Heiteres Beruferaten oder: was läuft hier falsch?

Frau B. hat einen verantwortungsvollen Job. Wobei man, wie bei den meistens Jobs, nur einen Teil ihrer vielfältigen Aufgaben beobachten kann. So zum Beispiel an den Tagen, an denen regelmäßig weit mehr als hundert Leute auf den Sesseln gegenüber von ihrem Schreibtisch sitzen: sie - oder einer ihrer Mitarbeiter - nimmt dann Anmeldungen entgegen. Klingt nach Stress. Aber um das zu bewältigen, gibt es ein genaues Regelwerk: sie erstellt gemeinsam mit ihren Mitarbeitern enstprechend der Reihenfolge der Anmeldungen eine Liste und zu Zwecken der Transparenz macht sie diese auch öffentlich zugänglich. So weiß jeder, wann er drankommt. Und auch die anderen können sich darauf einstellen. Die meisten haben ohnehin viel Lesestoff und ihr Laptop mit, um sich offenbar so die erwartete Wartezeit zu vertreiben.

Manche berufen sich bei der Anmeldung ihres Begehrs auf eine Dringlichkeit. Das wird dann natürlich berücksichtigt, wobei auch darüber genau Buch geführt wird, damit nicht immer dieselben die besondere Aufmerksamkeit bekommen - und auch nicht zuviele am selben Tag. Sonst verlangt das ja jeder.

Es zählt auch zu den Aufgaben von Frau B., für Ordnung zu sorgen. Nicht nur, dass sich jeder daran zu halten hat, dass er darauf wartet, bis er aufgerufen wird. Nein, sie überwacht zum Beispiel auch mit einem gestrengen Blick auf die Uhr, die sie für jeden stellt, dass niemand seine Zeit überzieht. Ordnung muss sein und die anderen wollen ja auch noch drankommen. Und wenn sich da jemand nicht daran hält, dann setzt es einen Ordnungsruf und notfalls auch härtere Maßnahmen. Auch bei Ausfälligkeiten ist sie unerbittlich und schreitet regelmäßig ein - denn die Würde muss gewahrt werden.

Es ist übrigens oftmals sehr unterhaltsam, was Frau B. da an Gesprächen mitbekommt. Dabei gehts ja eigentlich um sehr ernste und wichtige Sachen. Aber Unterhaltungen über Kaffeehäferl, die einem aus der Hand fallen, über die Zeitungsüberschriften der letzten Wochen und die Frage, ob einem Haifisch eigentlich Zähne gezogen werden können, lassen anderes vermuten. Kann alles auch nachgelesen werden, denn Frau B. hat - auch hier ist sie sehr für Transparenz - entsprechend dem Regelwerk dafür Vorsorge getroffen, dass alle Unterhaltungen mitprotokolliert und dann veröffentlicht werden.

Hand aufs Herz: wer würde bei dieser Beschreibung an die Tätigkeit der im Range zweitwichtigsten Frau unserer Republik denken? Wer käme da anstelle der Assoziation mit den Vorgängen im Wartebereich eines Zahnarztes sofort darauf, dass hier ein Teil der beobachtbaren Vorgänge während einer Nationalratssitzung in unserem Parlament beschrieben wird? Ein Teil des Ablaufes, der zur Beschlussfassung über Gesetze führt, welche unseren Alltag massiv betreffen können?

In unserer Demokratie hat das Parlament eine ganz zentrale Aufgabe. Es ist zuständig dafür, eine Rechtsordnung zu schaffen, welche von uns im Optimalfall als gerecht empfunden wird und damit das friedliche Miteinander sichert. Es soll Grenzen beschließen, damit jedes Individuum seine Fähigkeiten und Bedürfnisse in höchstmöglicher Freiheit und Sicherheit ausleben kann. Ein unbedarfter Blick auf die im Fernsehen life übertragenen Sitzungen kann da aber rasch als Bestätigung dessen verstanden werden, was immer mehr Menschen davon Abstand nehmen lässt, sich an Wahlen zu beteiligen: "So geht das nicht weiter!"

In meinem Buch "Politische Machtspiele - Schlachtfeld oder Chance" werden weitere Einblicke in das Wesen unserer Demokratie aus verschiedenen Perspektiven geboten. Es wird dabei auch nicht auf einige praktische Beispiele, Anregungen zum Nachdenken und Vorschläge, es besser zu machen, verzichtet. Viel Spaß beim Lesen und uns allen: hoffentlich gutes Gelingen bei der Umsetzung!

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Claudia Braunstein

Claudia Braunstein bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:57

Silvia Jelincic

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WasMichBewegt

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fischundfleisch

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Hansjuergen Gaugl

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