Schule: Warum Eltern für ihre Kinder kämpfen müssen

Eine Tochter wird in Wien geboren. Nennen wir sie Anna. Sie wächst wohlbehütet in ihrer Familie auf und geht ab dem zweiten Lebensjahr in einen privaten Kindergarten und danach in eine private Vorschulgruppe.

Die Vorgeschichte und der Boden der Realität

Ein paar Tage vor dem Aufnahmesgespräch mit der Direktorin der Volksschule, in der das Mädchen die Vorschulgruppe besucht, informiert die Leiterin der Gruppe die Eltern, dass Anna nicht altersadäquat zeichnen würde. Der bisheriger Aufenthalt in besagter Schule: etwa 18 Monate.

Die besorgten Eltern machen nach Rücksprache mit dem Kinderarzt einen Termin mit einer Kinderpsychologin aus, um dem Hinweis bezüglich inadequater Zeichenfähigkeiten nachzugehen. In der Zwischenzeit findet das obligatorische Aufnahmegespräch mit der Direktorin der Volksschule statt, das 2 Stunden dauert und mit dem Resultat endet, dass Anna auf Grund einer Raumorientierungsproblematik nicht geeignet wäre, die erste Klasse Volksschule zu besuchen.

Die Direktorin empfiehlt den Eltern, eine Integrationsklasse oder eine Vorschulklasse zu suchen. Am besten auch eine Überprüfung des Kindes im Sonderpädagogischen-Zentrum (SPZ) des relevanten Bezirkes. Der Zeitraum für eine ordentliche Aufnahme, entweder in eine Integrationsklasse oder Vorschulklasse, ist mittlerweile verstrichen.

Die Eltern sind erleichtert. Die Überprüfung des Kindes im Sonderpädagischen-Zentrum ergibt keine Einstufung des Kindes als Integrationskind. Damit ist die überstürzte Anmeldung des Kindes als Integrationskind in einer Volksschule hinfällig.

Gesucht wird nun ein Vorschulplatz in einer anderen Volksschule des Bezirkes, da in der ursprünglich gewählten Schule keine Vorschulklasse geführt wird. Das gelingt auch mit viel Glück und Einsatz der Eltern. Zusätzlich wird der letzte Platz in einem externen Hort gefunden. In der einzig möglichen Schule wird keine ganztägige Betreuung angeboten.

Die Vorschule und gute Aussichten

Das Mädchen besucht nun die Vorschulklasse. Die sensibilisierten Eltern kommunizieren konsequent mit der Lehrerin, die keine relevanten Probleme feststellt. Anna erhält in dieser Zeit eine wöchentliche, privat finanzierte Förderung durch eine Kinderpsychologin, die im Bereich der Raumorientierung mit dem Kind arbeitet.

Die erste Klasse und viel (private) Förderung

Das Kind steigt in die erste Klasse der Volksschule auf, eine Integrationsklasse mit 2 Pädagoginnen, jedoch nicht als Integrationskind. Anna entwickelt sich gut, bis auf die bekannte Problematik, die sich im Bereich Mathematik auszuwirken beginnt.

Von der Schule wird eine Unterstützungslehrerin bereitgestellt (1 Stunde pro Woche), sowie eine weitere Förderstunde durch die Lehrerinnen selbst (1 Stunde pro Woche). Weiters erhält Anna, privat durch die Eltern finanziert, eine weitere Stunde heilpädagogische Förderung extern einmal pro Woche.

Am Ende des ersten Schuljahres wird den Eltern empfohlen, eine schulpädagogische Untersuchung des Kindes durchzuführen, um den Status im Bereich Mathematik zu erheben. Es folgt der Hinweis, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) ausschließlich im Bereich Mathematik relevant sein würde. In allen anderen Fächern kommt Anna tadellos mit.

Die Überprüfung und viel Verwirrung

Konkret bedeutet das die Rückstufung des Kindes auf Sonderschullehrplan im relevanten Fach. Die Eltern nehmen die Informationen zur Kenntnis und veranlassen eine umfassende schulpädagogische Untersuchung bei der betreuenden Kinderpsychologin.

Das Ergebnis zeigt durchschnittliche Leistungen und Ergebnisse, bis auf die bekannte Raumorientierungsproblematik und Rechenschwäche. Der Status wird als Dyskalkulie festgestellt und das Papier der Schule vorgelegt. Parallel dazu informieren sich die Eltern detaillierter zum Thema "Dyskalkulie", also Rechenschwäche.

Anna erhält weiter alle getroffenen Stützungsmaßnahmen in der Schule und extern durch die Eltern initiiert. Im ersten Gespräch mit den Lehrerinnen wird den Eltern nach Vorlage des Befundes ein SPF in Mathematik vorgeschlagen.

Die Eltern erhalten vom Unterrichtsministerium und der Landesschuldirektion Wien keine relevante Information zu Dyskalkulie, vorallem nicht zu landesspezifischen Erlässen. Eigene (!) Internet-Recherchen erbringen das Ergebnis, dass es in zwei Bundesländern Erlässe zu Dyskalkulie gibt, nämlich in Vorarlberg und Niederösterreich. In Wien wird der Schwerpunkt offenichtlich ausschließlich in den Bereich der Sprache gelegt. (Die Erlässe sind auf der Webpagewww.recheninstitut.at einzusehen)

Nach Konfrontation der Lehrerinnen mit der unterschiedlichen Handhabung der Bundesländer mit dem Thema Rechenschwäche, zeigt sich ein weiteres vollkommen unerwartetes Problem: Die Bezirksschulinspektion der relevanten Bezirke spricht, nach Information der Lehrerinnen, keinen Einzel-SPFs aus, sondern ausschließlich einen gesamten Sonderpädagogischen Förderbedarf.

Die Informationssuche und noch mehr Verwirrung

Das Kind würde in allen (!) Fächern nach Sonderschullehrplan unterrichtet wird. Vollkommen inakzeptabel für die Eltern. Inakzeptabel für Anna. Weder nachzuvollziehen, noch adäquat.

Weitere Recherchen ergeben, dass es ein Informationsblatt des "Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur" gäbe, auf welches die die Eltern weder von der Landesschuldirektion Wien, der Direktion der Schule, der Klassenlehrerin noch im Gespräch mit dem Bundersministerium hingeweisen wurden.

In der Zwischenzeit versuchen die Eltern, schulische Alternativen in Wien abzuklären. Weitere Gespräche mit LehrerInnen und DirektorInnen öffentlicher Volksschulen ergeben, dass der Informationsstand zum Thema Dyskalkulie in Wien mangelhaft ist und die Bezirksschulinspektionen keine Einzel-SPFs ausstellen würden, weil in Wien die sprachliche Förderung Priorität hätte (Integrationsthema).

Die Konsequenz und die Flucht nach Niederösterreich

Auf Grund der Problematik sehen sich die Eltern zu einem Wechsel Annas in eine niederösterreichische private Volksschule gezwungen.

Anna wechselt im Halbjahr der zweiten Klasse von Wien nach Niederösterreich, was erhebliche logistische Probleme aufwirft. Das Mädchen muss jeden Tag von Wien in die Schule geführt und wieder abgeholt werden, was ausschließlich durch die Selbständigkeit des Vaters und der Flexibilität des Arbeitgebers der Mutter möglich ist. Die tägliche Kilometerleistung beträgt durch den Schulstandort bedingt 80 km.

Das Mädchen entwickelt sich gut. Der Aufstieg in die dritte und vierte Klasse Volksschule stellt kein Problem dar. Mittlerweile wird das Kind in genanntem Recheninstitut einmal wöchentlich extern weiter gefördert und fährt selbständig in die Schule.

Ende gut, alles gut

Ohne den massiven Einsatz und Widerstand der Eltern wäre Anna heute im Wiener Schulsystem Sonderschülerin in der vierten Klasse Volksschule. Anna gehört mittlerweile zu den besten SchülerInnen ihrer Klasse und hat den Rückstand in Mathematik durch massive Unterstützung und Einsatz der Eltern, der Großeltern, der Schule, der Lehrerinnen und externer Hilfe aufgeholt.

Nicht hinnehmen. Lästig sein und kämpfen!

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