Zwei burgenländische Gratisblätter streiten sich vor Gericht wegen des Vorwurfes des "unlauteren Wettbewerbes" (Schleichwerbung), weil der Beklagte ("Tips";) redaktionelle Beiträge inhaltlich wie einen Werbebeitrag für den Anzeigekunden gestaltete (=Gefälligkeitsberichterstattung) und diese nicht als "Anzeige" gekennzeichnet hatte, wie es das Mediengesetz vorschreibt.

Dem Großteil dieser Veröffentlichungen sei gemeinsam gewesen, dass zwar in diesen Ausgaben Unternehmen sehr wohl Inseratenplätze gegen Entgelt gebucht hätten, dass aber - jeweils als Gegenleistung für das Werbeentgelt - dann nicht nur das Inserat selbst, sondern jeweils auch noch einen besonderen "PR- Artikel" - tendenziell zugunsten des jeweiligen Inserenten - in einer typisch redaktionellen Aufmachung platziert worden sei. Den Lesern seien reine Werbeinhalte als redaktionelle Beiträge "untergejubelt" worden.

§ 26 Mediengesetz:

Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstige Beiträge und Berichte, für deren Veröffentlichung ein Entgelt geleistet wird, müssen in periodischen Medien als „Anzeige“, „entgeltliche Einschaltung“ oder „Werbung“ gekennzeichnet sein, es sei denn, dass Zweifel über die Entgeltlichkeit durch Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können.

Es geht also rechtspolitisch darum, dass Leser redaktionellen Beiträgen ein größeres Vertrauen als Anzeigen entgegenbringen. Das führt jedoch bisweilen dazu, dass die Werbung mitunter bestrebt ist, Anzeigen den äußeren Schein redaktioneller Mitteilungen zu geben, um sich damit deren publizistisches Gewicht zu verschaffen. Tatsächlich misst der durchschnittliche Zeitungsleser einem Beitrag, den er für eine von der Redaktion verantwortete Berichterstattung hält, wesentlich mehr Glaubwürdigkeit zu als einer Werbung (Geschäftszahl 40b60/16a).

Von dieser Sichtweise rückt der OGH ab entgegen jener der Vorinstanzen (LG Eisenstadt, OLG Wien), indem er sagt:

Der durchschnittlich aufmerksame und kritische Leser geht heute davon aus, dass auch redaktionelle Beiträge in periodischen Medien nicht „neutral“ sind und keine absolute Objektivität in Anspruch nehmen können, weil sie von Journalisten stammen, die ihre persönliche Meinung zum Ausdruck bringen, sei es in politischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Belangen.“

Der OGH hat zwar die globale Mediensituation richtig eingeschätzt und den Zeitgeist richtig erkannt. Sogar prominente Blätter wie NYT und Guardian teilen offensichtliche die Ansicht des OGH.

Warum ist es dann trotzdem eine Fehlentscheidung?:

Die Frage, die vom OGH zu entscheiden war, ob die Gefälligkeitsartikel mit „werblichem Überschuss“, mit denen Werbekunden bei Laune gehalten werden, ebenfalls als Werbung gekennzeichnet werden müssen.

Nein, sagt nun der OGH, müssen sie nicht!!.

Unentgeltliche Werbung in Form von redaktionell gestalteten Gefälligkeitsartikeln muss nicht gekennzeichnet werden, weil eben, wie bereits erwähnt und zitiert, ohnehin kein vernünftiger Mensch glaubt, dass Journalisten objektiv berichten.

Das wird vor allem jene Medien freuen, deren Geschäftsmodell darauf beruht, Werbekunden dadurch zu gewinnen, dass man ihnen mit der Anzeigenfläche auch die redaktionelle Glaubwürdigkeit mitverkauft, eines der letzten Mittel, überhaupt noch Werbeerlöse zu generieren.

Der OGH heißt mit seinem Urteil eine Entwicklung indirekt für gut, die dem Image der an Objektivität gesetzlich verpflichteten Medien - sofern redaktionelle Beiträge - in meinen Augen abträglich ist. Insofern halte ich diese Urteil für ein Fehlurteil. Auch der PR-Ethikrat kritisierte dass das Urteil, weil es der Lesertäuschung Vorschub leiste und die zentrale Korrektivrolle der Medien unterminiere."Nach der bisherigen Judikatur wurde unbezahlte Werbung in Gestalt redaktioneller Berichterstattung zutreffend als unzulässige Täuschung des Publikums beurteilt. Das Abgehen von dieser Judikaturlinie ist ein politisch falsches Statement und ein Schlag ins Gesicht jeder Medienethik", erklärte die Vorsitzende des PR-Ethikrats. Der OGH würde "Meinungen" und "gekaufte Beiträge" verwechseln.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 19.11.2016 21:39:15

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