JOACHIM FASCHING über die Licht- und Schattenseiten fälschungssicherer Dokumente und deren potenziellen Anwendungsbereiche. Ich danke meinem Professor für IT-Recht für diesen Denkanstoß.

Folgendes Szenario war einer der Aufreger der vergangenen Wochen: wenn ein Flüchtling einen gefälschten Reisepass erwirbt, um sich damit in der europäischen Union niederzulassen, dann ist das nicht in Ordnung. Was viele allerdings nicht wissen bzw. mitbedenken: wer über entsprechendes Kleingeld verfügt, kann sich durchaus legal eine europäische Staatsbürgerschaft kaufen. Zugegeben, dieses Prozedere ist nicht ganz günstig, beginnt aber bereits bei € 500.000,- (Staatsbürgerschaft mit sofortiger Einbürgerung ohne Sprachkenntnisse Bulgarien) – wem ein reines Aufenthaltsrecht genügt, der ist beispielsweise in Lettland (140.000 Euro für fünf Jahre) oder Griechenland gut bedient.[1]

Andersrum gedacht: was würdet ihr machen, wenn ihr politisch, sexuell, rassistisch oder aufgrund eurer Glaubensrichtung in Österreich verfolgt werden würdet, bzw. wenn in Österreich Krieg ausbricht und der einzige Weg, aus dem Chaos zu entfliehen, darin liegt, die Grenze zur Schweiz „illegal“ zu überschreiten? Leichter ginge dies jedoch mit einem Nachweis, dass man Schweizer Staatsbürger ist. Würde da nicht der eine oder andere unter uns probieren, einen Schweizer Reisepass selbst herzustellen bzw. unter der Hand zu kaufen? Klar, dies wird alles als illegal bezeichnet. Doch wer macht denn eigentlich all diese Gesetze, die es einem Flüchtling dermaßen erschweren, durch Länder der europäischen Union zu reisen? Letztendlich geht (per definitionem) die Macht vom Volke aus (Demokratie). Anscheinend will das europäische Volk, dass es Flüchtlingen erschwert wird, in ein Land ihrer Wahl zu flüchten – andersherum würden wir es aber als selbstverständlich ansehen, im Krisenfall in die Schweiz einreisen zu dürfen (warum dürfen uns die Schweizer im Krisenfall aussperren?!). Ja, ich kann es durchaus nachvollziehen, dass manche politischen Vertreter etwas dagegen haben, dass Wirtschaftsflüchtlinge (laut meiner Auffassung: Menschen, die sich wirtschaftlich verbessern möchten, weil sie in ihrem Herkunftsstaat wenig bis keinerlei Zukunftsperspektiven mit ihrem Wissen oder ihrer bisherigen Berufsausbildung sehen) in Österreich einreisen. Als plausibelster Grund erscheint mir der Umstand, dass armutsgefährdete Menschen um ihre eigenen Arbeitsplätze fürchten (was in der Praxis nicht gegeben ist, da den als Wirtschaftsflüchtlingen bezeichneten Personen der Zugang zum Arbeitsmarkt sehr erschwert wird) – ich argumentiere da vielleicht „von oben herab“, aber ich denke, dass niemand, der entsprechend clever und fortbildungswillig ist, sich davor fürchten muss, mit anderen Menschen um ein begrenztes Gut (Arbeitsplätze) zu konkurrieren (Arbeitslosigkeit wird es immer quer durch alle Schichten in einem gewissen Ausmaß geben!). Diese Angst betrifft wohl eher niedrige Bildungsschichten – hierbei wäre eine Bildungsoffensive für in Österreich ansässige Personen sinnvoll, aber keineswegs das Errichten von Grenzzäunen oder das kategorische Ablehnen von (mitunter hoch talentierten!) Flüchtlingen. Ich vermisse in der öffentlichen Diskussion eine faktenorientierte und wahrheitsgemäße Auseinandersetzung mit der Problematik „Wirtschaftsflüchtlinge“, wobei aber nicht auf Angstmache, sondern auf Aufklärung und anpassende Faktoren (beispielsweise kostenlose Sprach- und Kulturkurse für beide Seiten) gesetzt werden muss (ich würde gerne mehr über die kulturellen und sprachlichen Hintergründe meiner zukünftigen Nachbarn wissen). Geld kann man viel sinnvoller in Bildung betroffener Personen als in Plakatwerbung mit „Nächstenliebe, aber nicht für Flüchtlinge“ investieren!

Zurück zum Aufhänger und zur Überschrift dieses Beitrages: es klingt alles so leicht, „programmiere einfach einen fälschungssicheren Personalausweis!“. In der Praxis stehen dem wohl die Kostenfrage (für Technologie, also Herstellungs- und Prüfungsverfahren und für Arbeitskraft), die Zeitfrage (Übergangsfristen, bis man auch der alten Dame von nebenan erklärt hat, warum ausgerechnet sie schon wieder ihren Personalausweis ersetzen soll) und (hoffentlich!!) ein entsprechender politischer Diskurs entgegen. Warum hoffentlich? Stellen wir uns ein aus der Praxis gegriffenes Beispiel vor: ein Mensch stellt sich einer demokratischen Wahl, gewinnt diese und schafft als nächstes politische Konkurrenten aus dem Weg. Dann verpflichtet er alle Bürger, ständig einen fälschungssicheren Personalausweis mit sich zu führen (als Chip im Handgelenk). Im nächsten Schritt wird jeder exekutiert, der willkürlich gewählte Merkmale aufweist (beispielsweise Jude ist). Gab es nie und wird es nie geben? Einer unserer Landsmänner hätte seine Freude mit dieser Assoziationskette gehabt – es wäre ein Kinderspiel, die Population um unerwünschte Personen zu reduzieren, übrig bleiben nur diejenigen, die im Moment die richtigen Merkmale aufweisen.

Einen weiteren Zusammenhang möchte ich hier aufgreifen: „Ich habe doch nichts zu verbergen!“ ist ein entrüsteter Aufschrei, der wohl nur von sehr bildungsfernen Schichten ernst gemeint sein könnte. Woher will man denn wissen, was morgen verboten sein wird? Warum sollte nicht morgen (oder übermorgen, das Internet vergisst eh nichts!) ein Diktator die Geschicke Europas übernehmen und willkürlich diejenigen exekutieren, die falsch geparkt haben, zu schnell gefahren sind, die fischundfleisch.at aufgerufen haben, die eine bestimmte unerwünschte Person kennen, die Alkohol konsumieren, die Rapid-Fans sind etc.? Es kann also nur im Interesse jedes Einzelnen liegen, Überwachungssoftware (PRISM, Kameras im öffentlichen Raum, Smartphone, Auto) aus seinem Leben zu verbannen – denn man kann ja nie wissen, was morgen verboten ist und welches (Fehl-)Verhalten rückwirkend bestraft wird.

Als Fazit kann ich nur an euch alle appellieren, sich dahingehend zu informieren und zu bemühen, die staatliche Überwachung zu beeinspruchen (konsequenterweise müsste uns der Staat die NSA vom Hals halten, sobald es der Wille des Volkes ist – ich bin jedenfalls auf das richtungsweisende Urteil im Fall Max Schrems gegen die irische Datenschutzbehörde gespannt!) – denn sobald es fälschungssichere Banknoten, Personalausweise, Urkunden und dergleichen gibt, kann es rasch zappenduster werden, sofern diese Technologie in die falschen Hände gerät. Es ist ein gewaltiger Irrglaube (der noch dazu medial stark gefördert wird), dass man mit fälschungssicheren Technologien Betrüger abschreckt – im Gegenteil, es werden bloß die „Braven“ kategorisch überwacht, die findigen Mitbürger entwickeln sicherlich rasch Konkurrenzmodelle (hacken sich beispielsweise in den Herstellungsprozess angeblich fälschungssicherer Dokumente ein – denn es gibt bis heute keine Technologie, die man nicht fälschen könnte, wenn man von der Blockchain einmal absieht), um ihren Vorteil herauszuholen. Oder wie an anderer Stelle bereits ausgeführt: wer um Sicherheit oder um Freiheit kämpft, verliert beides.[2]

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fischundfleisch

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Veronika Fischer

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