Störe meine Kreise nicht – Berliner Schule mit Nahostkonflikt

„Störe meine Kreise nicht“– das waren der Legende nach die letzten Worte des griechischen Gelehrten Archimedes von Syracus, bevor ihn ein römischer Soldat erschlug. Es ist leider nicht überliefert, in welchen geistigen Sphären der Gelehrte gerade geflogen war, als er so unsanft in der Realität aufschlug. Sein Aufenthalt dort dauerte jedoch bestenfalls noch einige Sekunden. Die Elternschaft und das Lehrerkollegium der Friedenauer Gesamtschule müssen „nach einem antisemitischen Vorfall“ schon einige Tage am Boden bleiben, bemühen sich aber sehr, wieder Wind unter die Flügel zu bekommen.

Der „Vorfall“ betraf einen 13-jährigen jüdischen Schüler, für den sich seine Eltern eine als besonders multikulturell geltende Schule in Berlin ausgesucht hatten. Was dieser dort erlebte, ist mit Mobbing nur sehr euphemistisch umschrieben. Das Spektrum der „Aufmerksamkeiten“ seiner Mitschüler reichte von Beleidigungen über „ich kann nicht dein Freund sein, weil du Jude bist – Juden sind Mörder“ bis zu körperlicher Gewalt. Die Eltern mussten ihren Sohn von der Schule nehmen. Schlimm genug, dass solche Vorfälle an unseren Schulen längst keine Einzelfälle mehr sind, ist es hier jedoch die Reaktion der Schule, die aufhorchen lässt. Man zeigte sich pflichtschuldigst entsetzt über das Verhalten der Mitschüler des angegriffenen Jungen und kann doch gleichzeitig gar nicht begreifen, wie es soweit kommen konnte. Schließlich nähme man doch erfolgreich am Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ teil und fast alle Lehrkräfte und Schüler hätten sich den ehrenvollen Zielen dieser initiative verschrieben!

Aber es ist wohl mit solchen Initiativen nicht viel anders als zu DDR-Zeiten mit den Losungen zum 1. Mai, unter denen sich die Werktätigen Massen lächelnd und innerlich murrend versammelten, weil man ihnen einen freien Tag durch sinnloses Jubeln und marschieren verdarb: Es steckt nichts Substanzielles dahinter. In der DDR profitierten zumindest die Plakatmaler von der ideologischen Sülze, in der Bundesrepublik des Jahres 2017 deutet die Bezeichnung der Initiative auf eine viel umfangreichere und professionalisiertere Art der „Initiativwerdung des Geldes“ hin.

Denn wen finden wir als Förderer hinter dem klangvollen Namen „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“? Na klar, „Demokratie leben“ also das Familienministerium von Frau Schwesig. Ein Wunder eigentlich, dass das Bildungsministerium nicht unter den Förderern ist, aber wahrscheinlich wäre es gar nicht gut angekommen, wenn wir zwar einerseits marode Schulen, zu wenig Lehrer und miserable Ausstattungen an den Schulen haben, aber andererseits jede Menge Geld für politische Indoktrination vorhanden ist. Nein, für solche Dinge hat Frau Schwesig schließlich einen fetten Fördertopf, der mit 105 Millionen Euro gut gefüllt ist.

Die Medien wandten sich längst wieder wichtigeren Dingen zu und der hässliche kleine „Vorfall“ rückte wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Aber das adenauersche Aufmerksamkeitserhaltungsgesetz (Es ist zwar schon alles gesagt worden, aber nicht von Allen) wirkte auch hier, denn nun meldeten sich nach dem Schulleiter und der der Politik auch die Eltern der Schule zu Wort. In einem Leserbrief an den Tagesspiegel. „Störe meine Kreise nicht“ wäre eine schöne Betreffzeile in diesem Brief gewesen. Man formulierte aber lieber etwas umständlicher.

Natürlich sei man bestürzt über die Angriffe auf den Jungen und fühle mit der Familie. Man sehe die Schule aber als Vorreiter durch zahlreiche Projekte, in denen zu Toleranz und friedliches Miteinander aufgerufen werde. Kommt nun also einfach eine weitere „Vorreiterrolle“ hinzu? Ja, die Situation an der Schule sei schon sehr speziell, es gäbe einen hohen Anteil an Migrationshintergründen, die sich offenbar schon soweit in den Vordergrund gedrängt haben, dass die Eltern „gutbürgerlicher“ Kinder nichts unversucht lassen, um ihre Sprösslinge lieber auf eine der beiden anderen Schulen im Kiez zu schicken. Dass diese Tatsache nicht mit den „Erfolgen“ zusammenpasst, die man als „Schule ohne Rassismus“ zu erringen glaubt, muss im Moment der Niederschrift des Briefes wohl auch den Eltern klargeworden sein. Denn schon im nächsten Satz präsentierte man den wahren Schuldigen an der Situation in der Schule:

„Seit Jahrzehnten existiert im Nahen Osten ein nicht enden wollender Konflikt zwischen Arabern und Juden. Eine Stadt wie Berlin [..] kann von den Auswüchsen internationaler Konflikte, wie des Nahostkonflikts, nicht verschont bleiben. Wie kann also eine Schule mit einer Schüler_innenschaft, die sich aus vielen Nationen zusammensetzt, davor gefeit sein, dass es zu religiös motivierten Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen und Schülern kommt?“

Na da hätten wir aber auch alle von selbst drauf kommen können! Der Nahostkonflikt ist schuld! Und da Multikulturalität bei uns moralischen Verfassungsrang besitzt, kann man wohl kaum etwas dagegen sagen, wenn sich internationale Konflikte im „Dialog der Schüler“ an deutschen Schulen fortsetzten. So sind sie halt, die Araber und die Juden, da machst nix dran. So gesehen müssen wir auch großes Verständnis in Deutschland dafür aufbringen, wenn Türken die Kurden über die Schulhöfe jagen, Ukrainer die Milch ihrer russischen Mitschüler vergiften, Araberjungs Jesidinnen als heidnische Huren beschimpfen und Sunniten „ein Problem“ mit Schiiten haben. In Zeiten der folgenlosen Grenzüberschreitung ist es selbstredend auch unmöglich, Schülern das Überschreiten der Grenze der Persönlichkeitsrechte andere Schüler zu verbieten. Und selbstverständlich trage jeder Schüler den Rucksack der Konflikte, Vorurteile und Lügen der Gruppe, der er zugeschrieben wird und rechtfertige sich dafür! Hat die Elternschaft nun eine Idee, wie es besser laufen könnte? Aber hallo! Kritik an dem „Vorfall“ ist schon mal gar keine gute Idee:

„Die Lösung liegt nicht darin, dies anhand eines tragischen Vorfalls zu bemessen und den Ruf einer engagierten Schule nachhaltig zu schädigen. Die Lösung läge darin, eine Schule wie die Friedenauer Gemeinschaftsschule in ihrer Arbeit zu unterstützen und zu bestärken – z.B. durch zusätzliche finanzielle Ressourcen, durch zusätzliches Personal und zu guter Letzt durch einen Journalismus, der nicht voreilig verurteilt. Das tut der Tagesspiegel leider nicht, wenn er mit seiner Berichterstattung zum einen dem bildungsbürgerlichen Trend der Abschottung vor dem vermeintlich Anderen, dem Fremden, Vorschub leistet und zum anderen Wasser auf die Mühlen derer gießt, die den Islam fürchten oder gar islamfeindliche Tendenzen verfolgen.

Die Friedenauer Gemeinschaftsschule überzeugt mit einem innovativen Schulkonzept und engagierten Lehrer_innen. Es ist bedauerlich, dass die Energie und die fantastische Arbeit der Pädagog_innen sowie die an der Schule laufenden Projekte zur kulturellen Verständigung kaum eine Erwähnung in Ihrem Artikel finden. Wir befürchten, dass die Schule in ein völlig falsches Licht gerückt und der Ruf, den sie sich gerade hart erkämpft, zunichte gemacht wird. Leidtragende sind dabei in erster Linie die Kinder der Schule! Wir als Eltern wenden uns entschieden gegen Antisemitismus, Antiislamismus, Rassismus und Gewalt und werben für ein offenes Miteinander in der Gesellschaft, das nur funktionieren kann, wenn alle an einem Strang ziehen.“

Na so überzeugend wird das „innovative Schulkonzept“ der Friedenauer Gesamtschule wohl nicht sein, wenn die Eltern „mit den Füßen abstimmen“ und ihre Kinder lieber woanders hin schicken und „zusätzliche finanzielle Ressourcen“ – ein schöner Euphemismus für „mehr Geld“ – müsste wohl am besten in den Bau einiger weiterer Schulen und die Einstellung neuer Lehrer und Sicherheitspersonal fließen, als in Projekte mit tollem Namen, die nachweislich nichts anderes machen, als bunte Pflaster auf die Wunden zu kleben, welche gewisse Schüler anderen Schülern zufügen.

Aber sicher werden Schule, Lehrerschaft und engagierte Eltern in Zukunft zumindest im Kampf gegen den Antisemitismus große Erfolge feiern. Denn wenn es keine jüdischen Schüler mehr an der Friedenauer Gesamtschule gibt, müssen die Araber an dieser Schule nicht mehr „Nahostkonflikt“ spielen. Uns so kann die Elternschaft weiter von erfolgreichen Projekten der Verständigung und Völkerfreundschaft träumen, während die Schüler auf dem Schulhof Fakten schaffen.

Zuerst erschienen auf unbesorgt.de

Sujetfoto / pixabay

Sujetfoto, der Junge ist nicht der Schüler, um den es im Beitrag geht

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