In meine Praxis als Mediator kommen immer wieder Familien, bei welchen der Haussegen so schief hängt, dass alles zu zerbrechen droht. Leider kommen die Menschen da meist erst dann, wenn bereits viele Verletzungen passiert sind, die es schier unvorstellbar erscheinen lassen, dass je wieder jene Harmonie und Geborgenheit gefunden werden kann, die man eigentlich von einer Familie erhofft. Viele für sich allein gesehen Kleinigkeiten haben sich zu einer großen dunklen Wolke über dem gemeinsamen Glück formiert. Früher oder später gilt es daher, sich zu entscheiden: will man die Düsterheit hinnehmen und hoffen, dass der Blitz möglichst bald dort einschlägt, wo man die Ursache sieht, oder beschließt man, die Wolken gemeinsam wegzuschieben, um die dahinter unverändert scheinende Sonne gemeinsam genießen zu können?

Eine Episode, welche immer wieder Anlass für Streit und meist unausgesprochene gegenseitige Vorwürfe ist, ist jene, dass die Schwiegertochter nach der Geburt eines Kindes beschließt, wieder in den Beruf zurückzukehren. Da kann es passieren, dass die Schwiegermutter dies mit den Worten kommentiert: „Darauf habe ich damals verzichtet, damit immer jemand zu Hause ist, wenn die Kinder aus der Schule kommen.“

Zur Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum Wunsch vieler Frauen, nicht lediglich als Mutter, sondern auch als eigenständige Frau wahrgenommen zu werden und sich gleichberechtigt verwirklichen zu können, hat sich in den letzten Jahrzehnten doch einiges getan. Das, wofür die Schwiegermutter vielleicht sogar selbst auf die Barrikaden gestiegen ist Ende der 60er des vorigen Jahrhunderts, ist zunehmend Realität geworden: Mann und Frau sind zunehmend gleichberechtigt, haben sich Aufgaben der Kinderbetreuung, des Haushalts und auch der Erarbeitung der wirtschaftlichen Existenz nach ihren Vorstellungen möglichst gerecht aufzuteilen. Dinge, für die lange Zeit gekämpft wurde, werden Realität – und bringen dabei vollkommen andere Herausforderungen. Herausforderungen, zu welchen die Schwiegermutter oft noch über kaum praktische Erfahrung verfügt. Zu welchen sie daher die Welt nicht versteht wie es sehr leicht passieren kann, wenn etwas, wovon man viel zu lange Zeit nur träumen konnte, plötzlich Realität wird und sich ganz anders anspürt, als man es sich ausgemalt hat.

Im Wissen, dass es auch als Hausfrau und Mutter enorm herausfordernd war, allen Bedürfnissen innerhalb der Familie gerecht zu werden, ist es vielleicht für die Schwiegermutter schier unvorstellbar, dass da niemand zu kurz kommt, wenn auch Frau ihre Selbstbestätigung im Beruf sucht und dabei nicht nur für ein besseres Haushaltsbudget sorgt, sondern auch ihre Eigenständigkeit pflegt. Dazu kommt oft der Wunsch, einfach gesehen zu werden von der Schwiegertochter als das, was man gerne sein will: der Mensch, der es gut meint und gerne Wissen und Erfahrung weitergeben möchte – unterstützen will, um sich wertvoll zu fühlen und nicht überflüssig und abgestellt.

Gespräche darüber sind daher meist von gegenseitigem Unverständnis geprägt. Ist die Situation zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter vielleicht ohnehin schon angespannt, dann wird daraus daher rasch eine höchst explosive Mischung: rasch wird aus dem Gegenüber das personifizierte Hemmnis von Emanzipation beziehungsweise das Schulbuchbeispiel einer Rabenmutter. Obwohl beide sich einfach nach Anerkennung, Gebrauchtwerden und harmonischem Familienglück sehen, setzen sie nun viel zu oft Handlungen, welche genau das Gegenteil heraufbeschwören - und natürlich wird da auch gleich das gesamte soziale Umfeld dazu aufgerufen, Farbe zu bekennen, auf welcher Seite man nun gegen die anderen mitkämpfen möchte. Am schlimmsten ist dies für die Partner der beiden Kontrahentinnen, denen hier nicht viele Möglichkeiten gelassen werden als am Riss quer durch die Großfamilie mitzuwirken und sich gefälligst auf eine Seite zu stellen - die “richtige” natürlich. Da dann wieder zurückzufinden zu einem wertschätzenden Miteinander ist äußerst herausfordernd.

Wie kann dem begegnet werden? Einfach gegenseitig zuhören. Und Fragen stellen: Wie war das früher? Wie hat man das finanziell geschafft, wie hat man auch darauf geachtet, nicht „bloß“ als Mutter und Hausfrau gesehen zu werden? Was hat sich seither verändert? Wie sieht das heute aus mit den finanziellen Herausforderungen, mit dem Rollenbild der Frau in der Gesellschaft, mit dem Wunsch, sich auch selbst verwirklichen zu können und für die eigene Pension einmal ansparen zu müssen in Zeiten, in welchen das staatliche Pensionssystem zunehmend hinterfragt wird. Je mehr es gelingt, auf der sachlichen Ebene zu bleiben und einander zuzuhören, welche Ideen man hat, damit umzugehen, desto leichter wird es fallen, wertschätzend zu bleiben. Und wer weiß: vielleicht ist es dann ja auch die Schwiegermutter, welche dabei unterstützen kann, Beruf und Familie zu vereinen – etwa durch das Abholen vom Kindergarten, wenn es mal später wird in der Arbeit … Eine Sorge weniger für die Eltern, eine Bereicherung für die Schwiegermutter, welche die Zeit mit dem Enkelkind genießen kann und eine wichtige Rolle zugedacht bekommt und wertvolle Erfahrungen für das Kind, welches auch von Großeltern viel lernen kann.

Win-Win-Situationen statt kurzfristiges Verlieren und Gewinnen zu begünstigen ist eine der Stärken von Mediation. Wer mehr darüber wissen will, kann sich auf meiner Homepage informieren, es selbst einmal ausprobieren und einen Termin vereinbaren oder auch eines meiner Bücher dazu lesen.

Genießen Sie Familie bereits oder braucht es da noch Änderungen?

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FraMoS

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Spinnchen

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liberty

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