"Betriebswirtschaftsleere", veraltertes Denken der BWL - der Lack ist ab

Das neue Buch "Betriebswirtschaftsleere" des Wirtschaftsjournalisten und Unternehmers Axel Gloger zeigt in 14 unterhaltsamen und anschaulich geschriebenen Kapiteln auf den eingestaubten Lehr- und Wissenschaftsbetrieb der Betriebswirtschaft, der seine Entwicklungsdefizite kaum noch verbergen kann. Was vor 25 Jahren schon so war, gilt immer noch: Es fehlt die Innovation im eigenen Tun. Dieses Buch mit dem Titel "Betriebswirtschaftsleere" auch auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wirft die Frage auf, wem nützt BWL noch?

Die BWL ist veraltet und praxisfern geworden.

BWL galt als Zauberwort. Öffnet die Türen zu Konzernen, gilt als Eintrittskarte zur Karriere, garantiert ein ordentliches Gehalt. Angeblich. Deshalb werden sich auch 2016 wieder 40.000 junge Menschen an den deutschen Unis für Betriebswirtschaftslehre einschreiben, mehr als je zuvor. Doch sie rennen in eine Sackgasse. Denn der Lack ist ab bei der BWL. Das Fach lehrt veraltetes Denken, ist zu einseitig, zu theoretisch. Auch Schäuble meinte kürzlich, es müssen nicht alle BWL studieren.

Mehr noch: BWL ist zum Problem geworden. Ihre Maximen vom schnellen Vorteil und der Jagd nach Effizienz haben uns in die Finanzkrise getrieben.

BWL, nein Danke! Das ist auch aus der Wirtschaft zu hören. Erfolgreiche Firmen werden heute oft von Ingenieuren, Physikern oder Studienabbrechern geführt. Bei den mittelständischen Champions, für die Deutschland in aller Welt bewundert wird, hat mancher Firmenchef noch nie nach BWL-Lehrbuch gearbeitet - und ist gerade deshalb erfolgreich.

Top-Manager schimpfen inzwischen über den Fluch der BWLisierung. Und selbst Professoren kommen ins Grübeln: Bietet die BWL am Schluss womöglich nur Betriebswirtschaftsleere?

Das Buch soll auch Aufschluss darüber geben, wie eine Reform des Alibifachs BWL aussehen könnte.

In Zeiten der sogenannten digitalen Transformation der Unternehmenswelt (die eigentlich wegen der veränderten Verhaltensweisen von Konsumenten und Mitarbeitern eine soziale ist) sucht man in den Studiengängen der deutschen und österreichischen BWL in der Regel vergeblich nach Hinweisen zu erfolgreichem Experimentieren, zum richtigen Zielformulieren, zur Gestaltungsfähigkeit von Unternehmensstrukturen und zu Erfolgskriterien für Kreativität.

Wer Chancenmanagement googelt, wird einen Bruchteil der Treffer zu Risikomanagement finden. Wie sieht denn eine Theorie und die Praxis des Chancenmanagements in der Betriebswirtschaft aus? Da besteht komplette Fehlanzeige. Derweil stehen die Regale der Universitäten voll mit Büchern zu Risikomanagement.

In den Geschäftsberichten der Konzerne ist es genauso: Trotz der Pflichtberichterstattung zu Chancen und Risiken im Lagebericht gibt es das Thema Chancenbericht so gut wie nicht. Controlling, Benchmarking und Analogien aus der Geschichte taugen nicht für die Entdeckung neuer Geschäftsmodelle und die wirtschaftliche Fundierung von Innovation.

Für unsere Zukunft gilt: es braucht gerade heute erfolgreiche Innovation in hohem Maße für unsere alternde Gesellschaft.

Wer heute erfolgreich gründen und entwickeln will, findet das wirtschaftliche Fundament seines Vorhabens eher in den englischsprachigen Büchern über "User Centric Design", "Design Thinking", "Scrum", "Lean Startup" und "agilen Methoden". Was spannend ist: auch in den US haben weniger die Professoren der Betriebswirtschaft, als die Kreativagenturen wie Ideo oder Rosenfeld Media in der Szene das Sagen.

Hier sind ganz andere theoretische Konzepte im Einsatz - der gemeinsame Nenner dieser Innovationsdisziplinen - es wird experimentell vorgegangen. Das Motto lautet „Fast Failing“.

Die Betriebswirte mit dem überkommenen Innovationsansatz „Top Down-“ bzw. Wasserfallansatz stehen da irgendwie im Wege. Die Ingenieure haben schon angefangen, das Stage-Gate-Innovations-Modell von Cooper einzumotten - den Betriebswirten steht das Aufräumen noch bevor.

Es wird auch kein ewiges Wachstum mehr geben können und menschliche Verhaltensänderungen bleiben unausweichlich. Unausweichlich bleiben auch neue faire Regelungen bei der unvermeidlichen Umverteilung nach unten bzw. einem Wachstums-Downsizing. Nicht nur die materielle Armut in der Welt und auch bei uns, sondern auch die immaterielle Armut der Einsamkeit alter Menschen wächst.

Viele Jugendliche in prekären Arbeitsverhältnissen verspüren große Zukunftsangst. Sprechen wir mit ihnen. Kooperatives Verhalten statt Egoismus muss einer der neuen Lösungswege sein. Neben der hohen Jugendarbeitslosigkeit in einigen EU-Ländern wird auch die digitale Revolution wesentlich mehr Jobs vernichten, als neue “Data Scientistic” – Jobs schaffen.

Die „Soziale Marktwirtschaft“ in Zeiten des Erhard’schen Wirtschaftwunders (60er-Jahre) wurde spätestens in den 70er-Jahren krisenanfällig und die Liberalisierung und Deregulierung der Märkte brachte wiederum eine Wirtschaftsbelebung (Reagan, Thatcher).

Reagan und Thatcher haben auf Basis der Chicagoer Schule (Mieses, Hajek, etc… (auch „The Austrians“ genannt) eine angebotsorientierte, neoliberale Wirtschaftpolitik ökonomisch erfolgreich in den 80er-Jahren eingeführt. Den Spitzensteuersatz der ESt von 70% senkte Reagan auf 33% mit natürlich negativen Auswirkungen auf Steueraufkommen und Sozialpolitik.

Freihandel und Deregulierung haben den Welthandel sehr belebt und zum Wohlstand beigetragen. Die Finanzmarktderegulierung wurde jedoch im neuen Jahrtausend zu weit getrieben ("Casinokapitalismus";). Folge war die Finanzkrise 2008 und sie demaskierte das wahre Gesicht des Kapitalismus (Bilanzfälschungsskandale, Steuerparadiese, unverschämt hohe Boni, Finanzmarktkriminalität, Liborskandal, narzisstische Managerpersönlichkeiten, etc..) . Bezeichnungen wie Casinokapitalismus, Heuschreckenkapitalismus, Turbokapitalismus, etc… tauchten auf und waren nicht unberechtigt.

Finanzgeschäfte (insb. Derivate) dienten überwiegend nicht mehr der Realwirtschaft, sondern 1:10 nur mehr der Spekulation. Man hat gesehen, dass ein Markt ohne Regulierung die Finanzkriminalität und Korruption fördert. Aus ethischer Sicht kann ein Markt „per se“ nie gerecht sein , es bedarf daher politischer Korrektive , um zu einem „Kapitalismus mit menschlichem Antlitz“ zu gelangen.

Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die massiv sich öffnende Einkommensschere zu starken Wachstumsverlusten (Nachfrageausfällen) geführt hat. In einigen europäischen Ländern wird schon wieder von Rezession gesprochen. Die Ursache dieser Einkommensungleichheit hat Piketty in seinem Bestseller „Kapital“ nachgewiesen und seine Thesen blieben sogar von der FT weitgehend unwidersprochen. Demnach wachse die Rendite der Kapital-u.Vermögenseinkommen dreimal so schnell im Vergleich zu den Lohneinkommen. 10% der Bevölkerung besitzen beinahe 70% des Volksvermögens und der politisch stabilisierende Mittelstand beginnt massiv abzubröseln, wenige Gewinner, viele Verlierer.

Die strukturelle Ungleichheit der Einkommens- oder Vermögensverteilung nimmt im Kapitalismus besorgniserregend zu. Schauen Sie sich die oft prekären Verhältnisse junger Menschen an, soferne sie nicht zu jener Minderheit gehören, die vom Beruf „Erbe“ sind.

Wirtschaftstheorien verändern die Wirtschaftsrealität, schrankenlose Deregulierung und auch der Glaube an die Smith’schen sich „selbst regulierenden Marktkräfte“, es gibt auch keine „invisible hands“ oder das „homo oeconomicus – Dogma“ Alles von der Realität widerlegt, alles Nonsense und hat auch zum Marktversagen mit beigetragen, wenn ich nur an die verrückten Casino-Formeln von Black-Scholes denke, wofür er sogar den Nobelpreis erhielt.

Der Zeitgeist beginnt sich langsam, nur langsam zu verändern. Die Verteilungspolitik muss völlig neu gestaltet werden. Die “Freie Marktwirtschaft” hat das Wort „sozial“ verloren. Wir müssen auch das rechte Maß wiederum finden, denn es kann nicht eine Minderheit unermesslichen Reichtum auftürmen und die große Zahl der Verlierer darf sich dafür noch als Neidgesellschaft beschimpfen lassen.

Die Politik der OECD oder des IWF beginnt langsam zu begreifen, dass eine stärkere Umverteilung zu ärmeren Bevölkerungsschichten höchst an der Zeit ist und auch das Deutsche Verfassungsgericht hat kürzlich in einem Erkenntnis zu einer umverteilungsgerechteren Erbschaftssteuer aufgerufen.

Die Ökonomie und ihre Professorenschaft scheint auf der Suche nach neuen, wirtschaftspolitischen Paradigmen völlig!!! überfordert zu sein und sie haben schrecklich Angst um ihre Besitzstände und auch, dass man ihre "realitätsfremde Wirtschaftsmathematik" bloßstellt .

Zur Finanzkrise meinte die englische Queen zu den Professoren anläßlich eines Besuches bei der „London School of Economics“ sich über sie lustig machend:

„Why didn’t anybody foresee this“.

Die Professoren antworteten in einem Brief später der Königin, weil ihnen unmittelbar keine Antwort einfiel, dass es sich um ein “Versagen der kollektiven Vorstellungskraft vieler kluger Menschen im Land und weltweit handelte”:).

Die universitären Institutionen haben sich die ganze Finanzkrise hindurch durch vornehmes Schweigen ausgezeichnet, weil sie keine Ideen und Rezepte anbieten konnten.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Noch keine Kommentare

Mehr von EBgraz