Der Todestag von Jörg Haider jährte sich kürzlich zum zehnten Mal.

Dazu gab es einige Fernsehsendungen:

Im Oe24-TV ging es um die Frage: Ist die Verleihung der Jörg-Haider-Medaille (durch BZÖ-Politiker Gerald Grosz) an H.C.Strache gerechtfertigt ?

Allerdings lachten Fellner und Fußi so intensiv, dass sie eher an Neil Postmans These "Wir amüsieren uns zu Tode" erinnerten und damit das abschreckendst-mögliche Beispiel gaben.

Was haben Haider und Strache gemeinsam und was unterscheidet sie ?

Gemeinsam haben sie, dass sie beide den koalierenden Juniorpartner der ÖVP zu spielen bereit waren, und damit eine Alternative zur sehr lange regierenden Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP ermöglichten (Die Grünen hatten eine einzige Möglichkeit auf Regierungsbeteiligung mit einer Großpartei, nämlich 2002 mit der Schüssel-ÖVP, die sie aber im wesentlichen wegen der SPÖ-geneigten Wiener Grünen und wegen Peter Pilz, der weiterhin die Eurofighterkäufe skandalisieren wollte, scheitern liessen).

Dabei hatte Haider die Funktion des Eisbrechers, Strache eher die der Kopiermaschine: Haider zeigte als erster, dass die Größe und die Macht der Großparteien nicht sicher und nicht garantiert ist, und er zeigte damit auch, dass Wählen Sinn macht, während sich davor eine Art Gleichgültigkeit eingestellt hatte und eine Apathie, auch deswegen, weil SPÖ und ÖVP sehr wesentlichen sich auf ihre Stammwähler konzentrierten und ungebundene Personen und ihre Interessen außer Acht liessen. So gesehen ähnelt Haider Napoleon, der bewies, dass Monarchien stürzbar sind, und die Macht der Monarchien nicht ewigwährend.

SPÖ und ÖVP, aber auch NEOS und Grüne waren nach Haiders Tod unfähig, die Haider-Wähler anzusprechen, weshalb die FPÖ diejenige Partei war, die den Großteil der Haider-Wähler und -innen übernahm.

Fellner und Fußi versuchen wie Julia Herr, Haider die Alleinschuld für die Hypo-Alpe-Adria-Sache zuzuschreiben und zu verschweigen, dass alle Kärntner Landtagsparteien die unbegrenzte Haftungserhöhung für die Hypo-Alpe-Adria beschlossen hatten und daher Mitschuld tragen. Auch die Frage, inwieweit der damalige Finanzminister der großen Koalition, Josef Pröll, falsch handelte, indem er die Hypo-Alpe-Adria auf diese Art und Weise verstaatlichte.

Haider und Strache sind ähnlich in der Islamkritik, sie unterscheiden sich aber wesentlich in Sachen NATO und Homosexualität (Haider pro-NATO, Strache neutralistisch; Haider pro-homosexualität, Strache anti).

Haider und Strache unterschieden sich auch sehr wesentlich darin, dass z.B. Haider eine Frau, nämlich Susanne Riess-Passer zur Vizekanzlerin (übrigens erste Vizekanzlerin in der Gesichte Österreichs) und Parteiobfrau machte, um sich auf Kärnten zu konzentrieren, was Strache nie in auch nur annähernd ähnlicher Form machte. Riess-Passer (geborene Oberösterreicherin, Schule in Salzburg, Rechtswissenschaftsstudium in Innsbruck hat eine ähnliche Bundesländerorientierung wie Haider)

Und Haider und Strache unterschieden sich auch sehr wesentlich im Bildungshintergrund: während Haider Universitätsassistent war am Juridicum Wien, war Strache Zahnarztgehilfe.

Gerade die Homosexualitätsfrage bringt einen auch zum Grübeln über die Hintergründe der Haider-Medaille durch Grosz, der selbst homosexuell ist, während Strache sich oft sehr negativ über Homosexuelle äußerte, auch und insbesondere im Spaltungsprozess in FPÖ und BZÖ: vielleicht ging es Grosz darum, Fellner und Fußi in ein schlechtes Licht zu rücken und zum lachen zu provozieren.

Einer der großen Unterschiede zwischen Haider und Strache ist auch, dass Haider ein Oberösterreicher bzw. Kärntner war, hingegen Strache ein Wiener. Die Anti-Wien-Rhetorik, die Haider betrieb, war in vielen Fällen stimmig und machte einen großen Teil seines Erfolgs aus.

Gerade Wien mit seinen Zentralisierungstendenzen, die schon aus der K.u.K.-Monarchie kamen, liefert imme wieder Anlässe für Anti-Wien-Rhetorik, die Strache natürlich nicht bedienen kann, weil er selber Wiener ist.

Haider war übrigens mit 27% in Vor-Syrienkriegs-und-Flüchtlings-Zeiten erfolgreicher als Strache mit 25% in Nach-Syrien-Kriegs-Und-Flüchtlingszeiten. Haider hätte in Zeiten des Syrienkrieges bzw. der Syrienflüchtlingswelle wahrscheinlich bzw. möglicherweise über 30% erreicht. Und die Schwäche Straches (die auch eine intellektuelle Schwäche ist) ist vielleicht einer der Gründe, warum die Linke mit Strache zufrieden ist (das SPÖ-nahe Medium "Österreich" stand Strache positiv gegenüber und eine "Österreich"-Journalistin heiratete Strache)

Was bei dieser ORF-Diskussion auffällt, ist, dass Strache stets Böhmdorfers Argumentation wiederholt, und damit Haiders Vorwurf, Strache sei nur eine Haider-Kopiermaschine, bestätigt.

Haider war ein absolut ungewöhnlicher Politiker, insofern, dass er sich regelwidrig verhielt und mit zahlreichen Polit-Coaching-Wahrheiten brach.

Nach der Stagnation 1995 sagte Haider: "Es stellt sich die Frage, welchen Sinn das alles noch macht". Das war eine für einen Politiker absolut ungewöhnliche Aussage, entgegen jeder Politrhetorikschulung. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit diese Aussage seine Gegner dazu brachte, härter mit Dämonisierung weiter zu machen, um die Schlussmachstimmung, die er angedeutet hatte, wieder zu wecken.

Auf die Frage, was er seinen politischen Gegnern ins Stammbuch schreiben wolle, antwortete Haider einmal: "Gar nix, weil die lernen´s sowieso nie, .... , oder doch: Bleibt so, wie Ihr seid, Ihr habt uns genutzt. Danke, Euer Jörg". Damit erklärte er, dass die Wahlerfolge zu großen Teilen gar nicht auf seinem Talent, sondern sehr wesentlich auf Fehlern seiner Gegner beruhten. Für einen Politiker eine absolute Ausnahmeaussage.

Jörg Haider war auch ein Comeback-Kid: normalerweise werden Politiker, die abgewählt werden, niemals wiedergewählt. Oft schaffen sie nicht einmal mehr die Wiederkandidatur.

Jörg Haider hingegen wurde als Kärntner Landeshauptmann abgewählt, erzielte aber dann einen Wahlsieg mit ca. 42%, wobei insbesondere die Kärntner SPÖ sich darauf festgelegt hatte, die Stimmenstärkste Partei solle den Landeshauptmann stellen. Haider wurde wieder Landeshauptmann, und brach damit das "They never come back!"-Gesetz, das aus dem Boxsport kommt.

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