"ICH HALTE EINE LAUDATIO AUF ÖSTERREICH!"

Dr. Renèe Schröder

Treffpunkt: Das Kaffeehaus „Korb“ im Stadtzentrum Wiens.

Frau Doktor Renée Schroeder scheint ein geduldiger und toleranter Mensch zu sein. Zumindest, was mein Zuspätkommen anlässlich unseres Gesprächstermins betrifft. Ich gestehe, meine Aufregung und Nervosität waren unleugbar. Es ist nicht alltäglich, eine angesehene Molekularbiologin, mehrfache Buchautorin und ehemaliges Mitglied der Bioethik-Kommission der österreichischen Regierung anzutreffen.

Renée Schroeder lacht mich an, legt die großformatige Zeitung beiseite und rasch entsteht ein angeregtes Gespräch mit dieser offenen, freundlichen, lebensbejahenden Frau. Die noch viel mehr Verdienstvolles auf menschlicher wie auch wissenschaftlicher Ebene aufzuweisen hat.

„Frau Professor Schroeder, lassen Sie uns über Gewalt reden. Ein Thema, dass die Medien fast täglich beherrscht. Was bringt einen Menschen dazu, andere, vor allem Kinder und Jugendliche, zu misshandeln? Was würden Sie unternehmen, hörten Sie von so einem Fall in ihrem näheren Umfeld?“

„Wer als Kind geschlagen wurde, schlägt weiter. Es ist auch diese Männersolidarität, die ich oft bemerkt habe. Männer scheinen mehr darum besorgt zu sein, dass sie nicht unschuldig verurteilt werden, als dass Opfer zu ihrem Recht kommen! Missbrauch und Gewalt an Schwächeren muss mehr thematisiert werden. Es braucht auch mehr Hilfestellungen. Die immer noch oft vorhandene Einstellung, dass man ein Kind ruhig mit einer g`sunden Watschen auf die richtige Bahn lenken kann, spielt hier ebenfalls mit.

Hier spielen religiöse Vorstellungen immer noch eine große Rolle. Denken Sie an die Noah-Geschichte. Erstens stellt die Sintflut die Verherrlichung eines Genozids als Strafe Gottes dar. Als Noah nach der Sintflut wieder an Land war, hat er Wein angebaut und sein Sohn Ham hat ihn betrunken und entblößt gesehen. Er hat diese Blöße seines Vaters den Brüdern berichtet und damit die Autorität des Vaters anscheinend in Frage gestellt und wird dafür bestraft – schlimmer noch - seine Kinder werden bestraft. Ham ist der Whistleblower! Darauf bezieht sich ja auch das zweite der zehn Gebote in der Bibel."

Unschwer lässt sich die kritische Haltung Schröders gegenüber Religionen erkennen, und so fügt sie rasch hinzu: "Ich bin Atheistin."

"Brauchen wir also keinen Glauben an eine höher geordnete Macht, welche über das Irdische hinausgeht?“

„Ich sehe dies wissenschaftlich. Die Erde ist so unbedeutend. Was ich ablehne, ist, dass Gott menschenähnlich sein soll. Der Mensch macht sich zu Gott. Der Mensch will die Krone der Schöpfung sein. Das Gehirn des Menschen kann Dinge denken, die es nicht gibt.“

"Wie sieht denn ihr Weltbild aus?"

„Ich teile diese Welt in drei Töpfe: Topf 1: Alles, was es gibt, ohne dass der Mensch dazu beitrug. Topf 2: All das, was der Mensch schuf und Topf 3: Alles, was wir denken, aber nicht existiert –

Topf-3-Inhalte gibt es nur in unseren Köpfen.“

Dr. Renèe Schröder

Frau Professor, viele Österreicher sind der Meinung, dass Politiker Marionetten der Wirtschaftsbosse und der Banken sind...

„Ich weiß es nicht!“ –

Sie weißt es nicht? Was für eine ehrliche Aussage...

"Welchen Stellenwert haben Banken denn?"

"Man soll die Wirtschaft generell nicht so schlecht reden! Ich persönlich bin für den Erhalt und die Sicherung von kleineren Firmen. Amazon ist zum Beispiel für mich moralisch nicht in Ordnung."

„Nun zu den fünf Fragen, welche ich ihnen stellvertretend für einige Österreicher stellen darf. Die erste Frage lautet: Warum seid ihr Politiker so schwach und zerstritten und zieht den Karren nicht gemeinsam aus dem Dreck?“

"Österreich ist kein Karren, der im Dreck liegt! Schauen Sie, ich bin zu einem Teil meiner Kindheit in Brasilien aufgewachsen. Vor rund 50 Jahren kam ich mit meinen Eltern nach Österreich. Gehen wir mit offenen Augen durch dieses Land! Österreich ist ein sensationelles Land! Warum reden die Österreicher ihr Land so schlecht? Schauen Sie sich unsere Infrastruktur und das Sozailsystem an. Und die Menschen – die Menschen taugen ma sowieso am meisten! Ich mag die Österreicher! Österreich ist ein Musterland. 60 % der Flüchtlinge zum Beispiel leben in Wien in privaten Haushalten. Das sagt doch viel über den Charakter der Menschen aus. Die Menschen sind nicht schwach! Zum Thema Flüchtlinge, bin ich der Meinung, dass die Lösung darin liegt, dass man vor Ort helfen muss.“

„Frau Professor, macht die EU noch Sinn, so wie sich diese heute darstellt? Die Länder sind wirtschaftlich ungleich stark und werden gezwungen, Leistungen zu bringen (Migrantenaufnahme)...“

„Die EU ist für mich das wichtigste Friedensprojekt, welches wir je hatten. Dieses ist für unsere Wirtschaft und für unser Wohl wichtig. Ich glaube, der Mensch will frei und beweglich sein.

Ich persönlich habe dieses Problem nicht – denn, ich habe keine Wurzeln. Allerdings. Ich find' Wurzeln nix Positives. Viele Menschen haben wohl ein Bedürfnis nach einer nationalen Identität. Ich selbst bin dort zu Hause, wo ich mich wohl fühle. Ich brauche hierzu keinen Glauben. Was ich brauche, ist eine Art Höhle, wo ich mich zurückziehen kann.“

"Welches Thema steht für Sie persönlich im Fokus?"

"Kann ich eine bessere Welt machen? Die wichtigste Aufgabe in der Politik ist für mich, die Schere zwischen reich und arm kleiner zu machen, kleiner zu halten. Ich halte eine Laudatio auf Österreich! Was mir aber noch zum Politikerdasein einfällt: Ich wäre zum Beispiel dafür, dass über 10% der Steuerabgaben die Menschen selbst bestimmen sollten, wo diese eingesetzt werden sollen. Das ist ein Schritt zur direkten Demokratie. Man wirkt mit, bringt sich ein. Dies würde die Menschen im Land etwas mehr zum Gemeinschaftlichen hinführen.“

Eine Journalistin bat mich folgende Frage an Sie zu richten: Gibt es noch Politiker, die aus Überzeugung Politiker sind und wirklich am Wohlergehen der Menschen interessiert sind?“

„Ich glaub' schon. Ich denke, dass Menschen von Haus aus gut sind. Wenn Menschen zu lange an der Macht sind, wie auch Langzeitpolitiker, dann verändern sie sich. Diesen Menschen fehlt dann zunehmend der Respekt vor ihren Mitmenschen. Und so verhält sich dies wohl auch bei manchem Politikern, was ihren Respekt vor den Bürgern betrifft.“

„Frau Professor, glauben Sie, dass wir Menschen aus dem Volk uns wieder so aufhetzen lassen würden, wie damals bei Hitler? Oder bei Stalin…?“

„Ich hoffe nicht. Ich glaube, man kann die Menschen zu allem bringen. Wehret den Anfängen!“

„Eine Frau, welche in Deutschland lebt, brachte sich mit der Frage ein: Warum soll ich Sie wählen?“

„Weil ich mit ganzer Kraft dafür arbeiten werde, die bestmögliche Welt (frei nach Gottfried Wilhelm Leibniz) in Österreich herzustellen. ….. Und. Ich mag die Menschen! Auch möchte ich gerne, dass Politiker einen respektvollen Umgang untereinander pflegen. Nach einem Verhaltenscodex!“

------

Renée Schröder. Aus Brasilien nach Österreich. Als Kind gekommen. Hier studiert und an Universitäten in Frankreich und Amerika tätig gewesen. Stets in Bewegung… „Für die beste aller möglichen Welten“ – diese Worte beeindruckten mich sehr. Für mich war es in jeder Zelle spürbar, dass diese Frau, Mutter zweier Söhne und in Wien lebend, auch diese „beste aller Welten“ auf einer Alm im Salzburgischen suchen und finden wird. Zwischen Almblumen, Kräutern und all dem was die Natur dort anbietet. Denn eines Tages, so plant sie das, wird sie aus diesen Pflanzen Heilendes für die Menschen herstellen….. Eben.

Für die beste aller Welten – und all jenen, die in dieser leben.“

https://listepilz.at

Dr. Renèe Schröder

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

thurnhoferCC

thurnhoferCC bewertete diesen Eintrag 14.02.2018 13:29:19

MartinMartin

MartinMartin bewertete diesen Eintrag 14.10.2017 15:57:19

Beate K.

Beate K. bewertete diesen Eintrag 14.10.2017 11:58:26

Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 14.10.2017 00:05:58

pirandello

pirandello bewertete diesen Eintrag 13.10.2017 23:15:13

Markus Andel

Markus Andel bewertete diesen Eintrag 13.10.2017 20:27:40

90 Kommentare

Mehr von crinan