Zugegeben, wir sind gegenüber schlechten Nachrichten schon ziemlich abgehärtet. Sie sind halt da. Die Welt ist schlecht, aber solange wir davon verschont bleiben, ist das okay. Das Internet gab unserer emotionalen Abstumpfung einen zusätzlichen Schub, da wir heute erstens auf mehr schlechte Neuigkeiten treffen, zweitens besonders sensible Inhalte bis zu uns durchdringen, die vor dem digitalen Zeitalter wahrscheinlich durch die anderen Medien gefiltert worden wären.

Kaum etwas erregt unsere Gemüter dabei aber so sehr wie Gewalt gegen Hunde. Den täglichen menschlichen Toten widmen wir nicht einmal mehr ein Schulterzucken, denn sie gehören zur morgendlichen Frühstückszeitung wie das Spülen zum WC-Gang. Sobald sich Menschen jedoch gegen Hunde oder (Haus-)Tiere allgemein richten, drehen wir richtig durch. Dann gibt es in den sozialen Netzwerken Stürme der Entrüstung mit Todesdrohungen und Folterfantasien, bei denen man meinen könnte, dass unser zivilisiertes Alltagsverhalten nur ein hauchdünnes Kostüm über einem 500 Jahre jüngeren Entwicklungsschritt ist. Mit den mittelalterlichen Hetzkampagnen, die bei Tierquälereien entstehen, können sogar die Drohungen gegen Kinderschänder kaum mithalten.

Und ich kann es sowas von verstehen. Auch bei mir erhebt sich das Lüfterl, das bei Nachrichten über menschliche Tote mittlerweile leider bei einem Ohr rein und fast widerstandslos beim anderen wieder raus zieht, bei Gewalt gegen Hunde zum Tornado, der meinen Körper nicht verlassen will und meine Eingeweide zu verknoten scheint. Auch wenn ich ansonsten ein ziemlich gelassener Mensch bin, der alles zuerst rational analysieren will, bevor er reagiert. Aber genau das ist bei diesem Thema meistens unmöglich. Das geht natürlich nicht jedem Menschen so, aber wie sich in den sozialen Netzwerken zeigt, ist die überzogene Liebe zu Hunden weit verbreitet. Dies bestätigte z.B. der Fall in Betzdorf in diesem Jahr, als ein Tierquäler letztendlich sogar unter Polizeischutz gestellt werden musste, da er so viele Morddrohungen erhielt. Dies bestätigt u.a. auch die Existenz einer Seite wie doesthedogdie.com, bei der Hundeliebhaber vor dem Filmabend nachsehen können, ob sie im gewählten Film den Tod eines Hundes ertragen müssten. Denn auch im fiktionalen Film ist der Hundetod ein Tabuthema wie kein anderes.

Ich will gar nicht darüber philosophieren, warum uns gerade Gewalt gegen Hunde so schockiert. Wahrscheinlich hat es etwas mit Unschuld, Abhängigkeit und Unmündigkeit zu tun (mich würde eine Diskussion in den Kommentaren aber sehr interessieren!). Der Hauptgrund, warum ich dennoch zu diesem Thema schreiben muss, ist die Facebookseite Hunde raus aus Österreich, über die umiihoney bereits einen sehr guten Eintrag geschrieben hat. Ich halte diese Seite für absolut geniale Satire, die den Irrsinn der demagogischen Strategien gewisser Parteien und Gruppierungen wunderbar entlarvt, indem sie die rechtspopulistische Ausgrenzung der Ausländer einfach auf Hunde umlegt. Dabei stößt die Gruppe täglich auf enormen Gegenwind von Hundeliebhabern, deren Sympathie zu ihren Haustieren, wie oben beschrieben, so sehr ausgeprägt ist, dass sie nicht in der Lage sind, den satirischen Charakter sogar nach völlig absurden Postings zu erkennen. Aber genau dies gibt der Seite ihre Existenzberechtigung, denn nicht selten liest man Kommentare, dass Ausländer doch das größere Übel seien. Ich habe großen Respekt vor den Betreibern dieser Seite, die selbst bei diesen energischen Reaktionen bis auf wenige Ausnahmen kalt bleiben, nicht aufklären und User in ihrer emotionalen Blindheit gegen den satirischen Eisberg schrammen lassen. Der Kommentarfeed der Seite gehört bereits zu meinen täglichen virtuellen Pflichtbesuchen.

Hunde sind das beste Beispiel, wie willkürlich und irrational wir Menschen selektieren und unsere positiven Gefühle investieren. Auch wenn ich mich dessen gerade bei Hunden eindeutig selbstschuldig mache.

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