Claudia Braunstein

Ich habe mich bei Seniorbook angemeldet. Das ist eine Plattform, ähnlich wie das allseits bekannte Facebook, nur eben für Menschen ab 45. So wird es zumindest beworben. Eigentlich habe ich dort schon vor Jahren einen Business-Account erstellt, um dort ab und an Rezepte von meinem Blog einzustellen. Mit diesem Account kann man nur sehr eingeschränkt in Interaktion mit Usern gehen und hat kaum Möglichkeiten aktiv mitzuwirken. Was ich ja eigentlich nicht vor hatte, weil ich ohnedies auf genügend Social Media Kanälen unterwegs bin, um meine Blogs zu promoten. Es reicht mir vollkommen, auf FB so manche reale Kontakte zu pflegen und bei tausenden Followern ist mein Bedürfnis noch zusätzlich auf einer relativ anonymen Plattform neue Freundschaften zu knüpfen, sehr gering. Ich bin auch nicht auf der Suche nach einem neuen, schon gar nicht nach einem zusätzlichen Partner, wofür auch immer.

Mein einziger Gedanke war, auf grund der Alterstruktur der Seniobookler dort vermehrt Menschen anzutreffen, die mit dem Thema Dysphagie, Kau- und/oder Schluckbeschwerden Erfahrung haben, egal ob Betroffen oder im Umgang mit Angehörigen. Ich verknüpfe mich eben schon seit Jahren mit Webseiten, für die mein Blog interessant sein könnte. Logopäden, Pflegebereich, Krebsforen usw. Ja, warum dann nicht auch Seniorbook, so war meine naive Vorstellung.

Üblicherweise melde ich mich mit meinem Klarnamen an, ich habe nichts zu verbergen und treibe mich auch nicht auf dubiosen Seitensprungseiten herum. Aus welchen Gründen auch immer, habe ich mich dort nur mit Vornamen und dem ersten Buchstaben meines Nachnamen registriert. Als Profilfoto wählte ich ein Foto, auf dem ich die blitzende Kamera genau vor meinem Gesicht halte. Somit vollkommen unerkennbar. Und sonst null Angaben, außer , dass ich aus Salzburg stamme. Während ich diverse Themen durchforstet, auf der Suche nach Beiträgen zu Krebs und Dysphagie, füllten sich meine Seniorbook-Mailbox, die Schreibtischablage und die Kontaktanfragenbox in Sekundenabfolge. Nach gut 20 Minuten, musste ich feststellen , dass es tatsächlich,außer einem Artikel über Geerd Ryke Hamer, den Gründer der zum Glück nicht anerkannten Neuen Germanischen Medizin, keine Rubrik für meine Themen gab.

Katzen sind beliebt, Blumenfotos und eher nicht so ansprechende Foodpics.Ja, Frauen meines Alters und weit darüber hinaus, mit manchmal etwas unglücklichen Figuren, zeigen sich in knappen Outfits. Geschrieben wird über Alltägliches , Politik, Untreue und Reispläne. In den Sidebars springen einem Werbung für Bauch-Fett-Weg und Potenzmittel entgegen. Irgendwie doch passend.

Dann machte ich mich an die Arbeit all diese Nachrichten zu lesen, die mich ereilten. Die Schreibtischablage öffnet ich zuerst. Über dreissig freundliche Willkommenskärtchen. Ich bin ein höflicher Mensch, und so wie ich auf allen meinen Kanälen tatsächlich alle Kommentare beantworte oder mich zumindest durch ein Like erkenntlich zeige, so habe ich den jeweiligen Grüßen mit einem Danke-Kärtchen geantwortet. Was zur Folge hatte, dass mir über 20 Mal ein Kärtchen mit einem Gern geschehen und einem verbeugenden Herren zurückgeschickt wurde. Der Rest war gleich direkter und schickte eine Karte mit der Aufschrift Willst du mein Herzblatt sein. Bei näherer Betrachtung der Profilbilder, hatte rein optisch keiner der Herren Herzblattqualität. Ich habe dann ,sehr unhöflich, nicht mehr auf diese Kärtchen reagiert. Nachdem ich auf zwei Diener mit nochmals Danke geantwortet hatte wurden nämlich Blumengrüße übermittelt. Bei näherer Betrachtung der Kärtchenauswahl, wäre das Spiel dann wohl noch Stunden hin und her gegangen. Es gibt auch eine Stop-Tafel und Schleich dich, für Österreicher hätte man auch geh scheißen einführen können. Es gibt jetzt übrigens mehrer Sterne, die meinen Namen tragen. Auch dieses Kärtchen steht zur Verfügung.

In der Kontaktbox fanden sich ebenfalls über 30 Kontaktanfragen. Es waren sogar einige dabei, die mein Foto so hübsch fanden, dass sie sich umgehend mit mir befreunden wollten. Wahrscheinlich waren sie von dem Anblick geblendet. Kontakte habe ich dann keine geschlossen.

Und zu guter Letzt öffnete ich dann noch die Mailbox. Von zwei Wörten in Form von Grüß Dich bis zu vollständigen Lebensläufen, war da alles dabei. Einige Herren baten mich um Ganzkörperbilder mit Gesicht und boten im Gegenzug Bilder ihrer Gemächter an. Mit zwei Herren, die tatsächlich irgendwie seriös wirkten, trat ich in Mailkontakt, um ein wenig Einblick in diese Platform zu gewinnen. Einem der Beiden outete ich mich, und er meinte , alleine wenn ich das Wort Schluckstörungen erwähnen würde, würde ich einschlägige, schlüpfrige Ratschläge erhalten und riet mir dezidiert ab, diese Plattform für so ernste Themen zu verwenden. Ich bedanke mich hiermit ganz öffentlich bei dem netten Motorrad, denn laut Proflbild war mein Gegenüber ein Motorrad, für die freundliche Aufklärung über das System Seniorbook.

Was nehme ich aus dieser kurzen Zeit auf dieser Plattform mit? Dort wird gebaggert, dass es kaum vorstellbar ist. Männer melden sich mit Frauennamen an und lassen sofort ihre Hüllen fallen. Wer Lust auf Bilder von männlichen Geschlechtsorganen hat, wird dort fündig.Ich kenne jetzt auch ein Tool mit dem man angeblich laut der Profilbilder sofort Scammer erkennen kann. Das sind die, die dir an die Wäsche oder ans Geld wollen, habe ich mir sagen lassen. Ich habe Einladungen zu sofortigen Dates mit Gruppensex erhalten. Ein Herr erzählte mir ungefragt von seinen sexeullen Neigungen und wünschte sich meine Stiefel lecken zu dürfen. Ein wirklich ganz kleiner Prozentsatz vermittelte nicht sofort irgendwelche sexuellen interessen.

Ich glaube Seniorbook ist nicht der virtuelle Ort an dem ich noch länger verweilen möchte.

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Claudia Goepel

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