In den Sozial Media, und auch hier in diesem Blog, ist des Öfteren zu lesen, dass man sich bitte nichts vorschreiben lassen möchte. Man sei schließlich erwachsen, lasse sich von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden…Es hört sich ein bisschen an, wie das pubertäre Aufbegehren, das überall Bevormundung wittert und dann seiner Freiheit doch bloß in der Verweigerung Ausdruck verschafft.

„Wer sagt, dass ich zu Fremden freundlich sein muss?“

„Ich möchte den Müll nicht trennen. Die schütten ohnedies wieder alles zusammen.“

„Wie kannst du behaupten, dass Menschen mit Hochschulabschluss klüger sind, als Pflichtschulabsolventen? Es sind doch alle Menschen gleich.“

„Ich brauche keine EU. Ich war vor dem Beitritt glücklicher.“

Um nur einige, in diesem Forum gelesene, Beispiele wiederzugeben.

Die populistischen Parteien verkünden mit sichtlichem Stolz, dass sie nicht daran denken, ihre Wähler zu beeinflussen, oder gar zu erziehen. Nein, der Masse aufs Maul schauen und ihre Anliegen möglichst 1:1 umsetzen. Das ist die Devise und so gewinnt man die Stimmen. Und die sog. etablierten Parteien sehen nur neidvoll und ideenlos zu und bejammern den Schwund ihrer Wähler.

Auf die Frage, ob eine Partei mit mehr als 25 Prozent Wähleranteil, nicht doch auch Verantwortung für das politische Klima im Land habe und es etwa nicht hinnehmen könne, wenn unverhohlen gegen Ausländer gehetzt würde, oder die angeblich positiven Aspekte von Diktaturen gepriesen werden… auf eine solche Frage antworten deren Vertreter mit einem klaren Nein.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen der Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens mit sehr viel mehr Ehrgeiz verfolgt wurde als gerade jetzt, wo man den privaten Sendern mit seichtester Unterhaltung die Quoten abjagen möchte. Themen zum Nachdenken, nach 23 Uhr.

Selbst in Schulen scheint man zu übersehen, dass vor jeder detaillierten Lehrplanbeschreibung „allgemeine Bildungsziele“ formuliert sind, die u.a. festlegen, dass Schüler befähigt werden sollen, am öffentlichen Geschehen mitzuwirken, sich zu demokratischen Prinzipien zu bekennen und fremden Standpunkten mit Achtung und Toleranz gegenübertreten. ( Steht wirklich so drinnen - BGBL_II_Nr_106_2009_Anlage_2)

Und schließlich ist man doch auch bei der Erziehung der eigenen Kinder genötigt, mit ihnen über wichtige Grundsätze menschlichen Zusammenlebens zu sprechen und ihnen jene Werte zu vermitteln, die sie befähigen, sich in dieser Welt zu Recht zu finden.

Glaubt irgendjemand, das würde alles von allein geschehen? Das sind doch alles Anliegen und Ansichten, die sowohl jungen, als auch erwachsenen Menschen, mitgeteilt, erklärt und eingeübt werden müssen. Also auf der einen Seite die Verantwortung für die Mitteilung, auf der anderen Seite die Bereitschaft, sich damit aktiv auseinander zu setzen. So etwas nennt man halt lernen und es tut auch nicht weh.

Ich bin ein großer Freund aufgeklärten Denkens. Ich bin froh, dass den Aussagen von Kirchen und politischen Parteien nicht mehr widerspruchslos gefolgt wird. Ich habe mich ehrlich darum bemüht, meine Kinder zu weltoffenen, kritischen und selbstbewussten Menschen zu erziehen, aber ich habe sie eben erzogen. Weil ich der Meinung war, dass sie dieses Rüstzeug an Wissen, an Meinung und Haltung brauchen werden, um ihren Weg in der Gesellschaft zu finden.

Das alles hat im weitesten Sinn mit Lernen zu tun. Aber auch mit schulischer Bildung, mit dem Wunsch, Gesetze zu kennen und zu verstehen, Argumente zu hinterfragen, vielleicht aus der Geschichte zu lernen, möglichst nicht alle Fehler zu wiederholen, die schon andere gemacht haben. Was ist daran so schrecklich?

Nicht alle humanistischen Werte sind angeboren. Die Welt hat sich über das Naturrecht hinaus weiterentwickelt. Respekt und Toleranz, Liebe zu Musik und Theater, zu Literatur und Kunst müssen auch gelernt werden. Wenn möglich am guten Beispiel von Eltern und Verwandten. Meinetwegen auch, um sie später bewusst abzulehnen. Aber sich einfach nicht mehr damit auseinander zu setzen, jede andere als die eigene Meinung als Bevormundung zu betrachten, aus Trotz und hilflosem Aufbegehren populistische Schreihälse zu wählen, um es denen da oben einmal zu zeigen… das halte ich für einen sehr bequemen und ein wenig vertrottelten Weg.

Es gab eine Zeit, in der etwa die Arbeiterbewegung auf ihre Bildungsprogramme, auf ihre Bibliotheken und Stipendien stolz gewesen ist, in der politische Parteien Meinungen und Programme hatten, die von den Wählern gelesen und eingefordert wurden. „Es ist, wie es ist.“ Könnte man antworten, aber ich fürchte, dass man mit ein paar missverstandenen esoterischen Sprüchen nicht viel ändern wird. Wenn gute Manieren und Bildung wieder salonfähig werden, wird es den politischen Angstmachern schwer werden, verängstigte Mehrheiten hinter sich zu scharen.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 10.04.2016 21:58:21

sisterect

sisterect bewertete diesen Eintrag 10.04.2016 02:44:44

15 Kommentare

Mehr von Gerhard Novak