Jeden Freitagaben werde ich von Minderjährigen gezwungen, den Abend mit "Die Grosse Chance" zu verbringen. Zugegeben, die Kräfte sind nach der Woche ermattet und es schwingen immer noch Erinnerungen an Dietmar Schönherr, Rudi Carell oder Hans Rosenthal mit. Abende, die ich als Kind vor dem Fernseher erlebt habe.

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts waren diese Shows State-of-the-art, nur besteht ein Format wie die "Die Große Chance" im dritten Jahrtausend?

Konzeptionell kann man noch Milde walten lassen, auch wenn interaktive Elemente auf Techniken des letzten Jahrtausends basieren und digitale Interaktion klein geschrieben wird. Second Screen Angebote oder gar die crossmediale Abbildung dieser finden kaum (Facebook) oder gar nicht statt (TV).

Inhaltlich kann man allerdings keine Milde walten lassen, weil die Sendung wohl insbesondere bei der Zielgruppe der 12-18jährigen vollkommen unreflektiert konsumiert und aufgenommen wird.

Einen besonderen Höhepunkt im Entgleisen politischer Korrektheit stellte gestern Petra Frey dar, die allen ernstes zu Ivana Cibulova in ihrer (positiven) Kritik sagte:

"Kann´s eine schönere Zigeunerin geben als wie di?" (ab Min 09:09)

Ivana erklärt ihre Identität als den Roma zugehörig vorab, einschließlich den Vorurteilen, als Definition und Abgrenzung zum Begriff "Zigeuner", gleichsam eine Präambel, um Fettnäppchen der Diktion vorzubeugen, und dann kommt Petra.

Traurig, 2014 solche Sterotypen im ORF erleben zu müssen. Wie sieht dann die Kritik eines dunkelhäutigen Kandidaten aus? Etwa "Schön hat er gesungen, der Neger"?

"Die große Chance" ist einen Gegenentwurf der Realität Österreichs. Glückliche Alpenbewohner, die fröhlich Lieder der Zufriedenheit und Bodenständigkeit zum Besten geben. Blut und Boden, Dirndl und Lederhosen als letzter Anker der Identifikation in einer zu schnellen und komplexen Welt. Angereichert durch Exoten, Sinnbilder der Liberalität das Landes.

Wo bleibt aber die große Chance? Der progressive Zugang? Die Wut, künstlerisch umgesetzt und thematisiert.

Ein Antidepressivum wird der Jugend nicht reichen. Und für "Die große Chance" kein Defibrillator.

Herzstillstand.

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fischundfleisch

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Christoph Cecerle

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