Geschosse wider den Einheitsbrei - Buchtipp zu Weihnachten

Der Titel sagt es: Es sind nicht Verbalmassagen auf Hashtagniveau und befindlichkeitsoptimierende Affekt-Knuddeleien, die den Leser erwarten. Der Autor, Philipp A. Mende, hält einer "in weiten Teilen gehirngewaschenen Nation" vielmehr die herrischen heischenden Normen eines Freien vor. Er kann es sich leisten und man nimmt es ihm ab: Der in Deutschland ausgebildete und heute an einer Privatschule in Beijing unterrichtende Lehrer war nicht immer frei. Wie auch? - jahrelanger "Bildungsgulag" der Staatschule haben wie bei jedem anderen ganze Arbeit geleistet und er hat den Prozess des Selbstausschlusses aus dem Hauptstrom der verordneten Meinungen auf den festen Grund Freiheit gewährender Vernunft und harter Fakten ausschliesslich sich selbst abgetrotzt und abgerungen. Keinem anderen. Selbstverschonung ist nicht.

Gerade diese Echtheit persönlicher Erfahrung ist es, was Mende und seine Botschaft vor allem Dogmatischen und Überheblichen schützt. Jede noch so harsche Aussage bleibt im Kern Anliegen, jeder Anwurf ein sich selber Wundreiben am Einfachsten und Elementarsten, das heute ein weiteres Mal in der deutschen Geschichte, als das Schwerste gilt und zu gelten hat: Dass der Mensch sich selbst gehöre. Nicht einer "Regierung", nicht dem "Wir", der Allgemeinheit und erst recht nicht dem Gott einer verqueren Dialektik des Guten, die nackt, bar von Kostümen und Parolen, sich als eine weitere Spielart des totalen Staats entpuppt. Die Deutschen, stellt er fest, sind in "weiten Teilen wohl das einzige 'Volk', das in jüngerer Vergangenheit nach einer braunen und einer roten Diktatur gegenwärtig auch noch " eine bunte Variante über sich ergehen zu lassen gewillt ist. "Wie oft noch?"

Das Buch, unterteilt in 24 Kapitel ("Zellen";), verschont weder Mensch, noch Meinungen. Egal, ob dabei der "Kampf gegen Rechts", der erwähnte "Bildungsgulag" der Staatschulen, als Judenhass bemäntelter Neid, die haltlose Anti-Utopie der Refugees-Welcome-Haltung oder die zukunfts- und wohlstandsverbröselnde Geldpolitik der Zentralbanken ins Kreuzfeuer der Argumente gerät. Trotzdem bleibt der Grundton unter einer auf Seite 316 zu findenden Kernaussage stets und durchgehend ein zutiefst menschlicher: Freiheit, Leute, kann immer nur genommen werden und nie gewährt. Ansonsten ist, was Ihr für Freiheit haltet und was man euch für solche verkauft, keine Freiheit.

Der Mut, der als einziges Argument ein "falsch" auf Lager hat, hat keinen Stand hier und wird als Mitläufertum entlarvt. Die "richtige" Haltung als der alte Habitus der Feigen. Vielfalt und Offenheit als leerer Konformismus und Furcht vor Ausschluss. Was heute als "Leistung" gilt, entpuppt sich als an der Oberfläche verbleibende Meinung und blosses Merkmal (Trans, Schwul, Anti). Alles zusammen ein hirn- und herzarretierendes Fest des Glaubens an das Wohlwollen eines in der Leere zwischen Tradition und Emanzipation Halt, Sicherheit und Freiheit gewährenden gottgleichen Staats. Das Ganze - und das ist eine weitere Stärke des Buchs und wird es zumindest in meinem Fall zu einem jener Bücher machen, die gleichsam auch Nachschlagwerke sind - untermauert mit einer Menge an Information, weiterführenden Verweisen, Buchtipps, Zitaten, Fakten und Zahlen, die ihres gleichen sucht.

Manchmal rettet sich Mende in Polemik und Zynismus. Natürlich! möchte man sagen. Wie anders, als mit einer robusten Einladung zum Streit kann man einer konsenssüchtigen Staatsrechtfertigungs-Gesellschaft begegnen? Wie anders als bellend und beissend eine sogenannte Vielfalt konfrontieren, die sich hinter Parolen von Buntheit und Diversity als ein Abgrund an Konformismus und meinungsmässigen Kriechertums entpuppt? Trotzdem wird Mende nie bitter und hadernd - nicht im Ton, nicht in Worten. Das Gegenteil ist der Fall - die existenzielle Opposition des Autors entlädt sich in Wortwitz, Schaffensfreude, Lebensliebe und einer absoluten Bejahung der Herausforderung der oft mit dem Ernst der Letztgültigkeit behafteten Fragen. Alles zusammen in einer bild- und geistreichen Sprache, von der man sich am Ende nur ungern trennt.

Die Behauptung ist gewagt - trotzdem sei sie hier aufgestellt: Wer für sich echte Offenheit, Vernunft und die Gültigkeit echter Vielfalt in Anspruch nimmt, wird durch dieses Buch bereichert. Und sei es nur durch das Bewusstsein des Glücks, zu sein. Frei, wenn er will. Unnormiert. Kein Konsument "gewährter Freiheit" als Trinkgeld sogenannter Demokratien. Weder Funktion noch Zweck für andere. Nur sich selbst gehörend. Stets Mensch. Nie Ratte. Ein Hoffnungsbuch.

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Philipp A. Mende

Philipp A. Mende bewertete diesen Eintrag 09.12.2017 03:23:08

vera.schmidt

vera.schmidt bewertete diesen Eintrag 07.12.2017 18:50:37

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