Wien: Gemeindewohnungen - Gutverdiener sparen sich aufgrund günstiger Mieten ganze Eigentumswohnungen zusammen

Wieder mal wird jetzt gejammert und lamentiert, weil diese bösen, bösen Regierungsparteien den roten Schlendrian in Wien, und diesmal auch die Gemeindewohnungen, antasten wollen. Allerdings liefert wieder mal kein einziger der üblichen Suderanten ein gangbares Modell, wie man mit Sozialwohnungen vernünftig und so, dass sie auch sozial Bedürftigen und nicht dem gehobenen Mittelstand oder gar Politikern zugute kommen, umgehen könnte. Also wird vermutlich weiter gesudert, und die Stadtregierung wird, sofern sie nach den nächsten Wahlen noch am Ruder ist, alles weiter machen wie gehabt, weil ja natürlich genügend eigene Klientel und Günstlinge nicht so erfreut wären, wenn man ihnen die supergünstigen Wohnungen entzieht.

Ist das der Sinn von Sozialwohnungen?

Neben bekannten Beispielen aus Politik und Wirtschaft, die immer noch im Gemeindebau sitzen, kam mir gestern folgender Fall unter:

Eine Dame war bei mir, um den Kaufvertrag für eine Eigentumswohnung in der Preiskategorie 300.000 Euro plus Nebenkosten, was die Wohnung, vielleicht noch ein paar Sonderwünsche bei der Ausstattung, locker auf 350.- 380.000 ansteigen lassen kann, prüfen zu lassen. Da ich ein neugieriger Mensch bin und es natürlich auch für Beratungen oft nötig ist, ein wenig Hintergrundwissen zu haben, fragte ich, ob eine Kreditfinanzierung im Spiel sei. Dame: Nein. Ich: haben Sie geerbt? Dame: Nein, sie und ihr Mann hätten so gut verdient, dass sie sich dieses ganze Geld zusammensparen konnten - dank günstiger Miete im Gemeindebau.

Durchschnittlich können sich Menschen in Österreich monatlich ca. 250,-- Euro monatlich auf die Seite legen. Um sich mit dieser Sparquote 350.000 zusammen zu sparen, müsste ein durchschnittlicher Sparer 116 Jahre (!) sparen. Jetzt kann man sich vielleicht vorstellen, wie gut diese Leute tatsächlich verdient haben müssen, um sich diese Summe innerhalb eines normalen Arbeitslebens zusammensparen zu können. Der durchschnittliche Österreicher verfügt über ein Barvermögen von ca. 16.000 Euro. Im Klartext können sich nur sehr wenige Menschen so viel Geld weglegen, dass es sich dann ausgeht, ohne Kredit oder Erbe eine Wohnung zu kaufen.

Wo steckt der Fehler im System?

Einerseits, für Sozialwohnungen sind die Einkommensobergrenzen viel zu hoch, sie betragen aktuell 3.250,-- Euro NETTO, und jetzt soll mir bitte keiner kommen, so jemand sei ein Sozialfall und angewiesen auf aus Steuergeldern finanzierten Wohnungen. Diese Grenze gehört erst mal drastisch abgesenkt.

Andererseits: In Österreich wird das Einkommen desjenigen, der eine solche Wohnung bezieht, nur einmal, und zwar beim Einstieg, geprüft, danach nie wieder. Man kann also später auch locker ein Vielfaches der Einkommensgrenze beziehen, sich mehrere Eigentumswohnungen kaufen und von den Mieteinnahmen leben, das bleibt ohne Konsequenzen und der Mieter weiterhin in einer Sozialwohnung.

Lösung?

Für mein Dafürhalten recht einfach, ich habe dieses Modell bereits vor gut 25 Jahren in Holland kennen gelernt.

Vorab: ich persönlich bin gegen einen Verkauf, weil dies Sozialwohnungen entzieht und es ist nicht wirklich einzusehen, warum wir aus Steuergeldern am Ende private Gewinne finanzieren sollten. Die Stadt Wien wehrt sich aber nicht nur gegen den Verkauf, was ja noch nachvollziehbar ist, sondern auch gegen jede andere Veränderung oder Verschärfung gegenüber Mietern. Wie man auch hier im roten Kampfblatt "Kontrast" nachlesen kann. Weil es ist ja so super, wenn der Apotheker neben dem Sozialfall lebt. Ja, ist es? Was denkt sich der nächste Sozialfall, der wegen dem Apotheker keine Wohnung kriegt?

Die Idee war ursprünglich eine andere: nicht Reiche sollten im Sozialbau leben, sondern der Sozialbau kam in die Nobelviertel, so war es gedacht. So findet man Gemeindebauten im noblen 19. Bezirk ebenso wie in Favoriten.

Das holländische Modell ging so: Einkommen wird regelmäßig auch bei laufendem Mietverhältnis geprüft. Werden Grenzen überschritten, hat der Mieter zwei Möglichkeiten: entweder die Miete wird entsprechend angepasst, oder er zieht aus.

Die Mehreinnahmen können dann wieder dem Neubau oder der Erhaltung und Verbesserung bestehender Wohnungen zugute kommen.

Vorteil: Billigen Wohnraum gibt es ausschließlich für jene, die wirklich bedürftig sind.

Aber auch dagegen stemmt sich Wien. Kein Wunder, müsste man die Jahrzehntelang auch via Gemeindewohnungen gepflegte Günstlingswirtschaft aufgeben. Früher mal war das rote Parteibuch und Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft quasi Grundvoraussetzunug für eine solche Wohnung. Auch heute ist die Vergabe nicht immer gerade durchsichtig, wenn man sich so ansieht, wer aller mit echtem Bedarf KEINE Gemeindewohnung kriegt, und wer aller trotz beachtlicher Karriere immer noch eine hat.

Auch sonst herrscht bei Wiener Wohnen, dessen Mitarbeiter in Sachen Abgeschirmt sein vor dem Kunden noch die bei den Baumärkten schlagen, ziemlicher Schlendrian. Gegen schwarze Untervermietungen z.B., mit denen Kredite fürs neue Eigenheim oder so finanziert werden, wird oft jahrelang nichts unternommen.

Wohnbauförderung ist in Österreich vor allem Mittelstandsförderung

Bis in die 80er Jahre war die Wohnbauförderung Bundessache. Irgendwie gelang es den Landeshauptleuten, die Sache an sich zu reißen, seitdem blüht der Wildwuchs an Wahlgeschenken.

Gefördert werden nicht etwa Sozialwohnungen, sondern die Verhüttelung der Landschaft durch Einfamilienhäuser.

Ist es noch einsehbar, dass man bedürftigen Menschen Wohnraum in Form von Wohnungen finanziert, sehe ich nicht wirklich ein, warum ich Mittelstandskindern mit gutem Einkommen das Einfamilienhaus finanzieren soll.

Auch die Genossenschaftswohnungen sind so eine Sache. Gute Idee an sich, aber für wen genau leistbar? Längst sind die Mieten dort nicht mehr wirklich günstig, aber die größte Hürde ist der Einstieg, wo oft mehrere zehntausend Euro als Finanzierungsbeitrag hin zu legen sind. Wenn der Vormieter einen Nachmieter suchen darf, wird oft noch von dem zusätzlich abgezockt, weil dieser aus seinem alten Graffl, das nicht mehr in die neue Bleibe passt, noch Gewinn zu schlagen versucht, indem er vom Nachmieter Ablöse verlangt.

Im übrigen laufen die meisten Förderungen als Kredite, der sie in Anspruch nimmt, ist also zuerst mal: Verschuldet!

Eine Zeitlang wurde mit den Mietkaufwohnungen der Genossenschaften auch lustig spekuliert. Die Leute kauften die Wohnungen, die meistens doch spürbar unter dem Marktwert verkauft werden, nur deshalb, um sie kurz danach mit sattem Gewinn am privaten Wohnungsmarkt weiter zu verkaufen. Dieser Art der Spekulation ist, daran habe ich auch ein wenig mit gewirkt, inzwischen für zumindest gewisse Zeit ein Riegel vorgeschoben, indem die Genossenschaft sich ein Vorkaufsrecht im Grundbuch eintragen lässt.

Mit einer Durchforstung des verländerten Förderdschungels könnte sich die Regierung tatsächlich verdient machen. Nur, wer lässt sich schon so einfach von den Futtertrögen vertreiben und welcher Landeshauptmann will sich nicht gerne gelegentlich als Cäsar fühlen, wenn er mit großzügiger Geste Geld unter das Wahlvolk wirft? Also wäre nicht nur in Wien das Geschrei groß, wenn hier mal Ordnung gemacht und die Verschwendung gestoppt würde.

In diesem Ösiland ist halt alles, na halt ein bisserl zach... und die neue türkise Regierungspartei war ja früher als schwarze Partei, und ist es auch heute noch via diverser schwarzer Alt-Landeshauptleute und sonstiger Altlasten, Bestandteil des Problems.

Reformen bitte!

Der Wiener Gemeindebau ist ohne Zweifel einer der großen Verdienste des roten Wien und weltweit vorbildlich. Bereits zwischen den Kriegen wurden in einer Stadt, in der die "Bassena", das Gemeinschaftswaschbecken am Gang, und das gemeinsame Gangklo in den Altbauten üblich waren, kaum eine Wohnung in den Außenbezirken hatte WC und Wasser innen, Wohnungen mit doch einigem Standard wie Wasser, Bad und WC, Balkonen und großen Grünflächen für ärmere Schichten errichtet. Auch architektonisch fanden viele Bauten, wie etwa der Karl Marx Hof, großen Anklang.

Es wäre schade, wenn sich jetzt die rote Betonierer-Mentalität, also sich gegen jegliche Reform sperren, die nicht von einem selber kommt, auch im Gemeindebau fortsetzt. Und weil da nichts kommt in Sachen Reform in jeglicher Hinsicht, haben die Leute irgendwann mal die Nase so voll, dass sie andere Parteien wählen. Dafür, was andere Parteien mit dem Gemeindebau machen würden, hat man tatsächlich keine Garantie - man hat natürlich auch bei roten Parteien keine endgültige Garantie, der heute viel beklagte Abverkauf von Wohnungen in Berlin hat unter roten Regierungen statt gefunden, und eine rote Gewerkschaft hätte kürzlich kein Problem damit gehabt, die Wohnungen der ihr eigenen Genossenschaft an einen privaten Kapitalisten, einen Immobilieninvestor mit undurchsichtigen Beziehungen zur Stadt, zum Schleuderpreis zu verschachern, und das Land Wien als Kontrollinstanz offenbar auch nicht (ich kenne hier aber den letzten Stand der Causa nicht). Es wäre daher schlauer, ein paar Reformen einzuleiten, solange man es noch kann...

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