur in schlechten Filmen vor, aber die fiktive Welt der Filme für real zu halten, ist schwer in Mode. So heißt das neue Schlagwort Zwangsprostitution. Auch da hat der Herr Maas was vor. Freier müssen vorher gründlich checken, ob die Nutte ihrer Wahl nicht vielleicht Zwangsprostituierte ist. Sonst werden aus der schnellen Nummer womöglich lange Jahre im Knast. Also besser vorher immer fragen: „He, machst du das unter Zwang oder weil du scharf auf schnelle Kohle bist, insbesondere auf meine?“ Auch hier absolut empfehlenswert – den Anwalt des Vertrauens hinzuziehen.

Keine Freude mehr im Freudenhaus? Nicht nur da. Es wird immer schwieriger Spaß zu haben, man muss auf so vieles achten, um ja keinen Fehler zu machen. Einfach mal wie früher im Garten ein Osterfeuer machen und Kartoffeln in der Glut backen oder Marshmallows rösten? Vielerorts bereits verboten, um das Klima zu retten. Einen Diesel fahren, womöglich noch einen VW? Total schlecht fürs Image. Man gilt quasi als Betrüger und Stickoxid-Verbrecher, der den Leuten die Luft zum Atmen nimmt. Mit den Kindern in den Zirkus gehen? Oh Gott, dann unterstützt man die Versklavung von Wildtieren wie Elefant, Löwe und Zickenbock. Die Fische im heimischen Aquarium und die Katze in der Zwei-Zimmer-Wohnung, das geht natürlich immer noch.

Ja, wir sind auf dem Weg in eine ziemlich korrekte und fortschrittliche Welt, aber ich befürchte auch in eine ziemlich freudlose und spaßfreie.

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