Sind Trump (jein), Erdogan(ja) und Putin(ja) Faschisten?

Der Historiker Carlo Moos zieht in seinem neuen Buch "Ausgrenzung, Internierung, Deportation: Antisemitismus und Gewalt im späten italienischen Faschismus (1938–1945)" Parallelen zum Stil von Hitler und Mussolini, warnt jedoch vor dem vorschnellen Faschismus-Vorwurf bei Trump. Für gefährlicher hält er heute Putin und Erdogan.

Trump hat nun die USA fest im Griff und bezeugt gerne seine patriotische Liebe zum Vaterland. In US-Leitmedien wird Trump mit Faschismus in Verbindung gebracht. Ist er wirklich ein Faschist?

Das amerikanische „Time“-Magazin hat Donald Trump zur „Persönlichkeit des Jahres“ gewählt. Im Grunde allerdings hat nicht die Redaktion ihn dazu gemacht, sondern er sich selbst. Sein märchenhafter Aufstieg vom New Yorker Immobilienhai zum Präsidenten der USA ließ den Journalisten keine andere Wahl. Das „Time“-Magazin versteht sich seit jeher als unparteiischer Chronist der Gegenwart. 2015 war Angela Merkel die „Person of the Year“ - 1938 Adolf Hitler.

Alles hängt immer von der Definition eines Begriffes ab:

Wenn man den Faschismus auf seine Epoche reduziert, wie dies Ernst Nolte in seinem Buch «Der Faschismus in seiner Epoche» von 1963 tat, dann passt auf Trump die Qualifizierung als Faschist nicht wirklich.

Wenn man aber wie der Historiker Roger D. Griffin von einem generischen Faschismus-Begriff ausgeht, dann gehört der Trump'sche Mythos von der nationalen Wiedergeburt zum definitorischen Faschismus-Minimum - und davon spricht Trump pausenlos. Sein Wahlkampfslogan lautete, er wolle Amerika zu alter Grösse zurückführen. Er beschwört einen Mythos, der im Sinne von Griffin als faschistisch bezeichnet werden könnte.

Nur weil jemand viel Mist wie Trump erzählt, kann man ihn noch nicht mit dem Faschisten Hitler vergleichen. In der allgemeinen Faschismus-Diskussion müsste ohnehin der italienische Faschismus der Ausgangspunkt sein, er lieferte das Modell unter Mussolini.

Der Nationalsozialismus markiert als Radikalvariante eine oberste Faschismus-Stufe. Der Vichy-Forscher Robert Paxton unterscheidet in seinem Standardwerk "Anatomie des Faschismus" fünf Stufen von Faschismus.

o Extremste Stufe = Nationalsozialismus (5.Stufe)

o Schwächste Stufe = gesunder Patriotismus, jedoch mit nicht multikulturellen, sondern ausländerfeindlichen netionalistischen Merkmalen (1. Stufe)

Ur-Faschismus: Gibt es Parallelen zwischen Trump und Mussolini?

Beide sind legal an die Macht gekommen, wobei der Berufung Mussolinis durch den König die mussolinischen, faschistischen Schlägertrupps gegen Linke vorausgingen, die viele Todesopfer forderten.

Im Umfeld von Trumps Wahlveranstaltungen gab es zwar auch Schlägereien, aber keine Toten. Trump wie Mussolini plusterten sich auf, setzen sich als Führer in Pose und haben ein absolut sexistisches Frauenbild. Beide ziehen über Andersdenkende her und machen sie lächerlich. Und beide dulden keinen Widerspruch. Trotzdem ist es schwer, dies bereits als faschistisch zu taxieren.

Der Faschismus war in seiner Epoche eine Bewegung von Weltkriegs-Verlierern, das sind die heutigen Wähler von Rechtspopulisten nicht. Die heutigen Rechtspopulisten sind Globalisierungs- und Modernisierungsverlierer, welche von der Wirtschaftskrise gebeutelt sich abgehängt fühlen. Jedoch in seiner Tragweite keinesfalls mit dem Elend der Nachkriegszeit vergleichbar.

Trump ist daher eher ein narzisstischer Berlusconi-Typ, aber noch kein Mussolini. Beide sind aufgeblasene Selbstdarsteller, wobei Berlusconi noch ein Minimum an Selbstironie hatte. Das fehlt bei Trump. Er ist hart im Austeilen, schwach im Einstecken. Auch wenn es absurd sein mag, Berlusconi zu verteidige, aber verglichen mit Trump ist er ja beinahe noch ein sympathatisch Verrückter.

"Verbale Gewalt ging bei faschistischen Führern der kriegerischen jeweils voraus. Hitler hat auch als Redner angefangen."

Trump wettert gegen Muslime, Mussolini wetterte gegen Juden. Der frühe Faschismus war nicht antisemitisch. Es gab in den Anfängen viele jüdische Faschisten, und Mussolini hatte mit seiner Biografin Margherita Sarfatti eine jüdische Geliebte. Der Antisemitismus kam in Italien erst 1938 mit der Rassengesetzgebung zum Zug, wurde aber schon vorher vom Nationalsozialismus übersteigert. Allerdings könnte man die Ausgrenzungsmanöver von Trump gegen Muslime als faschistisch bezeichnen, vor allem wenn er Muslimen keine Einreise-Visa erteilen will, wie er angekündigt hat.

In den 1930ern und 1940ern spielte der Papst gegenüber Hitler und Mussolini eine zweifelhafte Rolle. Der heutige Papst ist jedoch ein Bollwerk gegen Trump. Nur ist Franziskus ein Papst "sui generis" und nicht mit der Kirchenhierarchie gleichzusetzen. Die amerikanische Kirchen-Hierarchie ist extrem konservativ, deshalb wird der Papst die verhärteten Fronten nicht aufweichen können.

Trump hat im Wahlkampf Franziskus als «beschämend» abgekanzelt, was ihm offensichtlich nicht geschadet hat. Rund ein Drittel der Latinos haben ja Trump gewählt. Sie zogen den patriarchalen Macho einer Frau vor.

Zu Putin, Erdogan und Orban:

Woher rührt das Bedürfnis weiter Kreise nach starken Führerfiguren?

Man darf diese Politiker nicht in eine Reihe mit Trump stellen.

Orban hat zwar ein verqueres Geschichtsbild und ist einer, der andere ausgrenzt.

Putin ist bei weitem der gefährlichste und der faschistischste in dieser Aufzählung, unmittelbar auf ihn folgt Erdogan. Putin hat die Krim und im Donbass einen Nachbarstaat völkerrechtswidrig besetzt unter Verletzung der bestehenden Friedensordnung. In Syrien spielt er mit Assad den brutalsten Kriegsherrn, sogar Spitäler wurden bombardiert. Das Demonstrieren wollen eigener Stärke im Krieg gehört auch zum Faschismus.

Die kriegerische Tat dagegen fehlt bei Orban und bei Trump, wobei Letzterer auf massive Art verbale Gewalt einsetzt. Und diese ging bei faschistischen Führern der kriegerischen jeweils voraus.

Auch Hitler hat auch als Redner angefangen.

Ob es im Zweifel sinnvoll ist, dass Intellektuelle Trump trotzdem als Faschisten bezeichnen, um auf das Gefahrenpotenzial aufmerksam zu machen, ist fraglich. Weil dies Abwehrreflexe weckt, die schnell in Hass umschlagen können. Man sollte nicht ständig die Faschismus-Keule schwingen.

Zu den Zielen des Faschismus gehört auch ständig ein Klima der Polarisierung und Spaltung zu schaffen. Mit verbalen Attacken die Gegner zu Vaterlandsverrätern hochstilisiert, die erste Stufe von Faschismus. Die zweite ist dann, die Ausgrenzung mit Brutalität zu praktizieren, bei Mussolini war das mit dem Anzünden der Parteizentralen der Sozialisten und den Mordaktionen gegen sie der Fall.

Warum der Hass auf Intellektuelle?

Kulturbewusste Menschen, die sich auf intellektuelle Fragen einlassen, haben zwangsläufig eine gewisse Überheblichkeit, weil sie Banalitäten von sich weisen. Und wer viel weiss, neigt zur Rechthaberei. Da fühlen sich andere dann schnell einmal überfahren und werden anfällig für das "Intellektuellen-Bashing". Eine Mehrheit ist das in den USA jedoch keinesfalls.

Die Elite haben versagt, sie erreichen auch in Europa das "Fussvolk" nicht mehr!!!

Das ist für mich ein Faktum, auf das ich in über 10 Blogs immer wieder hinwies und mir sogar den Vorwurf eines "Elitenverfolgungswahnes" von einer Journalistin einbrachte.

Die Eliten unterschätzten die Ausstrahlung Trump und haben die Bodenhaftung völlig verloren. Auch die EU-Bürokraten in Brüssel. Man hat es nicht für möglich gehalten, dass er gewinnt. Hillary Clinton hat diese Leute nicht erreicht, auch Bernie Sanders wäre dies nicht gelungen, weil er ja auch eine andere Sprache spricht als die Leute im Herzen Amerikas.

Eine Gegenkultur zu dieser neuen Zeitenwende wird es nicht so schnell geben. Das Pendel in die Gegenrichting hat auch sein Beharrungsvermögen und die Massen sind dafür schwer mobilisierbar geworden.

Das Dauerbombardement von Aleppo interessiert die Leute wenig im Gegensatz zum Vietnamkrieg, wo es auch um den Tod tausender US-Soldaten ging.

Die Evolution kennt nicht die Gesetze der Aufklärung und Vernunft, weil sie ihre eigenen viel mächtigeren Gesetze hat, denen wir ausgeliefert bleiben. Klingt wenig optimistisch, aber die Natur hat Dank Evolution auch ihre schönen Seiten und eine phantastische Vielfalt - viel zu schön, um wahr zu sein. Daran sollten wir uns klammern und nicht an der Angst vor der Zukunft. Psychohygienisch ist es besser, nicht immer daran zu denken, was die Zukunft bringen wird, sondern seine Gedanken auf das "hier und jetzt" zu fokussieren und es geht uns im Vergleich zu früheren Zeiten immer noch sehr gut.

Ich bin zwar kein gläubiger Mensch, jedoch gäbe es ein Argument, womit man mich vom Gegenteil - nicht mehr jedoch von monotheistischen Religionen - überzeugen könnte, nämlich:

Jede Blume, jeder Schmetterling in seinen bunten Farben und der ganze Mikrokosmos, wenn man sich die Universumssendungen ansieht, weisen über sich hinaus, sie sind zu verschwenderisch

angelegt, um nur Selbstzweck zu sein. Jedoch auch der Glaube liefert uns keine Antwort auf dieses Geheimnis.

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