Kürzlich gab es wieder Debatten rund um Computerspiele, aber nicht dahingehend, dass sie Gewalt verherrlichen würden, sondern in Bezug auf politische Korrektheit oder historische Korrektheit.

Das eine ist das sich auf den Zweiten Weltkrieg beziehende "Battlefield V", das in seiner Endversion erst im März erhältlich sein wird.

Der Vorwurf lautete, BattlefieldV sei politisch unkorrekt, weil es die deutsche Seite nicht als durch und durch kriegsverbrecherisch und nazistisch darstelle, weil man eine der beiden Seiten wählen könne, und weil die beiden Seiten moralisch äquidistant dargestellt würden. Auch kritisiert wurde, dass die Abbildung von Frauensoldaten als historisch unkorrekt dargestellt wurde.

Diese Kritik kann man in mehrerlei Hisicht kritisieren:

.) Es gab zwar Frauen als Soldaten im zweiten Weltkrieg, aber nur relativ wenige, und wenn dann eher nicht in Kampfeinheiten, sondern vielfach eher in Schulung, Training, Nachschub oder Ähnlichem eingesetzt. Einer der Gründe dafür war das Vergewaltigungsrisiko.

.) Derartige Computerspiele, die den zweiten Weltkrieg eher neutralistisch darstellen, ohne auf hitleristische oder stalinistische (oder andere) Kriegsverbrechen einzugehen, gibt es seit vielen Jahrzehnten, auch BOB1940 (Luftschlacht um England) fokussierte stark auf den Aspekt des Jäger-Luftkrieges, bei dem ja schon praktisch naturgemäß, weil er sich gegen Bomber richtet, keine Kriegsverbrechen an Zivilisten vorkommen können.

Also warum kommt diese Kritik gerade jetzt in dieser Vehemenz ?

Und wieso richtet sich die Kritik nur gegen das Nichterwähnen hitleristischer Kriegsverbrechen, nicht aber gegen das Nichterwähnen stalinistischer Kriegsverbrechen ? Und wie hätte man die damals unvermeidliche Unpräzisheit der Flächenbombardements thematisieren können, sodass gleichzeitig der spielerische Charakter erhalten bleibt ?

.) Wieso wird nicht das Verschweigen der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs als politisch unkorrekt betrachtet und kritisiert ? Ohne den ersten Weltkrieg und den harten Vertrag von Versailles danach hätte der Aufstieg der Nazis und der zweiten Weltkrieg wahrscheinlich nicht oder anders (in geringerem Umfang) stattgefunden. Wieso bestehe die angebliche politische Inkorrektheit immer nur darin, die Aspekte zu verschweigen, die Italiener, Deutsche, Österreicher und ihre Verbündete schlecht(er) aussehen lassen, nicht hingegen darin, die Aspekte zu verschweigen, die Briten und Franzosen (oder auch teilweise US-Amerikaner) schlecht aussehen lassen ? Und wieso ist diese Kritik gerade jetzt so intensiv ? Doch nicht wohl deswegen, weil US-Präsident Trump deutschstämmig ist ?

Ein weiterer Vorwurf der historischen (und auch politischen Unkorrektheit) richtet sich an die Anno-Serie, und zwar, dass der Sklavenhandel nicht vorkomme.

Das mag zwar stimmen, aber die Anno-Serie verstand sich nicht als hundertprozentige Abbildung der Realität, sondern mischte einige relativ geschichts-entsprechende Aspekte mit einigen anderen relativ fiktiven Aspekten.

Wenn umgekehrt die Anno-Serie den Sklavenhandel beinhaltet hätte, dann wäre umgekehrt der Vorwurf erhoben worden, der Sklavenhandel würde glorifiziert.

Und es käme auch auf die Art und Weise der Abhandlung des Sklavenhandels an: manchmal waren afrikanische Stämme (wie beispielsweise die Ashanti) am Sklavenhandel beteiligt.

Wäre diese Beteiligung historisch korrekt abgebildet worden, so hätte sich sicher auch wieder die Kritik erhoben, es handle sich um Rassistische Darstellung oder Ähnliches.

Auch viele nordafrikanische Moslems handelten mit Sub-Sahara-Sklaven. Hätte Anno diese Form des Sklavenhandels historisch korrekt abgebildet, so wäre sicher der Vorwurf der Islamophobie und des Rechtsextremismus erhoben worden.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, alle diese Argumente wären nur Vorwand, und eigentlich sei es eine pazifistische Kritik an jeder Form des Spiels oder Computerspiels, das sich in irgendeiner Form auf Gewalt bezieht.

Schliesslich ist auch Schach ein Gewalt- und Kriegsspiel: zwei Armeen prallen aufeinander, das Ende ist gekommen, wenn ein Oberbefehlshaber matt gesetzt ist; Bauern werden geopfert, etc.

Wenn Schach heute auf den Markt käme, würden politisch überkorrekte Beckmesser auch wieder den angeblich rechtsextremen Charakter dieses Schach-Kriegsspiels kritisieren, das noch dazu aus Persien kommt, dem Land der Arier.

https://derstandard.at/2000089633918/Wie-historisch-genau-muessen-Games-sein

https://derstandard.at/2000089516968/Kritik-Wieso-wird-bei-Anno-1800-der-Sklavenhandel-nicht-thematisiert

Secret Weapons of the Luftwaffe aus dem Jahr 1990: von Lucasart. Die Nichterwähnung von Kriegsverbrechen ist in Computerspielen seit vielen Jahrzehnten nicht unüblich.

Genauso, wie man einem Historiker, der sich auf Nazi-Kriegsverbrechen spezialisiert hat, nicht vorwerfen kann, in seinen Vorlesungen nichts über stalinistische Kriegsverbrechen zu sagen, genausowenig kann man wohl einem Computerspiel, das sich mit dem Luftkrieg beschäftigt, vorwerfen, nichts über Kriegsverbrechen an Zivilisten am Boden zu sagen. Hingegen sehr wohl Vorwürfe richten könnte man an die gesamte Universität: wenn an der gesamten Universität nur über hitleristische Kriegsverbrechen unterrichtet wird, nie aber über stalinistische, dann scheint etwas faul zu sein.

Und wenn man die Computerspiele in Summe betrachtet, dann haben sie (wie Hollywood-Filme) eher eine antideutsche, bzw. antiösterreichsche, bzw. antiitalienische Tendenz. In diesem Zusammenhang kann man eher von einer angelsächsischen Dominanz sprechen als von einer Verharmlosung des Nationalsozialismus. (Die stalinistische Sowjetunion war im Zweiten Weltkrieg mit USA und Großbritannien verbündet).

https://de.wikipedia.org/wiki/Anno_1800

Battlefield-Serie

Wer unbedingt "böse Nazis" in einem Computerspiel sehen will, der kann sich ja die "Castle Wolfenstein"-Serie halten:

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Dieter Knoflach

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mike.thu

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