Deutschland erntet die Früchte des Szientifismus

Der deutsche Bundesrat hat die Corona-Regeln für den Herbst und Winter durchgewunken, inzwischen redet man in vielen Medien vom "deutschen Sonderweg", wie man einst vom "schwedischen Sonderweg" sprach. Selbst die Mainstream-Medien kritisieren inzwischen offen diese Verordnungen und deren Hausierer Lauterbach. Man kann sicherlich inzwischen von der Annahme ausgehen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung nicht mit diesen Regeln einverstanden ist. Doch, obgleich die meisten europäischen Länder (und gar Länder der ganzen Welt) nach und nach aus dem Corona-Modus "aussteigen", sind diese neuen Diktate des Gesundheitsdespoten Lauterbach schlussendlich nichts weiter, als die logische Fortführung eines fast religiösen Szientifismus, von welchem Deutschland keineswegs der einzige Jünger war, wohl aber einer der eifrigsten.

Über zwei Jahre wurde vielerorts die Pandemie mit einer Auffassung behandelt, die mehr einem mittelalterlichen religiösen Dogma ähnelte, als der rationalen Handhabung einer epidemischen Krankheit. Manche Wissenschaftler, die sich hauptsächlich durch ihre Hardliner-Einstellung differenzierten, apokalyptische Voraussagen machten und das härtest mögliche Durchgreifen vom Staat erwarteten wurden zu Propheten, und jedes Wort oder jeder Tweet den sie äusserten wurde sofort zur grossen Schlagzeile. Die täglichen Berichte darüber, wie viele Leute infiziert worden waren, wie viele verstorben, wurden zum Evangelium, welches uns sagte, ob der zornige Gott der Pandemie besänftigt war oder nicht. Zu erwähnen, dass zuvor wie danach immer Menschen an Ansteckungs- und Atemwegskrankheiten erkrankten und starben, was nun mal Teil des Lebens ist, war die wohl grösste Häresie. Die Politik sah die Situation als Anlass, die ordentlichen Vorgehensweisen zu umgehen, Gesetze traten nächsten Montag in Kraft, parlamentarische Debatte gab es nicht, wozu auch, denn wer diese heiligen Diktate anzweifelte, war ja sowieso nur ein Schwurbler.

Vor allem begannen sich Politiker per System hinter der "Wissenschaft" zu verstecken. Dass die meisten Politiker schleimige Figuren ohne viel Rückgrat sind, ist eigentlich nichts neues, aber dies nahm in dieser Zeit groteske Züge an. Die Politiker wuschen sich die Hände von ihren Verordnungen, indem sie sagten, sie würden nur der "Wissenschaft" folgen. Die "Wissenschaft", welche diese Verordnungen vorschlug oder guthiess, hingegen, konnte sich dem prüfenden Blick der Gesellschaft entziehen, da sie ja keine Entscheidungsmacht trug. Wie muss sich der arme Franz Kafka dieser Jahre in seinem Grab umgedreht haben, selbst er hätte kaum so einen vollkommenen Kafkaismus erfinden können. Da die Verordnungen also der "Wissenschaft" folgten, und sicher nicht den Hohlköpfen völlig überforderter Politiker, die inzwischen nicht mehr viel Anderes kennen, als die Interessen unterschiedlicher Lobbygruppen zusammen mit ihrer Medienpräsenz zu jonglieren, gab es auch keinen Grund diese anzuzweifeln, und die Medien gingen mit ihren öffentlichen Schauprozessen gegen jeden vor, der dies in Erwägung zog. Selbst angesehene Wissenschaftler waren nicht vor dem Journalistenmob, mit ihren dialektischen Fackeln und Heugabeln, sicher. Dass natürlich die Verordnungen, welche der "Wissenschaft" folgten, schon auf eine spezifische Auffassung ausgerichtet waren, gleicht einer selbsterfüllenden Prophezeiung: "Ich höre nur auf glaubwürdige Wissenschaftler, und glaubwürdig sind nur die, die das sagen, was ich hören will." Köstlich.

Diese ganze Situation wird für gewöhnlich als "Szientifismus" beschrieben, eine Art von dogmatischem Glaube an die Wissenschaft, ohne praktische Realitäten ohne Begrenzungen miteinzubeziehen, was auch in einer Art von Technokratie mündete, worin den vorangehend beschriebenen Betrachtungen eifrig nachgegangen wurde, ohne eben zu bedenken, inwiefern dies im Widerspruch zu der gesellschaftlich akzeptierten Ordnung oder gar den Grundrechten stand, ebenso wie in vielerlei anderer Hinsicht unsere Ordnung und Grundrechte zu Gefahren, Unsicherheiten, Risiken, usw., führen, diese aber eben als Konsequenz solcher Freiheit hingenommen werden, da man sonst unweigerlich zu einem Gouvernantenstaat kommt, der alle Aspekte des Alltags reguliert, und uns bis ins Detail vorschreibt, wie unser Leben geführt werden soll, z.B. indem Risikosport oder ungesunde Gewohnheiten (wie rauchen, trinken oder ungesunde Ernährung) verboten werden. Dieses technokratische Vorgehen, dieses sich hinter der "Wissenschaft" verstecken, um der Verantwortung über politische Entscheidungen wider der Existenzberechtigung der Politik selbst, wurde im öffentlichen Diskurs kaum in Frage gestellt, und solche Infragestellung von der grossen Masse gnadenlos attackiert.

Hierdurch ist eine Weltanschauung ergründet worden, welche es nicht für erforderlich hält, praktische Realitäten, gesellschaftliche Ordnung, Grundrechte, usw., miteinzubeziehen, und sich auch nicht dazu gedrängt führt, gegenüber der Bevölkerung Rechenschaft abzulegen, sondern sich durch diese Situation erkoren fühlt, autokratisch und bevormundend Entscheidungen zu treffen. Diese Weltanschauung ist es, die Lauterbach und seinem Ministerium zu Grunde liegt, um Verordnungen zu präsentieren, welchen keine Evidenz, Begründung oder Zustimmung der Bevölkerung zu Grunde liegt. Warum, also, sollte man jetzt anfangen, diese Einsprüche zu beachten, wenn man doch inzwischen anerkannt hat, dass man diese ohne weiteres übergehen kann? Wie mit vielem Anderen, ist der gesellschaftliche Konsens, der Contrat Social, einfacher zu zerbrechen, als ihn wieder aufzubauen. Deutschland erntet nun die Geisteshaltung, die über zwei lange, dunkle Jahre gesät wurde.

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