Zu Zeitumstellung, Radwegen und Schlüsselbeinbrüchen

Ich habe heute nach 14-monatiger Pause wegen eines schweren Verkehrsunfalls erstmals wieder mein Fahrrad in Betrieb genommen, und ich muß sagen, es war irgendwie wunderbar.

Im Vergleich zum Zu-Fuss-Gehen und zu den Öffis, die mit Wartezeiten, ebenfalls Fusswegen und Kosten verbunden ist, ist das ein echter Mobilitätsgewinn: die Füsse werden entlastet (gerade bei meinen seit der Wohnungsräumung un dem hektischen Umzug geschwollenen Füssen wichtig), man rollt so dahin, Gewicht zu tragen ist nicht anstrengend (aber verschwitzend, insbesondere bei schweren Rucksacklasten).

Auf meinem Weg lag(en) übrigens die Wienzeile(n), von denen Christoph Chorherr, früherer Grün-Politiker sagte, es würden Radwege fehlen.

Ich bin kein Wienzeilen-Experte, aber so aus der jetzigen Befahrung heraus und aus meinen früheren Erinnerungen heraus kann ich ihm wohl eher zustimmen.

Der zweit-sinnloseste Radweg Wiens oder zumindest des dritten Bezirks Landstrasse ist übrigens der auf der Adolf-Blamauer-Gasse beim früheren Aspangbahnhof. Ich verwendete ihn fast nie, sondern fast immer nur die parallele Linksabbiegespur, bei der man 100 oder 150 Meter Möglichkeiten zum Spurwechsel hat, die kürzere Route ohne enge Kurve und Bremsmanöver und Schwungverluste fahren kann.

Dieser (mit dem Zebrastreifen nach links abbiegende) Radweg ist auch für die Autofahrer blöd, weil sie nie wissen, ob der Radfahrer am Radweg nach links abbiegt oder geradeaus weiterfährt (was radwegwidrig wäre) oder stehenbleibt, wenn er zur engen Kurve abbremst. Wegen des geringen Kurvenradius und weil man bremsen muss, muss man beide Hände am Lenker lassen und kann keine Handzeichen geben, selbst, wenn man links abbiegen will.

Wenn ich mich recht erinnere, hat ihn die SPÖ vor der vorletzten Wahl auf die Schnelle hingeklotzt, im Glauben, sie könnte so die absolute Mehrheit erhalten, mit dem Axolotl-Spezialisten Häupl, der als Biologe sowieso so einen grünen Touch hätte. Im Wahrheit hat die SPÖ massiv verloren, obwohl das intellektuelle Untalent Strache der Gegner war.

Über den sinnlosesten Radweg Wien, bzw. des dritten Bezirks, der direkt durchs Restaurant geht, habe ich früher schon gebloggt.

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/privates-arbeitsinspektorat-und-radweg-durch-restaurant-32981

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/behoerdenwillkuer-kanzler-inszenierung-saltobremsungen-und-intim-waxing-30660

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch entschuldigen dafür, dass ich eine Vergleichsstudie versprach zwischen einem Jahr ohne Beschilderung des Radwegs-durch-Restaurant und einem Jahr mit Beschilderung des Radwegs-durch-Restaurant, aber der Schlüsselbeinbruch und die Wohnungsräumung wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass ich woanders wohnen werde, und diese Route nicht mehr intensiv genug befahren werde, sodass ich mein früheres Versprechen brechen muss.

Das heisst: man kann nicht immer erwarten, dass in der Politik Versprechen eingehalten werden. Manchmal kommt höhere Gewalt dazwischen. Das ist so mit den clausula-rebus-sic-stantibus-Auflösungen von Verträgen: wenn zum Beispiel ein Erdbeben ein Haus vernichtet, dann wird der Mietvertrag ungültig, ohne dass das Erdbeben als Auflösungsgrund im Vertrag erwähnt werden muss.

Aber zurück zur Fahrradpause: wenn Sie mit ihrem Fahrrad nach langer Zeit zum ersten mal wieder fahren, sollten sie eine vorsichtige Testfahrt machen, weil in der langen Stehzeit vieles außer Wartung gerät: Fahrradöl trocknet ein, Temperaturwechsel haben vielleicht Bremskabel beschädigt, etc.

Und apropos EU und Zeit: aus Sicht eines Radfahrers, der entweder zusätzliche Beleuchtungskörper und Batterien mitschleppen muss oder einen Dynamo betreiben muss, was die Anstrengung beim Treten verdoppelt, bin ich für die Beibehaltung der jährlichen Zeitumstellung, weil dadurch die helle Tageszeit besser genutzt werden kann.

Die ganzen Begleitumstände dieser sogenannten Online-Befragung zur Zeitumstellung waren ohnehin äußerst dubios: es nahm nur ein Prozent der Wahlberechtigten teil, davon zwei Drittel Deutsche. Es war eine Online-Befragung, d.h. die Prekären waren mangels Onlinezugang ausgeschlossen, was ein Verstoss gegen das allgemeine Wahlrecht ist, und gerade die sind am meisten angewiesen auf Tageslicht, weil sie entweder obdachlos sind, oder sich erhöhte Stromkosten durch mehr Belechtung nur schwer leisten können. Der geringfügige Mini-Jetlag durch die Umstellung fällt für sie vergleichsweise gering ins Gewicht.

Hier noch eine schöne Abendstimmung über dem Stadtpark, vom Radweg aus fotografiert:

(Copyright aller Fotos mit Ausnahme des CHorherr-Fotos: D. Knoflach)

Hier meine Schlüsselbeinbruch mit OP-Platte und als Post-OP-Komplikation gebrochener Schraube: es kann zwar schmerzvoll sein, am Fahrrad schwere Lasten mit dem Rucksack und einer solchen Schulter zu transportieren, aber ein echter Indianer kennt wie ein echter Soldat keinen Schmerz, heisst es.

CC / zug.gem. Grüne Wien

Ex-Grünen-Politiker C. Chorherr, der auf den Radwegmangel Wienzeile aufmerksam machte.

Hier mein Fahrrad: spartanisch und reduktionistisch; leicht zu tragen und leicht zu warten. Es kann kaum was kaputt werden, weil kaum was dran ist; keine Schaltung, keine Lichter, keine Kotbleche, kein Gepäckträger, nur das allernotwenigste. Für einen alten Kerl für mich ideal leicht, um es in den dritten Stock liftlos zu tragen, in dem ich vielleicht in Zukunft zu wohnen gezwungen bin.

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Dieter Knoflach

Dieter Knoflach bewertete diesen Eintrag 01.11.2018 21:41:47

Frank und frei

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