Verschiedene Politiker (Vilimsky von der FPÖ, Strolz von den NEOS) haben sich in den letzten Tagen dahingehend geäußert, dass Peter Pilz nicht in den Nationalrat zurückkehren sollte.

Auch wenn ich persönlich ein heftiger Pilz-Kritiker bin, so kann ich dieser Meinung nicht zustimmen.

Aus folgenden Gründen:

1.) Peter Pilz war - egal, was man von ihm hält - das mediale Zugpferd der "Liste Pilz" bei der letzten Nationalratswahl und wohl der ausschlaggebende und wichtigste Faktor, warum die "Liste Pilz" den Einzug schaffte.

2.) Die Forderungen an Pilz, er solle alle Vorwürfe in Hinblick auf sexuelle Übergriffe ausräumen, erscheinen mir in dieser Form unerfüllbar. Gerade sexuelle Übergriffe sind oft Vieraugenfälle, die sich oft ohne neutrale Zeugen abspielen. Dahinter steht die Vorstellung vom unmenschlich-perfekten Politiker, der über jeden Verdacht erhaben sein sollte. (Was aber normal nur für Richter gilt)

3.) Es sollten für Pilz dieselben Kriterien gelten wie für jeden Anderen und jede Andere auch, d.h. IIRC dass ein Ausschluss aus dem Parlament nur bei strafrechtlichen Verurteilungen über einem Jahr zwingend vorzusehen ist.

4.) Natürlich wäre es besser gewesen, wenn die Vorwürfe gegen Pilz vor der Wahl bekannt geworden wären und zwar in einem zeitlichen Abstand zur Wahl, der ausreichend gewesen wäre, dass die Vorwürfe noch geklärt hätten werden können.

Und natürlich wären auch Neuwahlen eine Option, aber nur wegen Pilz wird man wohl keine machen. Andererseits: wer weiß ? In Österreich gibt es eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit für vorgezogene Neuwahlen (insgesamt 10 Mal seit dem 2. Weltkrieg), sodass die Präsenz von Pilz ohne Neuwahl vielleicht kurz sein wird.

5.) Auch wenn diese Rücktritte, um einem Anderen das Nachrücken zu ermöglichen, verfassungsrechtlich problematisch sind, so erscheint es dennoch in diesem Fall unumgänglich. Auch bei manchen Vereinbarungen von Parteienbündnissen, die bisher eher theoretisch blieben, könnten Konstellationen auftreten, die ein neues Licht auf ähnliche Rückzüge werfen, die bisher nur in anderen Zusammenhängen betrachtet wurden.

6.) Es sollte keine Frau einen Rückzieher machen müssen, um Pilz den Wiedereinzug zu ermöglichen, sondern ein Mann.

7.) Ein Nicht-Einzug von Pilz, auf den die anderen Parteien drängen, wäre eine Art Polit-Justiz der größeren Parteien über die kleinste Parlamentspartei (bzw. sie könnte so empfunden werden), und so gesehen äußerst problematisch.

CC BY SA 2.0 / zugänglich gemacht von Gerhard Manzinger https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Pilz#/media/File:Peter_Pilz1.jpg

Peter Pilz, 2005

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/vorwuerfe-der-sexuellen-belaestigung-gegen-peter-pilz-40575

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/peter-pilz-ist-ein-vertuscher-und-skandalisierer-36420

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/ich-finde-den-abgang-von-peter-pilz-gut-36303

Polemisch gesagt: mir ist die Krawallopposition im Parlament lieber als auf der Strasse. Weil im Parlament (dem Ort, wo parliert, also diskutiert wird) immer noch mehr diskutiert werden kann, als auf Demos bzw. Gewaltdemos, die sozusagen zur Inzucht, zur Radikalisierung und Selbst-Radikalisierung neigen.

P.S.: das soll natürlich kein Argument oder kein Plädoyer dafür sein, dass über die Vorwürfe sexueller Belästigung im Falle von Pilz nicht mehr berichtet werden soll.

Aber ich finde eben, darüber, ob das ein Hindernis für parlamentarisches Mandat ist, sollen die Wählerinnen und Wähler entscheiden, und nicht einige Politiker.

P.S.2: es ist sehr bedauerlich, dass es - was die Wählerinnen und Wähler betrifft - sowenig Daten gibt, was die Frauenanteile unter den Wählenden der einzelnen Parteien betrifft. Gerade bei der Liste Pilz konnte man - vor den Vorwürfen gegen Pilz - annehmen, dass der Anteil von Frauen unter den Wählenden der Liste Pilz über 50% gelegen haben könnte, was man aus Sicht eines Quotientenwahlrechts als Argument dafür nehmen könnte, dass auch der Mandatsanteil der Frauen über 50% liegen müsste. So gesehen müssten zwei Männer verzichten, damit Pilz und eine weitere Frau nachrücken kann.

Früher einmal gab es unterschiedliche Wahlzettel für Männer und Frauen, sodass - rein theoretisch - die Frauenanteile unter den Wählenden jeder einzelnen Partei genau feststellbar gewesen wären.

Um Quotientenwahlsysteme auf Wählendenebene und nicht nur auf Parteimitgliederebene anwenden zu können, wären derartige Systeme mit unterschiedlichen Wahlzetteln günstig. Allerdings müssten dann vielleicht kleine Wahllokale zusammengelegt werden, um das geheime Wahlrecht sicherzustellen.

Ein Geschlechter-Quotientenwahlsystem ist ein Wahlsystem, bei dem der Anteil der Mandatarinnen mit dem Anteil der Wählerinnen bzw. der weiblichen Mitglieder derselben Partei zusammenhängt. Anders gesagt, es ist ein Wahlrecht mit 2 Listen pro Partei (einer Männerliste und einer Frauenliste), wobei die Verteilung der Mandate auf die beiden Listen im Verhältnis der Geschlechter bei Mitgliedern bzw. Wählenden erfolgt.

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Dieter Knoflach

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