In Paris hat der russisch-stämmige "Aktionskünstler" Pjotr Pawlenski ein Video veröffentlicht, das angeblich den Paris-Bürgermeister-Kandidaten der Macron-Partei LREM, Benjamin Griveaux, beim außerehelichen Geschlechtsverkehr zeigen soll.

Griveaux hat als Reaktion darauf auf die Kandidatur verzichtet.

Manche Berichte darüber erscheinen mir in mancherlei Hinsicht seltsam.

So wird zum Beispiel von US-amerikanischen Nachrichtenagenturen sofort und vielleicht vorschnell eine Nähe zur sowjetkommunistischen bzw. russischen Kompromat-Methode gezogen, mit der mißliebige Kandidaten diskreditiert werden sollen.

Aber wer sagt, dass das die Absicht von Pawlenski war ?

Vielleicht ging es Pawlenski um Transparenz, darum zu zeigen, dass Versprechen und Handlungen eines Politikers eben zusammenpassen sollen; wenn ein Politiker im Wahlkampf Familienwerte verspricht, dann soll er sie eben auch einhalten, und nicht heimlich außerehelichen Geschlchtsverkehr haben.

Und es wird auch verschiedentlich nahegelegt, dass Pawlenski so etwas sei wie ein russischer Agent, vielleicht sogar des FSB.

Jetzt rein theoretisch angenommen, Pawlenski wäre ein Agent des russischen Geheimdiensts FSB: wieso sollte er dann die im europäischen Vergleich eher Putin-freundliche Partei von Macron, LREM, ins Visier nehmen ?

https://www.spiegel.de/politik/ausland/emmanuel-macron-und-wladimir-putin-die-letzten-rationalisten-a-1282712.html

Ganz im Gegenteil zu der behaupteten Tendenz hat der französische Präsident Macron die NATO als "hirntot" bezeichnet und passt so gesehen in Putins Linie.

Der US-Präsident Trump ist für seine sehr direkte Islamkritik bekannt, während der französische Präsident Macron durch Muslime gewählt wurde, denen wiederum seine Rivalin Marine Le Pen von der RN sehr kritisch gegenübersteht.

So gesehen könnte man auch oder eher einen US-amerikanischen Geheimdienst hinter Pawlenski vermuten, falls man denn überhaupt einen Geheimdienst hinter ihm vermuten will oder zu müssen glaubt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Andrejewitsch_Pawlenski

Pjotr Andrejewitsch Pawlenski ist durchaus ein kontroversielles Randphänomen: er betrieb zum Beispiel Selbstverletzung als Form des politischen Aktivismus, darin dem jungen Günter Brus nicht unähnlich.

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/benjamin-griveaux-muss-wegen-sex-video-zuruecktreten-16634117.html

Jetzt noch zu historischen Ähnlichkeiten dieses Falls:

Gegen US-Präsidenten Bill Clinton wurde ein (erfolgloses) Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, weil er außerehelichen Sex mit einer Praktikantin, nämlich Monica Lewinsky hatte und darüber öffentlich gelogen hatte.

Der frühere österreichische Bundespräsident Thomas Klestil machte in seinem ersten Bundespräsidentschaftswahlkampf Wahlkampf mit "Familiy Values", mit Familienwerten. Nach der Wahl trennte sich seine Frau Edith Klestil von ihm wegen der außerehelichen Affäre mit Margot Löffler. Später liessen sie sich scheiden, und Klestil heiratete die einiges jüngere Margot Löffler. Man kann annehmen, dass Klestil viel schlechtere Wahlchancen gehabt hätte oder gar nicht gewählt worden wäre, wenn vor der Wahl bekannt geworden wäre, dass er damals schon eine mutmaßliche außereheliche Affäre mit Margot Löffler gehabt hatte.

Pawlenski drohen nun mehrere Jahre Haft für die Veröffentlichung eines Sex-Videos ohne Einverständnis mit dem Betroffenen, was mir in Anbetracht der Umstände (dieses Gesetz wurde nicht für Politiker gemacht, die mit "Family Values" wahlkämpfen, sondern für Normalbürger) vielleicht überhöht erscheint.

CC / Maksim Belousov https://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Andrejewitsch_Pawlenski#/media/Datei:%D0%9F%D0%B5%D1%82%D1%80_%D0%9F%D0%B0%D0%B2%D0%BB%D0%B5%D0%BD%D1%81%D0%BA%D0%B8%D0%B9.jpg

"Aktionskünstler", Polit-Aktivist und Sex-Video-Veröffentlicher Pawlenski: Verbrecher oder Transparenz-Held ?

Möglicherweise haben katholische Länder wie Frankreich oder Österreich einen Transparenzrückstand gegenüber zum Beispiel den USA (als protestantischem Land), wo auch die zahlreichen Vorwürfe bzgl. außerehelichem Sex gegenüber dem jetzigen Präsidenten Trump Trumps Wahl nicht verhindert haben.

Man kann die Wahl von Trump auch so sehen, dass sich die Maßstäbe dafür, was als kompromittierend empfunden wird, durch derartige Publikationen sehr stark ändern können.

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