Während der Philippino Sean die verschiedenen Mango-Arten aufzählt, beginne ich als Österreicherin bereits zu sabbern: Die spitzförmige, wild wachsende Picomango; die gelbe Carabao aka philippinische Mango, die angeblich Süßeste unter den Manggas; daneben noch die kambodschanische Mango sowie zwei Arten der eher bitter schmeckenden Apfel-Mango und nicht zu vergessen die bekannteste aller Mango-Früchte: die Mangifera indica... „Das sind aber nur die Sorten, die ich kenne“, fügt der 31-Jährige beschwichtigend hinzu, noch bevor ich meinen Mund zum staundenen „Aah“ geöffnet habe.

Was für uns Mitteleuropäer in Sachen Sortenreichtum der Apfel ist, ist auf den Philippinen eindeutig die Mango. Der asiatische Staat mit seinen 7.000 Inseln ist mit 7,8 Prozent Weltmarktanteil die Nummer zwei im Mango-Export und wird darin nur von Mexiko übertroffen. Überall säumen Mango-Bäume die Straßen, wachsen wild zwischen Büschen und sogar den Meter hohen Gräsern der Bergregionen. „Oft ist es richtig schwierig, sich durch das Gestrüpp zu schlagen und die Mango-Bäume zu entdecken“, berichtet Sean. Er muss es wissen, ist der fünffache Familienvater doch seit drei Jahren als einer von drei Fairtrade-Mango-Inspektoren bei der philippinischen Organisation „Profairtrade Organisation“, bekannt als „PREDA Fair Trade“ (People’s Recovery Empowerment Development Assistance), im Einsatz und dabei fast tagtäglich unterwegs, um in der Region Zambales in Zentral Luzon Mango-Farmen der indigenen Aeta-Bevölkerung zu begutachten. Heute darf ich ihn und seine Kollegen Donald sowie Roger bei der Arbeit begleiten.*

"5 Pesos (umgerechnet 0,10 Euro) bekommen die Farmer aus der Region auf den lokalen Märkten pro Stück“, erklärt mir Sir Donald, der bereits seit 16 Jahren bei PREDA im Fairtrade-Programm tätig ist, das rechnet sich vor allem für die Kleinbauern, die weniger als 50 Bäume haben, nicht. Außerdem herrscht in der Erntezeit so ein Überangebot an Mangos, dass sie niemand kauft und die Früchte auf den Bäumen verrotten.“ Während die Mangos auf den Philippinen im Allgemeinen und in den fruchtbaren, aber abgeschiedenen Bergregionen Luzons im Besonderen nichts Wert sind, sind sie in Europa heißbegehrte Köstlichkeiten. Das macht sich PREDA, die sich seit 1975 für die Kinder aus armen Elternhäusern einsetzt und sie vor Prostitution beziehungsweise Kriminalisierung schützen möchte, bereits seit 1993 zunutze: Sie gründete Partnerschaften mit Mangokleinbauern um deren Mangos, aber auch andere Früchte für faire Preise – aktuell rund das Doppelte des Marktpreises - zu kaufen, um diese dann zu getrockneten Mangos und später auch zu Mangopüree- oder brei weiter verarbeiten zu lassen. Darüber hinaus unterstützt Profairtrade die Communities durch Bonuszahlungen und investiert einen Teil der Gewinne in die Dorfentwicklung, baut Bewässerungsanlagen, stellt Schul-Gelder zu Verfügung und bietet Weiterbildung für die Bauern an. Ziel dieses umfassenden Fairtrade-Programms ist es, die Lebenssituation von Eltern und Kindern verbessern, sodass sie weniger anfällig für Angebote und falsche Versprechungen von Menschenhändlern sind oder kriminell werden müssen. So können etwa durch den Verkauf der Früchte eines Mangobaums die Schulkosten von zwei Kindern finanziert werden. Auch die Landflucht in die überfüllten Städte wie Manila, in denen die Menschen zum Großteils in Slums enden, könne durch die Mangoproduktion verhindert werden.

Seit 2013 geht man außerdem einen Schritt weiter: Während die herkömmlichen Fairtrade-Mangos großteils aus der Region Mindanao stammen, trägt PREDA mittlerweile auch das Organic-Zertifikat. 14 Communities der Aeta (ausgesprochen Aïta), Agta oder Ayta, die hauptsächlich in den abgesonderten, isolierten Bergregionen der Insel Luzon leben, wurden in den letzten Jahren auf Bio-Mango-Anbau spezialisiert. Weitere sieben Dörfer sollen 2015/2016 folgen. Genau da kommen die Mango-Inspektoren Sean, Donald und Roger ins Spiel. Denn um als Bio-Fairtrade-Mango-Lieferant aufgenommen zu werden, müssen die Kleinbauern der Region erst die Prüfung durch deren Augen bestehen. Und die sind ganz schön streng!

"Verwendet Ihr Nachbar chemische Düngemittel?“, will Sir Donald wissen, nachdem er die letzte halbe Stunde jeden einzelnen Baum auf dem Grundstücksplan eingezeichnet und Listen ausgefüllt hat, und blickt dabei kritisch auf das Süßkartoffelfeld, das an den 7000 qm große Garten von Crispin Melon im Ortsteil Cabang angrenzt. Der 77-Jährige möchte, dass seine 22 Carabao-Mango-Bäume, die jährlich maximal 2.400 Kilogramm Früchte abwerfen, ins PREDA-Programm aufgenommen werden. Dafür muss aber nicht nur das Land des 8-fachen Vater, sondern auch das umgrenzende Gebiet den Kriterien biologischen Anbaus entsprechen. „In den Bergen setzen die Wenigsten chemische Düngemittel ein“, erklärt Donald, „nicht nur, weil diese zu teuer sind, sondern auch, weil sie das Wasser nicht verschwenden möchten. Aber hier im Tal ist die Situation anders, deshalb frage ich öfters nach.“ Crispin Melon könnte Glück haben: Bei Süßkartoffeln würden – anders als bei Reis - kaum chemische Hilfsmittel gebraucht, lerne ich vom Experten. „Wenn jemand Chemie einsetzt, erfahren wir es immer“, ist Sir Donald überzeugt. Zu diesem Zweck wird ein Kleinbauer als Local-Inspector eingesetzt, der vom Dorf-Obersten empfohlen wird und vor allem Lesen sowie Schreiben können muss. Außerdem kontrollieren Sean, Donald und Roger von PREDA jeden einzelnen Kleinbauern jedes Jahr aufs Neue. Und zwar so genau, dass selbst leere Düngemittel-Flaschen im Müll entdeckt würden. Auch Fairtrade führt jährliche stichprobenartige Tests durch. „Wenn wir entdecken, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, werfen wir den Kleinbauer aus dem Programm. Dann muss er mindestens drei Jahre warten, um sich erneut bewerben zu können.“ Es ist ein Risiko, das sich Crispin und die anderen Kleinbauern nicht leisten wollen.

PS: Wer sich jetzt wundert, wo eigentlich Bilder von Mangos sind: Die kommen erst zwischen März und August. Dann nämlich ist erst Erntezeit der süßen Früchte. Leider.

PSS: * Die Möglichkeit, die Mango-Inspektoren auf ihren Touren zu besuchen, wird gern angeboten. Ein Mail an PREDA genügt: predainfo@preda.org

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