Es soll Menschen geben, die haben das große Glück, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen. Sie folgen somit ihrer Berufung und können damit auch ihr materielles Auskommen finden. Was gibt es Schöneres als die Last der Arbeit in die Lust des Wollens zu wandeln. Und doch, es ist nicht alles Gold was glänzt, wie der Volksmund es, wie immer, so treffend ausdrückt, denn nun muss man sich solch einen Menschen einmal vorstellen, der völlig ahnungslos einem grandiosen Vortrag von Dr. Konrad Paul Liessmann beiwohnen darf, in dem dieser Mensch erfährt, dass es wichtig ist nicht nur zu arbeiten, sondern auch Muse zu haben. Das imponiert diesem Menschen. Natürlich, Muse ist herrlich, und deshalb beschließt dieser Mensch gleich am nächsten Tag damit zu beginnen in seinem noch ein wenig mehr Glück zu bringen, wovon er offenbar noch nicht genug gehabt habe, mangels der Muse.

Nun beginnt dieser Mensch des Morgens sein Tagwerk wie er es gewohnt ist, denn ganz umkrempeln, das ist ja gar nicht gut, während der überlegt, an welchem Punkt er die Muse ins vorgegebene Programm einbauen könnte. An und für sich hatte er sich angewöhnt am späten Vormittag eine Atempause einzulegen, doch statt – wie bisher – bloß mit einer Tasse Kaffee die Zeitung zu lesen, was ja im Grunde auch ein Teil seiner Arbeit war und damit nicht Muse, wollte er an diesem Tag einen Spaziergang machen. Deshalb machte er sich frohgemut auf den Weg. Die ersten paar Meter überlegte er wohin er überhaupt gehen wollte. Nachdem das geklärt war fiel ihm plötzlich ein, dass er noch ganz dringend eine E-Mail beantworten hätte müssen, und er überlegt schon ernsthaft umzukehren, als ihm der eigentliche Zweck dieses Aufbruchs wieder einfiel. Echt Glück gehabt, das war gerade noch rechtzeitig.

Und dann dachte er daran wie er den restlichen Arbeitstag zu strukturieren gedachte und wen er noch anrufen müsse, als er sich wiederum ermahnen musste, denn selbst die Gedanken an die Arbeit sind schon Arbeit. Also die Gedanken schweifen lassen, so lange es ihm nicht gelingen sollte nichts zu denken. Er ließ sie also von der Leine. Ungewohnt der großen Freiheit blieben sie zunächst ganz nahe bei ihm, doch nach und nach wurden sie mutiger und wagten sich weiter hinaus, um letztendlich an einem Punkt anzukommen, an dem es ihm gelang ein Problem zu lösen, das ihm schon lange im Magen lag – und wieder war es beruflich. Wieder keine Muse. Doch ist es ihm eigentlich möglich Muse zu haben. Denn wenn er seine Arbeit zum Beruf macht, dann ist es doch in erster Linie nicht zweckgerichtet, auch wenn es letztlich einen Zweck erfüllt. So gesehen hat er immer Muse, egal was er macht, und kann auch bei diesem Spaziergang frei und ungestört über seine beruflichen Probleme nachdenken.

Doch es soll ja eine Ausgewogenheit im Leben herrschen zwischen Arbeit und Muse, und wenn nun sein ganzes Tun für ihn Muse bedeutete, wo bliebe dann die Arbeit. Wenn aber nun die Zweckgerichtetheit nicht das Kriterium wäre, dann würde er doch ständig arbeiten und hätte keine Möglichkeit Muse in sein Leben zu bringen. Wie er es auch drehte, entweder bedeutete sein ganzes Leben Arbeit oder Muse. Je nach dem Blickwinkel. So ging der arme Mensch, der in seinem Leben niemals einen Ausgleich schaffen würde, zurück und meldete sich beim nächsten Bauern als Erntehelfer. Gut, man musste ihn erst einlernen, und diese Menschen, die es gewohnt sind mit dem Kopf zu arbeiten, die haben ja körperlich oft nicht viel zu bieten, doch er bekam es hin und arbeitete den ganzen Sommer hart und intensiv körperlich, so hart und intensiv, dass er jeden Abend völlig erschöpft ins Bett fiel. Jetzt, jetzt hatte er es geschafft, dass er die Arbeit in sein Leben brachte. Doch wo war nun Zeit für die Muse? Nun, über solchen Firlefanz denken doch auch nur Menschen nach, die sonst nicht ausgelastet sind. Anständig arbeitende Menschen hingegen sind des Abends rechtschaffen müde. Darüber könnte er sich wieder Gedanken machen, wenn er wieder zu seiner eigentlichen Profession zurückkehrte. Und dann würde er vielleicht auch endlich in der Lage sein einen Ausgleich zwischen Muse und Arbeit zu finden.

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Silvia Jelincic

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