Hat die europäische Politik endlich ihre Eier wiederentdeckt? Deutsche sperren türkische Minister aus, Österreichs Bundeskanzler Christian Kern fordert ein generelles Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker. Auf einmal gelingt es verstärkt, illegal im Land aufhaltende Menschen rasch abzuschieben. Endlich überdenkt man die Auslandsüberweisung von Kindergeld, setzt sich für Auffanglager für Flüchtlinge außerhalb der EU-Grenzen ein, will Lohndumping aus dem Osten den Garaus machen. Willkommen in der Realpolitik?

Ist Angst wirklich ein so guter Lehrmeister? Ist es die Angst vor dem Verlust der eigenen Macht und der politischen Ämter, die das letzte Aufgebot der einst großen Parteien zu ehemals rechten Ideen und Forderungen schwenken lässt? Hat sich das politische Lagerdenken derart aufgeweicht, dass vernünftige Vorschläge des politischen Gegners aufgegriffen werden?

Monatelang haben sich Mutti Merkel und ihre Entourage von Erdogan und seinen Schergen am Nasenring vorführen lassen. Die Angst, der Erdo-Pascha könnte Flüchtlingshorden gen EU entsenden, ließ alle kuschen und den Schwanz einziehen. Dass der Weckruf erst jetzt, nach der Verhaftung des Journalisten Deniz Yüzel, gehört wurde, kommt reichlich spät. Es kommt spät, wenn nun Verbote von radikalen, islamistischen Vereinen ausgesprochen werden und die Auflösung von Kinderehen diskutiert wird. Die Frage ist auch: Wird Mutti Merkel wirklich handeln? Ist sie sich der Probleme bewusst? Wenn man sich die aktuellen Auftritte des türkischen Wirtschaftsministers in Deutschland anhört, habe ich da meine Zweifel... Es wäre schön, würde Merkel ähnlich harte Worte finden wie Österreichs Bundeskanzler Christian Kern und laut sagen: "Das wollen wir hier nicht!" Doch die Kanzlerin ist vorsichtig – warum wohl?

Es muss aber wohl eine Mischung aus Angst um den eigenen Job und der Angst vor drohender Gefahren sein, dass nun endlich zumindest ein kleinwenig realer Sozialismus gemixt mit konservativem Touch in Europa einziehen könnte. Der eine Aufnahme von Flüchtlingen genauso zulässt, wie die Abweisung und Abschiebung von Menschen, denen kein Bleiberecht zusteht, der Straftäter und Intergrationsunwillige nicht duldet.

Doch, um bei Österreich zu bleiben, bereits bei dem Thema „Kindergeld ins Ausland“ fängt der neue Reformmotor zu stottern an, die populistische Forderung wird nicht weitergedacht. Zwar wäre eine Anpassung des Kindergeldes an die Einkommensrealität in den Heimatländern ein erster Schritt... und das Jammern beginnt: Dann würden so und so viele Pflegekräfte aus dem Osten Österreich fluchtartig verlassen, da das österreichische Kindergeld als Bestandteil des Einkommens gesehen wird. Man muss ehrlicherweise weiterdenken. Werden Pflegekräfte generell zu schlecht bezahlt? So schmerzlich es ist, jetzt wäre hier z.B. eine gute Gelegenheit, eine Kostenrealität zu schaffen und danach zu überlegen, wie das zu finanzieren ist. Immerhin ist das österreichische Kindergeld (für ein Kind) etwa ein Drittel des Netto-Monatseinkommens eines ungarischen Arbeiters.

Wenn man schon Ernst macht mit dem Ende der Weichei-Politik, dann darf es keine Schmerzgrenzen geben. Sollte die neue Härte von Merkl, Kern & Co. allerdings nur ein kluger PR-Stunt zum Wählerfang sein, dann werden die Damen und Herren Regierenden die Rechnung bald bekommen: Jedem EU-Staat sein eigener, kleiner, rechter Trump!

kafeinkolik/shutterstock

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