Wie hoch ist ihr Mindestpreis? - Zeit für Heugabeln und Fackeln

Um wie viel Geld würden Sie mindestens arbeiten gehen? Was wäre „Ihr“ Preis dafür, dass Sie sich einen Monat lang für irgendjemanden arbeitend betätigen? Ich habe es für mich durchgerechnet.

Man muss sich nicht jahrelang mit Volkswirtschaftslehre befasst haben, um derzeit zu merken, dass die Wirtschaftslage und -politik nicht gerade der Bringer sind. Österreich marschiert Richtung Rezession, die Hypo – respektive HETA – verbrennt nicht nur Steuergeld. Die bekanntlich nervösen Märkte kann das sehr stören. Vor allem, wenn das Bundesland Kärnten Pleite gehen würde. Ein Fall, mit dem sich bislang in Österreich treffender Weise auch niemand rechtlich auseinander gesetzt hat. Parallel wird über eine Steuerreform und mehr Verteilungsgerechtigkeit diskutiert. Was wiederum in höheren Steuern für die breite Masse resultieren kann oder einfach ein ziemlicher Bluffist. Alles in allem hoch komplexe Vorgänge, die am Ende des Tages eines gemein haben: Die Bedürfnisse der Bürger*innen werden hintan gestellt.

Bevor wir uns aber alle mit Heugabeln und brennenden Fackeln bewaffnen und auf die Straße gehen, um die zu unterstützen, die lange weitgehend als „Spinner und Verrückte“ abgetan wurden, wäre es doch intererssant, sich über eben jene Bedürfnisse Gedanken zu machen. Vor genau zwei Wochen habe ich in dem Beitrag „Wir dürfen Armut einfach nicht akzeptieren“ über Einkommen und Armut geschrieben. Die wichtigste Kennzahl ist 1.100 Euro – das sind 60 Prozent des Medianeinkommens und das definiert in Europa die Armutsgrenze. Mit diesem monatlichen Einkommen oder weniger muss nun rund eine halbe Million Menschen in Österreich auskommen. Hier würde ich ansetzen und fragen: Was will ICH eigentlich?

Denn in Wahrheit zäumen wir das Pferd in der Einkommensdebatte ja von der falschen Seite auf. Wir fragen derzeit danach, wie viel wir alle mehr bekommen können und wie das in der gegenwärtigen Wirtschaftslage funktionieren kann. Dabei wäre in meinen Augen eben der sinnvollere Ansatz, dass wir uns fragen sollten, was wir brauchen. Da sollte ganz unten angesetzt werden. Denn die entscheidende Frage ist ja im Endeffekt nicht, was der Durchschnitt oder der Median verdient. Sondern vielmehr, was das Minimum wäre, um das es sich lohnen würde, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen und nicht am Hungertuch zu nagen.

Schon hier möchte ich einhaken. Weil die Vollzeitbeschäftigung bei 38 oder 40 Stunden Wochenarbeitszeit ist zu viel, bedenkt man, dass es immer mehr Arbeitskräfte, aber nicht unendlich viel Arbeit gibt. Darum wäre ein erster Schritt auf jeden Fall, die Normarbeitszeit zu senken. Niemand wird 400.000 Arbeitsplätze allein in Österreich herzaubern. Allein eine Senkung auf 35 Wochenstundenwürde aber für mindestens ein Viertel der derzeit Arbeit Suchenden eine Stelle bedeuten. Bleiben wir also bei 35 Stunden Normarbeitszeit.

Wie viel ist das Leben nun wert? Ich bin auf eine Zahl zwischen 1.200 und 1.300 Euro bares Geld pro Monat gekommen, für eine Alleinstehende/-wohnende Person. Darin enthalten sind 400 Euro für die Monatsmiete/den Kredit. Ein weiterer Anteil, ums zu vereinfachen sagen wir 100 Euro, sind für Strom/Wasser sowie grundsätzliche Instandhaltungsarbeiten aufzuwenden. Weitere rund 100 Euro würde ich für Transportkosten, Telekommunikation und Information bereitstellen, also Öffikarte, Internet, Handy, GIS sowie Kontogebühren. Somit haben wir mit rund 600 Euro die Grundvoraussetzungen fürs Leben – ein Dach über'm Kopf, die Möglichkeit, zu kommunizieren und an relevante Informationen das Leben betreffend ran zu kommen.

Lebensmittel inklusive Basishygiene veranschlage ich mit groben 400 Euro. Das mag nun schnell viel klingen, aber es sind auf 30 Tage aufgedröselt auch nur 13 bis 14 Euro täglich. Es ist mein Erfahrungswert, darum kann man sich halbwegs gesund und regional ernähren; Hygieneartikel verbrauche ich nicht sonderlich viel, also denke ich, dass man damit gut auskommt. Die restlichen 200 – 300 Euro im Monat wären dann für Hobbies, Ausgehen, Kultur und Sonstiges veranschlagt, eventuell bleiben sogar noch 50 Euro übrig, um sie auf die Seite zu legen. Wer natürlich hier und dort etwas sparsamer ist, kann sich monatlich mehr zur Seite schaffen. Kombiniert mit 13. und 14. Gehalt gehen sich Urlaube, Geschenke und ein bisschen Luxus aus.

Diese rund 1.800 Euro brutto im gegenwärtigen Steuersystem sollen in meinen Augen unqualifizierten Hilfsarbeiter*innen zur Verfügung stehen. Keine Sorge, der Rest darf ruhig mehr bekommen. Und die Forderung nach diesen 1.800 Euro ist sogar noch 300 Euro über dem, was Kanzler Faymann einmal als Mindestlohn wollte (was letztlich eh nicht umgesetzt wurde). Des Weiteren bin ich dafür, dass Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht voll arbeiten gehen können, den Differenzbetrag vom Staat bekommen. Nicht vergessen darf man zudem, dass gemäß einer Umfrage auch Schulden für vor allem junge Menschen eher Regel als Ausnahme sind. Und wer gemäß SchuldenberatungSchulden hat, hat viel davon – im Schnitt gleich 28.000 Euro.

Wir müssen einfach das Minimum nach oben korrigieren – weltweit. In diesem Sinne sind meine Auflistungen auch relativ zu sehen und zeigen letztlich auch den Wahnsinn unseres Geldsystems. Was in Österreich knapp 830 Euro Mindestsicherung sind, ist ein paar Kilometer weiter in der Slowakei schon sehr viel Geld. Darum ist es sinnvoll, Mindesteinkommen Europa/weltweit in einer realen Kaufkraftparität zu sehen. Um es kurz verständlich zu machen: Eine 40 Quadratmeterwohnung in der Inneren Stadt ist um einiges teurer als in Simmering. Wenn wir hier also absolute Zahlen lesen, dann sollten wir sie relational sehen.

Eines ist auch klar: Wenn wir allen, vor allem den Milliarden Armen Menschen, ein würdevolles Leben bereiten wollen, müssen die, die das große Geld machen, „etwas wegnehmen“. Aber genau diese Ideale früherer Arbeiter*innenbewegungen sind verloren gegangen. Die Idee einer „living wage“, also einem Lebenseinkommen, ist freilich auch nicht meine. Nur ruhen sich die meisten Menschen gerne auf dem aus, was sie oder er haben. Das kann es aber wirklich nicht sein! Darum: Raus mit den Heugabeln und den brennenden Fackeln, lasst uns wieder für etwas kämpfen.

WAS IST IHR MINDESTEINKOMMEN?

8
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

Jürgen Heimlich

Jürgen Heimlich bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

Veronika Fischer

Veronika Fischer bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

Maria Ratzinger

Maria Ratzinger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

creatino

creatino bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

Susannah Winter

Susannah Winter bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

31 Kommentare

Mehr von Georg Sander