Getötete Geiseln sind wohl immer noch so etwas wie Kollateralschäden. Und entschuldigen, das kann man sich hinterher immer noch. Bei den Familienangehörigen. Lasst uns einfach mal alles bombardieren, und sehen wir hinterher nach, wer das Massaker überlebt hat. Hoffentlich treffen wir nicht allzu viele unserer Mitarbeiter/Staatsbürger bei einem solchen Angriff. Ein paar Tote, das braucht ja schließlich jeder ordentliche Krieg. Und die Medien wollen Blut sehen. Blöd nur, wenn man versehentlich (Wall Street Journal: „inadvertently“[1]) die eigenen Geiseln dabei erwischt …

So richtig begonnen hat diese Story eigentlich schon in den frühen 90er-Jahren – als klar wurde, dass man ein (oder besser noch: mehrere) anti-westliches Feindbild benötigt, um weitere Kriege organisieren zu dürfen. Damals war gerade der zweite Golfkrieg ausgebrochen, der böse irakische Machthaber (Saddam Hussein) hat aus dem Nichts Kuwait angegriffen, das kleine Nachbarland mit den unvorstellbaren Öl- und Rohstoffreserven. Der kuwaitische Scheich Jaber Al Ahmad Al Sabah floh in die USA und bat die UNO um Hilfe. Entsprechend der UNO-Resolution 662[2] vom 9. August 1990 sollte die territoriale Integrität Kuwaits wiederhergestellt werden, dazu durften die US-amerikanischen Streitkräfte in Kuwait einmarschieren und den vorherigen Zustand wiederherstellen. Nach rund einem halben Jahr verkündete Präsident George Bush (sen.) die Waffenruhe.

In den 90er-Jahren folgten medial eher unbedeutende Militäroperationen der USA: Jugoslawien, Haiti, Sudan, Somalia, Kosovo. Kaum aufregende Schauplätze dabei. Die Soldaten wollten wieder mal an die Front! Im September 2001 – kurz nach der Amtsübernahme durch George Bush (jun.) – hatte man auch einen guten Grund für einen weiteren Irak-Krieg. Saddam Hussein (2006 erhängt) und Bin Laden (2011 erschossen), zwei optimale Feindbilder. Leider wollte die UNO da nicht mitziehen, das wäre ja ein Angriffskrieg (Artikel 1/Absatz 1 der UN-Charta[3]), man wolle eigentlich Frieden zwischen den Nationen schaffen. Maßnahmen der Selbstverteidigung bei einem akut drohenden Angriff seien jedoch erlaubt (Artikel 51 UN-Charta[4]), diese sind bl0ß dem UNO-Sicherheitsrat mitzuteilen. Na gut, dachte sich Bush wohl, es gibt zwar diese lästige Friedenssicherungsklausel, aber mich juckt es doch in den Fingern, ich will wie mein Papa auch mal den Irak angreifen dürfen. Hinfahren, ein paar tausend Zivilisten niedermetzeln, das kann ich auch! Und wenn wir ein paar irakische Soldaten dabei erwischen, who cares?

Dann kam der nächste US-Präsident, mit ihm hätte alles besser werden können. Er wollte Invasionshandlungen vermeiden, Besetzungen beenden und Guantanamo schließen. Invasionen gab es nicht mehr so wirklich, man war bei den einschlägigen Partys in Libyen (al-Gaddafi) und Uganda (Suche eines Kriegsverbrechers) aber dennoch mit an Bord. Besetzungen beendet: auch naja. Am 18. Dezember 2011 (über tausend Tage nach Obamas Amtsantritt) hat offiziell der letzte US-Soldat den Irak verlassen. Hätte auch irgendwie rascher gehen können, wenn man bloß gewollt hätte.

Ad Guantanamo: Obama hätte die Foltercamps (der Einsatz von Waterboarding wurde bestätigt, fällt aber unter das Folterverbot) schon gerne geschlossen, aber das kostet ja alles irrsinnig viel Geld, das gesamte Gefängnis von Kuba irgendwohin zu verlegen (by the way, die Stelle an der Guantanamo aktuell in Betrieb ist, wird gegen den Willen von Kuba genutzt). Der US-Senat hat mit 90 zu 6 Stimmen beschlossen, keine Gelder für die Schließung von Guantanamo bereitzustellen. Tja, dann gibt’s halt keine Schließung. Wohin mit den Häftlingen? Einige europäische Länder hätten sogar angeboten, die Inhaftierten zu übernehmen. Aber da bestehe jeweils das Risiko, dass diese dann in diesen europäischen Ländern von grausamen Strafvollzugsmaßnahmen betroffen sein könnten – das Risiko, dass die in Guantanamo inhaftierten Personen woanders strafverfolgt werden, wollte man dann doch nicht eingehen. Und so werden immer noch etwa 149 Personen in Guantanamo beaufsichtigt (genaue Zahlen gibt’s leider keine, das ist ja gegen die öffentliche Sicherheit der USA). Immerhin, Obama hat zugegeben: „Guantánamo [war] kein Instrument für die Terrorismusbekämpfung, sondern wurde zu einem Symbol, das der Al Kaida half, Terroristen für ihre Sache zu rekrutieren. Die Existenz von Guantánamo hat wahrscheinlich mehr Terroristen auf der Welt geschaffen, als jemals dort inhaftiert wurden“[5].

Der aktuelle Vorfall, der schon aus der Überschrift hervorgeht, ist für mich unerhört: The Wall Street Journal[6] (wem’s auf Englisch zu kompliziert ist, kann’s auch beim ORF[7] nachlesen) berichtet, dass US-Drohnen beim Versuch, in Pakistan weitere Zivilisten zu töten, unabsichtlich die dort befindliche Geisel (Warren Weinstein[8], ein amerikanischer Geschäftsmann) ermordet hat. Obama hat sich danach eh entschuldigt, bei Drohnen wisse man nie so genau, wen es dann eigentlich erwischt, und der Joystick von diesen Spielzeugen sei furchtbar sensibel. Angriffskrieg und Drohneneinsatz beenden? Nö, dann hätten meine Soldaten und die Waffenproduzenten ganz schöne Langeweile. Arbeitsplatzsicherung geht vor, und wenn alles glattläuft, kriege ich vielleicht sogar noch diesen Dings, Nobelpreis. Naja, macht ja nichts, das Leben geht weiter (außer das von Warren Weinstein, der ist leider Kollateralschaden) – Obama kann sich vor dem Schlafengehen beruhigt auf die Schulter klopfen, denn: ich finde, diesem Mann sollte mal jemand den Friedensnobelpreis verleihen!

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