Geschichtliche Entwicklung der beruflichen Krankenpflege bis 1945

Die Geschichte der Österreichischen Krankenpflege wurde bis Anfang der 1990er Jahre kaum dokumentiert, nahezu alle medizinhistorischen Quellen zeigen die Sicht der Ärzte. Deutsche Pflegegeschichte trifft auf Österreich in vielen Punkten nicht zu, z. B. gab es vor der Zeit des NS in Österreich keine Rotkreuzmutterhäuser, Diakonissen kamen relativ spät nach Österreich und waren nur schwach vertreten. Das Wirken von Florence Nightingale hat in Österreich keine Spuren hinterlassen. Vor allem aber existierte vor der Gründung des „Rudolfinerhauses“ Pflege nicht als bürgerlicher Frauenberuf in Österreich.

Die berufliche Krankenpflege bis 1938

Zu bedenken gilt, dass die Darstellung der österreichischen Geschichte der Krankenpflege aufgrund der im Laufe der Jahrhunderte wechselnden territorialen Grenzen der ehemaligen Donaumonarchie sowie durch die Zeit des Nationalsozialismus schwierig ist. Die Geschichte der österreichischen Krankenpflege ist daher, je nach Zeitpunkt der Betrachtung, stets auch Teil der ungarischen, tschechischen, slowakischen, italienischen, polnischen und deutschen Geschichte der Krankenpflege.

Der Beginn der beruflichen Krankenpflege in Österreich ist mit der Gründung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses am 15. August 1874 durch Kaiser Josef II. mit 2.000 Betten anzusetzen. Die Krankenpflege übernehmen erstmalig in einer Art Dienstverhältnis „Wärter und Wärterinnen“. Die Männer wurden sukzessive aus der Krankenpflege verdrängt. Der Frauenanteil in diesem Beruf beträgt seither rund 90 %.

1874 wurde die erste Krankenpflegeschule der österreichisch-ungarischen Monarchie in Prag gegründet, am 20. Mai 1882 folgte die Gründung der Pflegerinnenschule am Wiener Privatspital „Rudolfinerhaus“ durch den Chirurgen Theodor Billroth. Im Vordergrund standen das medizinische Interesse an einer guten Versorgung von operierten Kranken und die Versorgung von Verwundeten im Falle eines Krieges. In beiden Weltkriegen wurde das Rudolfinerhaus Reservelazarett. Am 1. Juli 1913 erfolgte die Gründung der ersten öffentlichen Krankenpflegeschule am Wiener Allgemeinen Krankenhaus.

Erst am 25. Juli 1914 erfolgte die Verordnung des Ministers des Inneren betreffend berufsmäßiger Krankenpflege sowie eine Regelung der Krankenpflegeausbildung und somit Schaffung einer Grundlage für einen qualifizierten Beruf. Im August 1918 wurde das Ministerium für Volksgesundheit errichtet, 1929, bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, die Neuaufnahme von Krankenschwesternschülerinnen stark eingeschränkt, Schulen wurden geschlossen, Neuanstellungen limitiert bzw. untersagt.

Am 20. April 1933 wurde der „Verband diplomierter Krankenpflegerinnen Österreichs“ gegründet, die finanzielle und sozialrechtliche Lage des Pflegepersonals verschlechterte sich 1934 im autoritär-christlichen Ständestaat (1934 – 1938). Alle im öffentlichen Dienst Stehenden mussten Mitglieder der „Vaterländischen Front“ sein.

Im Jahre 1938 erfolgten der Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich und der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich, Österreich wird „Ostmark“. Es kam zur Übernahme reichsdeutschen Rechts und zur Inkraftsetzung der Vorschriften zur Ordnung der Krankenpflege, die bisherige Verordnung des Ministers des Inneren trat außer Kraft. Die Umstrukturierung des österreichischen Gesundheitssystems in Richtung nationalsozialistischer Gesundheitspolitik begann.

Krankenpflege in Österreichs Krankenhäusern im 19. Jahrhundert

Für die österreichische Pflege waren die von Kaiser Joseph II. (1741 – 1790, Sohn Maria Theresias) in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts gegründeten zentralen Krankenhäuser von wesentlicher Bedeutung: Sie beschäftigten erstmals, bis 1899 ausschließlich weltliches, Pflegepersonal in großer Zahl.

Der Rückstand der österreichischen Pflege, der bis heute zu spüren ist, resultierte aus Sparmaßnahmen, der Reduzierung des Pflegepersonals, schlechten Arbeitsbedingungen, bürokratischer Umständlichkeit, fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten und dem Fehlen einer gesetzlichen Regelung bis zum Jahr 1914.

Die übliche Berufsbezeichnung war, bis zum Jahr 1914, „Wärter“ bzw. „Wärterin“, die pflegerische Tätigkeit wurde als „Wartedienst“ bezeichnet.

Im 18. Jahrhundert überwog die weltliche Pflege: Laut der im Jahr 1843 erschienen „Systematischen Darstellung des Medizinalwesens“ von Joseph Müller war das Verhältnis zwischen weltlichen und geistlichen Pflegepersonen im Jahr 1836 in Cisleithanien (Gebiet diesseits des Flusses Leitha, österreichische Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie) 4,8 : 1.

Bis 1899 war im Wiener Allgemeinen Krankenhaus ausschließlich weltliches Pflegepersonal tätig, erst 115 Jahre nach der Gründung des Spitals kam die erste Ordensfrau ins Wiener Allgemeine Krankenhaus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten in Österreich nur zwei Ordern in der Krankenpflege Bedeutung: Die „Barmherzigen Brüder“, welche nur Männer pflegten und die „Elisabethinen“, welche ausschließlich Frauen pflegten. Geistliche Krankenhäuser gab es allerdings nur in größeren Städten wie Graz, Wien, Linz oder Klagenfurt.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Ordenskrankenpflege durch die Behörden forciert, 1855 wurde in diesem Zusammenhang ein Konkordat (ein Staatskirchenvertrag) abgeschlossen. Die Bestrebungen wurden bald durch das Erstarken der liberalen Richtung gestoppt. Erst in den letzten Jahrzehnten der Monarchie übernahm die Ordenskrankenpflege eine führende Rolle in Österreichs Krankenhäusern und verblieb im kollektiven Gedächtnis. Durch immer stärker werdende Nachwuchsprobleme verloren die katholischen Orden in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung.

Die ersten Krankenpflegeschulen

Mit der Übernahme des „Vereins zur Heranbildung von Pflegerinnen für Kranke und Verwundete“ durch Theodor Billroth im Jahr 1875 und der Gründung der Krankenpflegeschule im „Rudolfinerhaus“ 1882 erfolgten bahnbrechende Schritte. Die Ärzte hatten trotz des Standesunterschiedes erkannt, dass der Erfolg ihrer Heilkunst maßgeblich von der Qualität der Krankenpflege abhängig war. Auch brachte die rasante Entwicklung der medizinischen Wissenschaft mit sich, dass ärztliche Diagnosestellungen und Behandlungen immer mehr Vor-, Zu- und Nacharbeiten erforderten. Somit wurde die Krankenpflege zum ärztlichen Hilfsberuf, die Leiter und Lehrer an Krankenpflegeschulen waren Ärzte, welche auch die Lehrbücher schrieben und über die Inhalte der Ausbildung entschieden.

Im Ersten Weltkrieg meldeten sich viele junge Frauen im Glauben an einen kurzen Krieg als Hilfspflegerinnen an die Front, wo sie dann völlig überfordert waren. Der Epidemiedienst im Hinterland war unbeliebt, die Ausbildung ungenügend. Gut ausgebildete Pflegepersonen waren rar, man holte Pflegepersonal aus dem Deutschen Reich. Die sogenannten „Wiener Schnellsiedekurse“ bewährten sich für die Erstversorgung von leicht Verwundeten.

Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgten weitere Gründungen von Krankenpflegeschulen, die Zahl der ausgebildeten Krankenschwestern nahm zu, dennoch zeigte sich eine Tendenz zur Verwischung der Unterschiede von diplomiertem und nicht diplomiertem Personal: beide Gruppen erfüllten weitgehend die gleichen Aufgaben.

Krankenpflege in der Ersten Republik

Die Jahre von 1918 bis 1934 sind als Periode des Aufschwungs anzusehen: Es entstanden Berufsverbände sowohl auf sozialdemokratischer als auch auf christlicher Seite.

1933 wurde der „Verband der diplomierten Krankenpflegerinnen Österreichs“ als unpolitische Organisation gegründet und in den ICN (International Council of Nursing) aufgenommen. Die Hauskrankenpflege wurde forciert und eine Ausbildung für „Fürsorgeschwestern“ geschaffen.

Rückschläge brachten die Weltwirtschaftskrise sowie der autoritäre „Ständestaat“. 1934 wurden alle sozialdemokratischen Organisationen verboten, damit auch die dazugehörige Pflegevereinigung. Nach der Gründung der „Katholischen Schwesternschaft Österreichs“ 1935 musste der „Verband der diplomierten Krankenpflegerinnen Österreichs“ seine Tätigkeit einschränken.

Zur Pflege in Österreichs Krankenhäusern im 19. Jahrhundert

Sicher ist mit Wärterinnen kein Staat zu machen wie mit Florence Nightingale, daher hat sich die Berufsgeschichte bisher mit den Krankenwärterinnen, die keine Ausbildung und einen sehr niedrigen Status hatten, kaum beschäftigt. Die Begriffe „Wartedienst“ für den Pflegedienst, „Zivilwärterin“ für weltliche Wärterinnen und „Wärtersleute“ für die Pflegenden hatten zunächst keinen negativen Beigeschmack. Pflegende Ordensschwestern wurden als „geistliche Wärterinnen“ bezeichnet.

Wärterinnen hatten einen sehr niederen Status und mussten z. T. Botendienste oder grobe Reinigungsarbeiten, wie beispielsweise das Reinigen der Fußböden in den Krankenzimmern, verrichten, allerdings gab es bereits in den 1840er Jahren im Wiener Allgemeinen Krankenhaus „Abwaschweiber“.

Vor 1784 wurden in vielen weltlichen Einrichtungen, u. a. in den sogenannten „Bürgerspitälern“, die es in fast jeder Stadt gab, Kranke versorgt. Außer Kranken waren in diesen „Anstalten für Arme“ Waisenkinder, alte Menschen und Obdachlose untergebracht. Nicht mittellose Bürger konnten sich für die Zeit ihres Alters in diese Häuser einkaufen, die sogenannten „Pfründner“. Noch rüstige Pfründner waren dazu verpflichtet, ihre kranken Mitbewohner zu pflegen.

Oft versorgten auch Personen, die für andere Dienste angestellt waren, die Kranken mit, beispielsweise Köchinnen. Nur in einigen größeren Bürgerspitälern waren in begrenzter Zahl Vorgänger und Vorgängerinnen der beruflichen Krankenpflege zu finden. Sie hießen „Siechdirn“ oder „Siechknecht“, später „Krankenwarterin“ oder „Krankenwarter“. Im Soldbuch des Wiener Bürgerspitals sind für die Jahre 1704 bis 1708 je ein „Siechknecht“ und eine „Siechdirn“ für über 600 Insassen und Insassinnen verzeichnet, 100 Jahre später waren es dann je drei.

Eine wesentliche Änderung in der Krankenversorgung brachten die Reformen Kaiser Josephs II. Er ließ die multifunktionellen Anstalten durch Institutionen ersetzen, die auf die Art der notwendigen Betreuung spezialisiert waren: Ein allgemeines Krankenhaus für heilbar Kranke, dem ein Gebärhaus mit Findelhaus und eine Irrenanstalt angeschlossen waren. Pflegebedürftige, Behinderte und chronisch Kranke wurden in „Siechenhäusern“ untergebracht.

In diesen allgemeinen Krankenhäusern wurde eine beträchtliche Anzahl von Krankenpflegepersonen benötigt: Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, dem größten Krankenhaus der Monarchie, in welchem nur heilbare Kranke aufgenommen wurden, betrug die Zahl der Wärter und Wärterinnen im 19. Jahrhundert 130 bis 350 Personen. Der Akzent der Pflege verschob sich von Hilfeleistung für die Kranken auf Hilfestellung für die Medizin.

Geistliche Pflege im 19. Jahrhundert

Im Jahr 1851 schrieb Benjamin Appert (franz. Schriftsteller, 1797 – 1847): „Es wunderte mich, dass in den Spitälern Österreichs, das doch zum größten Theile [sic!] katholisch ist, so wenig barmherzige Schwestern mit der Krankenpflege beschäftigt sind …“

Die „Barmherzigen Schwestern“ hatten in Österreich erst im Jahr 1836 Fuß gefasst – ungefähr 200 Jahre nach der Gründung durch Vinzenz von Paul in Frankreich.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts war es in Österreich mehrmals zu einer Forcierung der Ordenskrankenpflege durch die Behörden gekommen. Die „Wiener Medizinische Wochenschrift“ schrieb im Jahre 1856: „Auch Österreich ist eben daran, die Pflege seiner Kranken in die Hände frommer Schwestern zu legen“. Diese Bestrebungen wurden durch das Erstarken der liberalen Richtung gestoppt, einige Verträge mit geistlichen Gemeinschaften gekündigt. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kam es zu einem stark vermehrten Einsatz von Ordensschwestern auch in öffentlichen Krankenhäusern, sodass die geistliche Pflege zur Jahrhundertwende schließlich überwog.

Infolge dieser Förderung durch staatliche Stellen wurde die Ordenspflege zur Konkurrenz der weltlichen Pflege. Der stärkste Feind der Wärter und Wärterinnen war jedoch die Ideologie: „Wer für Lohn pflege, könne gar nicht wirklich gut pflegen, denn ‚wahre Pflege‘ müsse aus ‚selbstloser Liebe‘ geschehen.“

Der Wartedienst am Wiener Allgemeinen Krankenhaus im 19. Jahrhundert

In den 1830er Jahren arbeiteten zwei Drittel aller im Gebiet des heutigen Österreichs in Krankenanstalten tätigen Pflegepersonen im Wiener Allgemeinen Krankenhaus.

Bei der Gründung des Allgemeinen Krankenhauses in Wien war für die Pflege von Männern Wärter, für die Pflege von Frauen Wärterinnen vorgesehen, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts (ca. 100 Jahre später) war jedoch fast nur mehr weibliches Pflegepersonal angestellt. Die „Verweiblichung“ der Pflege am Wiener Allgemeinen Krankenhaus im Laufe des 19. Jahrhunderts zeigt keine Parallelen zu den Entwicklungen in Deutschland, wo Pflege zu einem bürgerlichen Frauenberuf wurde: Der Großteil der Wärterinnen kam tatsächlich nicht aus dem Bürgertum, sondern aus einer Schicht der Bevölkerung, in welcher Frauen gezwungen waren, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Lange Zeit wurde angenommen, das sog. „Wärterinnenzeitalter“ habe 1865 mit Direktor Theodor Helm, welcher statt männlicher Pfleger weibliche angestellt habe, begonnen. Mittlerweile gilt es als gesichert, dass bereits 1795 unter der Leitung von Direktor Johann Peter Frank umfassende Reformen durchgeführt und männliche Wärter durch weibliche ersetzt worden waren.

Frank hatte der Niederösterreichischen Landesregierung den Vorschlag gemacht, auch auf Männerabteilungen Wärterinnen anzustellen. Er argumentierte dahingehend, dass bei den ungünstigen Arbeitsbedingungen im Krankenhaus nicht genügend geeignete Wärter aufzutreiben seien. Frauen könnten eher von dem geringen Lohn leben und fänden sich leichter zu dieser Arbeit bereit. Des Weiteren seien sie reinlicher, tränken weniger, hätten mehr Mitleid mit den Kranken und hielten sich strenger an Verordnungen. Ferner könne „ihr Alter und Aussehen“ […] die „männlichen Kranken beruhigen“. Die Niederösterreichische Landesregierung erließ hernach einen Befehl an die Verwaltung des Krankenhauses sukzessive mehr weibliches Pflegepersonal aufzunehmen.

Erwähnenswert ist, dass bis zum Jahr 1854 Wärter und weibliche Wartepersonen im Wiener Allgemeinen Krankenhaus den gleichen Lohn erhielten. Männer fanden sich infolge der schlechten Arbeitsbedingungen nicht in genügender Zahl zu Pflege bereit, weil sie andere Möglichkeiten hatten, sich den Lebensunterhalt zu verdienen.

Sozialer Hintergrund der Wärterinnen im 19. Jahrhundert

Meist waren die Wärterinnen im Wiener Allgemeinen Krankenhaus im 19. Jahrhundert etwas älter, häufig verwitwet und stammten aus der Arbeiterschicht. Wenngleich sich mit Sicherheit nicht alle an den bürgerlichen Sittenkodex hielten, waren sie sicherlich nicht die verkommen und „sittenlosen Geschöpfe“, als welche sie dargestellt wurden und werden. Wärterinnen, die uneheliche Kinder hatten, durften nicht im Allgemeinen Krankenhaus arbeiten.

Strafprotokolle sprechen dafür, dass der eine Wärter und die andere Wärterin ge-trunken und im Nachtdienst geschlafen hat oder nicht bildungsfähig gewesen ist. Dass ein Teil der Wärter und Wärterinnen im Jahr 1823 nicht lesen und schreiben konnte, ist bei dem hohen Prozentsatz an Analphabeten in Österreich zu dieser Zeit nicht verwunderlich. Vorschläge von Ärzten betreffend Ausbildung von Wärtersleuten wurden nicht realisiert, allerdings wurden später bei der Aufnahme Kenntnisse von Lesen, Schreiben und Rechnen verlangt.

Pflegerische Tätigkeiten der Wärterinnen im 19. Jahrhundert

Direktor Theodor Helm beschrieb 1856 die Pflegetätigkeiten wie folgt: „Es müsse einige Uebung [sic!] mit Kranken umzugehen, vorhanden sein. Sie besteht aber nicht blos [sic!] im Verabreichen von Arzneien, von Suppen […], sondern in zweckmässigem Handanlegen beim Führen, beim Heben und Legen, Aufrichten der Kranken […], ferner in anstandsloser Ausführung der ärztlichen Verordnungen z. B. von Umschlägen, Waschungen, Einspritzungen u.s.w. Eine gute Wartperson weiss [sic!] manchmal den unruhigen Kranken zu beschwichtigen, den Ungeberdigen, Unbändigen sanft zu gewältigen, ohne ihm Schmerz zu verursachen oder eigene Heftigkeit und Zorn zu verraten. Sie soll vorherzusehende Ereignisse zu rechter Zeit wahrnehmen und die vorgeschriebene Meldung rechtzeitig veranlassen, durch plötzlich eintretende unerwartete Ereignisse soll sie sich nicht ausser [sic!] Fassung bringen lassen.“

Die fehlende theoretische Ausbildung der Wärter und Wärterinnen wirkte sich bereits früh negativ aus: Schon im Jahr 1811 wurden Medikamentenverwechslungen durch Wärtersleute dokumentiert, welche zu der Anordnung führten, die Ärzte hätten die Verabreichung „heroischer Mittel“ (Rauschgifte) selbst durchzuführen oder einen verlässlichen Wärter bzw. eine verlässliche Wärterin nach spezieller Instruktion damit zu betrauen.

Der technische Fortschritt der Medizin machte weitere Hilfsdienste erforderlich: Wärterinnen erfüllten Spezialaufgaben, wie beispielsweise die Assistenz bei Röntgenaufnahmen, die Sterilisation von Instrumenten, die Vorbereitung für Operationen, die Arbeit im Ambulatorium u.s.w. Diese Tätigkeiten wurden als „Wartebedienung“ bezeichnet.

Die Arbeitsbedingungen der Wärtersleute

Die Arbeitsbedingungen im Wiener Allgemeinen Krankenhaus waren generell über den ganzen betrachteten Zeitraum hinweg schlecht. Die finanzielle Vergütung war allerdings in den ersten Jahren nach der Gründung noch nicht ganz so ungünstig: Wärtersleute bekamen um die Zeit von 1788 neun Gulden monatlich, was vermutlich verhältnismäßig viel war, wenngleich Aussagen über den tatsächlichen Geldwert schwer zu treffen sind. Spätestens mit den Napoleonischen Kriegen verschlechterten sich die materiellen Verhältnisse der Wärter und Wärterinnen deutlich. Mitte des 19. Jahrhunderts galt die extrem schlechte Entlohnung als Hauptursache für Missstände. Die 1887 in einem Artikel in der Internationalen Klinischen Rundschau getroffene Aussage „Für zwölf Gulden monatlich engagiert man keine Engel“ stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von Arthur Schnitzler.

Die Arbeit der Wärtersleute war körperlich schwer und dienstfreie Zeiten, auch die Nächte, mussten im Krankenhaus verbracht werden. Bis ins 20. Jahrhundert standen den Wärterinnen im Allgemeinen Krankenhaus zu diesem Zweck Verschläge in den Krankenzimmern zur Verfügung, was international auf Missfallen stieß.

1907 schrieben die amerikanischen Pflegehistorikerinnen Nutting und Dock: “Their sleeping accomodations are cubicles in the wards – not outside of the wards, but in them – on a line with the patients beds.”

Der wahre Grund für den Zwang im Krankenhaus zu wohnen, lag in der ständigen Verfügbarkeit der Wärterinnen, offiziell wurde diese Tatsache jedoch damit begründet, dass das Allgemeine Krankenhaus gleichsam ein großer Haushalt sei und in einem ordentlichen Haushalt das Personal über Nacht zu Hause zu sein hat. Ärzte gaben z. T. Ausgangerlaubnisse, zeitweise hatten die Wärterinnen ihre Kinder auch bei sich.

Über das Verhalten des Wartepersonals mussten sogenannte „Conduitlisten“ (Beurteilungsbögen) geführt werden. Für allfällige Vergehen waren strenge Strafen vorgesehen.

Die gesundheitliche Gefährdung war sehr hoch. Wartepersonen waren in erhöhtem Ausmaß den häufigen Epidemien (Cholera, Typhus, Flecktyphus) ausgesetzt. Des Weiteren waren Rückenleiden und Tuberkulose häufige Berufskrankheiten.

Eine weitere Belastung war die Unsicherheit des Arbeitsplatzes, da die Wärter und Wärterinnen nur nach dem jeweiligen Bedarf beschäftigt wurden: Waren weniger Kranke zu versorgen, wurde überzähliges Wartepersonal – ebenso wie für die Zeit des Sommerputzes oder der Sperrung von einzelnen Krankensälen – entlassen um der Spitalsverwaltung Kosten zu ersparen. Dadurch war es schwierig, einen kontinuierlichen Stand von eingearbeiteten Pflegepersonen aufzubauen.

Als einzige Vergünstigung genossen die Wartepersonen des Wiener Allgemeinen Krankenhauses – sowie später auch der anderen „Wiener k. k. Fondskrankenanstalten“ – das Recht auf eine, wenngleich geringe, Altersversorgung („Provision“).

Bereits im Jahr 1814 erhielten Wärterinnen und Wärter unter bestimmten Bedingungen das Recht auf Altersversorgung; eine Vergünstigung, für die in der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht leicht eine Parallele zu finden ist, und welche sonst nur Beamten oder deren Helfern wie Amts-, Schul- oder Gerichtsdienern – ausschließlich Männern – vorbehalten war.

Hierarchie und Ausbildung im 19. Jahrhundert

Vorgesetzte der Wärtersleute waren in medizinischer Hinsicht Ärzte, in Bezug auf alles Andere die Verwaltung. Es gab sog. „Oberkrankenpfleger“, welche jedoch Beamte waren und nicht aus der eigenen Berufsgruppe kamen. Die bereits erwähnten amerikanischen Krankenschwestern Nutting und Dock sprachen davon, dann in keinem anderen Land ein „unterdrückteres und mehr mit Füßen getretenes Personal“ zu finden sei. Es gab weder eine Frauenkommission noch eine Oberin, die für die Rechte der Wärterinnen eintrat. Es gab lediglich unbeschränkte und unbeeinflusste Aufsicht durch männliche Autoritäten. Erfahrende Wärterinnen nahmen z. T. inoffizielle Positionen von „Oberwärterinnen“ ein, ohne dafür eine Vergütung zu erhalten.

Die weltlichen Wärterinnen hatten ebenso wie die Ordensfrauen keinerlei theoretische Ausbildung. Für den Pflegeberuf war es ein Rückschlag, als in den Wiener k. k. Krankenhäusern geistliche Schwestern aufgenommen und Helferinnen entlassen wurden. Die pflegenden Schwestern erklärten sich daher bereit, auch die groben Reinigungsarbeiten zu übernehmen, was den verantwortlichen Behörden willkommen war. So konnten die erhöhten Kosten, die der Einsatz von Ordensfrauen mit sich brachte, ausgeglichen werden.

Die Klagen über die äußerst ungünstigen Arbeitsbedingungen wiederholten sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder, ohne dass die Arbeitsbedingungen verbessert worden wären. Dasselbe gilt für die Ausbildung des Wartepersonals, deren Fehlen immer wieder beklagt wurde, ohne dass eine solche geschaffen wurde. Zu dieser ungünstigen Entwicklung trugen Faktoren wie chronische Geldnot des Wiener Krankenanstalten-Fonds, politische Interessen oder die Unbeweglichkeit der Bürokratie bei. Die Wärterinnen selbst konnten aufgrund ihres geringen Status ihre Interessen nicht durchsetzen, während hinter den Klosterfrauen die katholische

Kirche und die klerikalen Parteien standen. Die stärkste Waffe, der Streik, stand nicht zu Verfügung, da die Patienten und Patientinnen Schaden genommen hätten.

Das System, welches so katastrophale Bedingungen für die Pflegepersonen mit sich brachte und die ärztliche Leitung des Allgemeinen Krankenhauses sowie anderer Wiener k. k. Krankenanstalten z. T. große Sorge hatten, die Versorgung der Kranken würde zusammenbrechen, funktionierte aufgrund eines Modus vivendi, der sich zwischen Ärzten und Wärterinnen herausgebildet hatte: Der Betrieb musste schließlich weitergehen.

Im Vormärz (1815 – 1848) passte die Arbeitssituation noch einigermaßen in das Erwerbsmuster der Arbeiterfamilien, die Situation spitzte sich allerdings um 1900 immer mehr zu. Erst die Erwartung eines baldigen Krieges und die Sorge, dass keine Pflegepersonen für verwundete oder kranke Soldaten zur Verfügen stehen könnten, bewirkte knapp vor dem Ersten Weltkrieg, dass auf allerhöchsten Befehl Geldmittel zur Errichtung von Krankenpflegeschulen in allen großen Städten der Monarchie flüssig gemacht wurden. Mit der Verordnung vom 25. Juni 1914 erfolgte die gesetzliche Regelung der Pflegeausbildung.

Pflege in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft

Einschneidende Veränderungen für die österreichische Pflege ergaben sich bereits im März 1938. An den Wiener Krankenpflegeschulen wurde schon in den ersten Tagen nach dem Anschluss an Deutschland die Leitungen, Schuloberinnen und ärztliche Direktoren, teils aufgrund ihrer jüdischen Abstammung, teils aufgrund ihrer Tätigkeiten im „Ständestaat“, ausgewechselt.

Die Neugründung von Krankenpflegeschulen wurde forciert, da Deutschland einen großen Mangel an Pflegepersonal verzeichnete. Maßnahmen, die auf die ideologische Beeinflussung mit nationalsozialistischem Gedankengut abzielten, waren beispielsweise die Einführung der weltanschaulichen Schulung und der Erb- und Rassenkunde in den Schulen sowie der Zwang zur Benützung eines amtlichen Lehrbuches. Des Weiteren war eine amtliche Berufserlaubnis zur Tätigkeit in der Krankenpflege eingeführt worden, was der Partei ein umfassendes Kontrollinstrument in die Hand gab.

Beteiligung österreichischer Pflegepersonen an Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Zeit des Nationalsozialismus

Ein besonders düsteres Kapitel der Krankenpflege stellt die Teilnahme von Pflegepersonen an den nationalsozialistischen Verbrechen, insbesondere der „Euthanasie“ in Heilanstalten und psychiatrischen Krankenhäusern, dar.

Die Medizin in der Zeit des Nationalsozialismus hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich die Etablierung eines terroristischen Gesundheitssystems möglich gemacht, welches nahezu lückenlos auf all jene zugriff, die den vom Nationalsozialismus gesetzten Kriterien von Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit nicht zu entsprechen vermochten. Viele waren an diesem „Krieg gegen die Minderwertigen“, gegen psychisch kranke oder behinderte Menschen, beteiligt.

Erst in den letzten Jahren haben historische Untersuchungen gezeigt, dass nicht nur Ärztinnen und Ärzte an diesen Untaten beteiligt waren. Tatsächlich waren praktisch alle im Gesundheitssystem Tätigen in ein System von „Heilen“ und „Vernichten“ eingebunden. Die menschenfeindlichen Praktiken reichten von Absonderung und Verwahrung über Zwangssterilisation und Zwangsabtreibung bis hin zum „medizinischen“ Mord. Wir wissen heute, dass Pflegepersonen als Handlanger gewissenloser NS-Ärzte an den Kindesmorden auf dem „Spiegelgrund“ in Wien beteiligt waren. Eine ganze Reihe von Pflegepersonen führte durch ihre nationalsozialistische Einstellung, ihr bedenkenloses Mittun und durch die bewusste pflegerische Unterversorgung den Tod mehrerer tausend Steinhofer Patienten und Patientinnen herbei. Des Weiteren wurden tausende Pfleglinge "Am Steinhof" für den Transport in die oberösterreichische Tötungsanstalt Hartheim „reisefertig“ gemacht.

Österreichs Krankenschwestern und -pfleger entwickelten sich in Ausübung ihres Dienstes zu gefürchteten Täterinnen und Tätern. Tatsache ist, dass die ihnen vorgesetzten Ärzte und Ärztinnen in den überwiegenden Fällen die medizinischen Tötungen zwar anordneten, der Vollzug der Tötung selbst (Am Steinhof als „Todesbeschleunigung“ bezeichnet) allerdings durch das Pflegepersonal durchgeführt wurde, wobei ihnen ein erschreckend großer Entscheidungs- und Ermessensspielraum eingeräumt war. Nicht wenige schreckten auch vor extremen Grausamkeiten, Sarkasmus, Zynismus, Gewalt und dem Zufügen von Schmerzen nicht zurück. Am Wiener Steinhof wurde die sog. „Wilde Euthanasie“ durchgeführt.

Dokumentiert ist auch, dass sich Pflegepersonen an den Misshandlungen an den in der „Arbeitsanstalt für asoziale Frauen“ Am Steinhof festgehaltenen Frauen und Mädchen schwer mitschuldig gemacht haben.

Mitten im Zentrum des organisierten Mordens befanden sich jene Pflegepersonen der Heil- und Pflegeanstalt Ybbs an der Donau, die in der „Landesheilanstalt“ Schloss Hartheim ihren „tödlichen“ Dienst taten.

Prozesse gegen Krankenschwestern und Pfleger

Nach 1945 wurden nur ein kleiner Teil der für all diese Verbrechen mitverantwortlichen Pflegepersonen zur Verantwortung gezogen, welche in folgenden Anstalten tätig waren: Heil- und Pflegeanstalten Gugging bei Wien, Mauer Öhling bei Amstetten, Niedernhart in Linz, Landes-Siechen- und Landesirrenanstalt am Landeskrankenhaus Klagenfurt. Völlig unbehelligt blieben hingegen die an den Morden der steirischen Heil- und Pflegeanstalt Graz-Feldhof Beteiligten. Ungesühnt blieb auch die Beteiligung des ärztlichen und pflegerischen Personals an den Zwangssterilisationen.

In Österreich mussten sich Ärztinnen und Ärzte vor Gericht verantworten, auch Angehörige des Pflegepersonals standen vor Gericht. Diese Krankenpflegepersonen arbeiteten in insgesamt zehn österreichischen Anstalten und haben dort „ihren Dienst getan“:

In sechs dieser Anstalten wurden in der Zeit des NS in einem ungeheuren Ausmaß Tötungsverbrechen an Patientinnen und Patienten begangen. Zwei dieser Anstalten dienten v. a. der „Verlegung“ von Insassen in die Tötungsanstalten. Sie wurden als sog. „Zwischenanstalten“ geführt, wobei zumindest in einer von ihnen die dorthin deportierten Patienten und Patientinnen auch an Ort und Stelle getötet wurden. In den verbleibenden zwei Anstalten wurden Frauen, die als „asoziale Elemente“ denunziert wurden, eingewiesen und dort mit der „geforderten und nötigen Zucht und Härte“ behandelt.

Allen von den Gerichten schuldig gesprochenen Pflegepersonen war gemeinsam, dass sie nach Erhalt der „Tötungsaufträge“ den Schritt zur Tötung ohne zu zögern gingen und wie ihre Vorgesetzten - Ärzte und Ärztinnen - keine Gnade für ihre Opfer kannten. Auch im Nachhinein zeigten sie keinerlei Mitleid, keine Reue und versuchten im Strafverfahren, jede Schuld zu leugnen bzw. führten Gehorsam, Unterordnung und blinde Autoritätsgläubigkeit sowie den aus anderen NS-Prozessen bekannten „Befehlsnotstand“ ins Treffen. Mit stereotypen Antworten: „Ich habe nur im Auftrage gehandelt“ versuchten sie ihre Taten zu rechtfertigen.

Zum größten Teil wurden die vor Gericht gestellten Krankenpflegepersonen, die gleichzeitig Opfer als auch Nutznießer des Nationalsozialismus waren, zunächst zu harten Strafen verurteilt, die von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe, welche später in Zuchthaus umgewandelt wurden, reichten. Schon nach wenigen Jahren kamen die ersten Verurteilten im Zuge von Begnadigungsverfahren wieder frei, in den meisten Fällen kehrten sie ohne Schwierigkeiten in die Krankenpflege zurück. Beispielsweise war eine Angeklagte nach nur 4 ½ Jahren Haft bereits wieder als diplomierte Krankenschwester im St. Anna Kinderspital in Wien tätig.

Literatur

BIWALD, Brigitte (2007): krankenpflege 1918 bis heute. die vorgeschichte bis 1918, In: Österreichische Pflegezeitschrift 11/07.

DAHL, Matthias (2004): Endstation Spiegelgrund. Die Tötung behinderter Kinder während des Nationalsozialismus am Beispiel einer Kinderfachabteilung in Wien 1940 bis 1945, Erasmus, Wien.

FÜRSTLER, Gerhard; MALINA, Peter (2004): Ich tat nur meinen Dienst. Zur Geschichte der Krankenpflege in Österreich in der NS-Zeit, Facultas, Wien.

WALTER, Ilsemarie (2004): zur pflege in österreichs krankenhäusern im 19. Jahrhundert, In: Österreichische Pflegezeitschrift 11/04.

Schwesternschule

um 1910

1. Weltkrieg

Kinderverwahranstalt I. Weltkrieg

OP um 1915

Serilisationsraum um 1920

Am Spiegelgrund

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