Wovor flüchten diese „verzweifelten Flüchtlinge“ eigentlich?

Der Uno-Sondergesandte für Migration, Peter Sutherland, warf  Großbritannien jüngst vor, es habe „nichts aus der NS-Zeit gelernt“. Anlass der  groben Attacke mit der Nazi-Keule: London versucht seit Wochen, Migranten daran zu hindern, illegal vom französischen Calais aus durch den Ärmelkanal-Tunnel in das Vereinigte Königreich einzureisen. "Viele in Calais sind Flüchtlinge, genauso wie die Juden 1939", sagte Sutherland. "Sie können beweisen, dass sie verfolgt wurden und werden."

Ganz ähnlich argumentierte unlängst in einem Artikel die ehemalige ORF-Journalistin Susanne Scholl: „Jahrhunderte lang hat Europa jedes nur mögliche Verbrechen an der Menschheit begangen. Jetzt begehen wir ein Neues! Wir schotten uns ab gegen das Elend. Die Bilder und Berichte von den Vorgängen in Calais – wo Tausende Verzweifelte versuchen, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen – sind unerträglich.“

Mit Verlaub: zumindest so unerträglich wie die Situation am französischen Eingang zum Kanal-Tunnel ist mittlerweile die völlig überschießende Rhetorik jenes just milieu, das in der gerade statt findenden Völkerwanderung von Afrika und dem mittleren Osten nach Europa offenbar eine Art von geopolitisches Weihnachtsfest multikultureller Bereicherung sieht, das nicht genug gefeiert werden kann.

Denn warum jene Iraker, Syrer, Afghanen oder Afrikaner, die mit nahezu allen Mitteln – manchmal einschließlich Gewalt gegen LKW-Fahrer - vom französischen Calais in britische Dover wollen, „Verzweifelte“ sein sollen, erschließt sich nicht so recht. Wer es wegen Verfolgung, Krieg oder anderem Elend nach Frankreich geschafft hat, der befindet sich ja damit wohl ganz zweifellos auf sicherem Boden, genauso wie in jedem anderen Mitgliedsstaat der EU auch und hat damit das einzige legitime (und legale) Ziel seiner Flucht erreicht, nämlich Schutz vor Verfolgung und Gefahr für Leib und Leben. Dass die Franzosen Frösche essen, mag man eigenwillig finden, taugt als Asylgrund im Vereinigten Königreich aber eher nicht.

Deshalb ist es völlig absurd, die illegale Weiterreise dieser Personen nach Großbritannien als „Flucht“ von „Verzweifelten“ zu beschreiben, die zu verhindern „ein neues Verbrechen an der Menschheit“ sei.

Noch unsäglicher wird es freilich, wenn ausgerechnet der UN-Sondergesandte für Migration allen Ernstes meint, diese Versuch von Migranten, vom für sie sicheren Frankreich nach Großbritannien einzureisen, mit der Flucht der Juden im Jahr 1939 vor der Verfolgung durch die Nazis zu vergleichen. Wer das eine – sich auf der anderen Seite des Ärmelkanals einen besseren Job zu organisieren – mit dem anderen – Flucht vor dem herandräuenden Holocaust – in irgend einen Zusammenhang setzt, der beweist vor allem eines: dass es gelegentlich ganz nützlich sein kann, sein Gehirn in Gang zu setzen, bevor man seinen Mund aufmacht.

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