Experimente mit Kollektivem Entscheiden: Kollektives Wohnen und Arbeiten

1.Beispiel SARGFABRIK: In Wikipedia findet sich dazu eingangs folgende Darstellung: "Im Herbst 1986 fanden sich rund 30 Menschen in Wien zusammen, die mit dem zu teuren und auf Kleinfamilien ausgerichteten Wohnungsmarkt unzufrieden waren. Um ihre Vorstellungen von einem gemeinschaftlichen Wohnungsverband, der verschiedenen Lebensmodellen und kulturellen Möglichkeiten Platz bieten würde, zu verwirklichen, gründeten sie den Verein für Integrative Lebensgestaltung – VIL (bis April 1988 mit dem vorangestellten Beinamen Utopisches Zentrum). Zu den gemeinsam ausdiskutierten Wünschen zählten beispielsweise Gemeinschaftsräume, die aufgrund hochwertiger Ausstattung tatsächlich für das Miteinander genutzt werden, sowie deren teilweise Öffnung für die übrige Bevölkerung des Bezirkes und der Stadt, flexibel gestaltbare Wohneinheiten und eine Durchmischung der Bewohner in jeder Hinsicht (Alter, Kultur, Lebensform etc.), dabei sollten auch behinderte und sozial benachteiligte Menschen integriert werden. Ebenso waren eine rollstuhlgerechte Bauweise und die Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte von Anfang an vorgesehen. Nachdem sich kein geeigneter Bauträger finden ließ, übernahm der VIL selbst die Funktion des Bauherrn. In dieser Rolle arbeitete der Verein eng mit den Architekten Franz Sumnitsch und Johnny Winter vom Architekturbüro BKK-2 zusammen.[1][2]... Kauf des Gebäudes 1989, Baubeginn 1992, Beziehen der ersten Wohnungen 1996" (Ende der Angaben aus Wikipedia).

2. Aus persönlichen Berichten geht hervor, dass der schwierigste und heikelste Teil jener "von der Idee und dem Zusammenfinden der Interessierten (danach Vereinsgründung) 1986 bis zum Kauf (1989, Baubeginn 1994) war": Drei (bis Kauf) und insgesamt acht Jahre (bis Baubeginn) Jahre musste also kollektiv debattiert werden, um zu Entscheidungen zu kommen, die eine Realisierung der Grundidee möglich machte. - Wie ich von dem schließlich gewählten Geschäftsführer hörte, waren diese anfänglichen "kollektiven Debatten" sehr "nervenzehrend und nächteverschlingend". Eine einfache Mehrheit innerhalb der 30 würde ja - vor dem Kauf - evtl. die Minderheit aus dem Projekt vertreiben, - was dann: Mit der neuen Situation von vorne zu debattieren anfangen oder... Das Vorhaben "alle inklusive in die Planung einzubeziehen" zwang bzw. zwänge zu immer mehr Kompromissen, - aber wer fühlte sich dann noch "mit Herz und Seele" in solch einem riskanten Kauf (und damit die Investition seiner Ersparnisse) dabei...- Kurz, nach 3 Jahren (86-89) wählte man eine Person als Geschäftsführer des Vereins und noch den reichlich angeschnittenen Grundvorstellungen hatte er eine Art "Mandat" die Umsetzung anzugehen und durchzuziehen, was dann auch gelang. - Nun seit Eröffnung ist - soweit ich sehe und höre - ein recht erfolgreiches Projekt mit zahlreichen Wohnungen und einem "Kulturraum", in dem auch öffentlich zugängliche Veranstaltungen und eine Art Badeanstalt gegen Eintrittsbeitrag zugänglich sind.

3. Zum Vergleich: In Hamburg - so eine Zeitung, die darüber vor einigen Jahren berichtete - wurde zur Probe der Leistungsfähigkeit des Baugewerbes unter Presseaufsicht gezeigt, wie ein mehrstöckiges Wohnhaus von Freitag (Fundamentaushebung) bis nächsten Montag Mittag (alles bezugsfertig mit etlichen funktionierenden Wohnungen) aufgestellt werden konnte.

4. Die vielen hunderten Stunden Vordebatte der späteren Mieter im Projekt "Sargfabrik" - um zur Kauf- und Ausgestaltungsentscheidung zu kommen, muss man also als Lernexperiment werten und darf dafür keinen Stundensatz ansetzen, um auch kostenmäßig überhaupt einen Vergleich mit Normalbauten anstellen zu können.

5. In der Steiermark wurde eine Bierfass-Erzeugungsfabrik mit etwa 50 Mitarbeitern (großteils Facharbeiter mit Erfahrung) im Zuge der Auflösung etlicher "verstaatlichter Betriebe" zum Management-Buy-out den Arbeitern zum gemeinsamen Eigentum angeboten, gleichsam gratis (um 1,- öS pro Anteil). Nach etwa einem Vierteljahr mit viel Betriebsversammlungen der Mitarbeiter mit diversen Experten wurde jede Teilhabe seitens der Mitarbeiter abgelehnt! Sie wollten als Teilhaber - in welcher juristischen Form auch immer - nicht an den eventuellen "Verlusten des Unternehmens" teilhaben. (Sie wollten einen angemessenen Festgehalt, möglichst inflationsgesichert und kein Kopfzerbrechen über Aufträge, Geschäftsfelder, strategische Beobachtung des Marktes etc.) ... Die Anlage wurde schließlich von einem belgischen einschlägigen Konzern mit Mann und Maus aufgekauft, und somit der Akt geschlossen.

6. Zum Vergleich: In den USA schwärmt in vielen Vorträgen (z.B.in St.Louis/USA) Ökon.-Prof. Richard WOLFF von den in Europa existierenden KOOPERATIVEN (Musterbeispiel: Kooperative MONDRAGON in Spanien, die bereits auf 100.000 Mitarbeiter angewachsen sein soll, und wo - so Prof. WOLFF - die Entscheidungen "demokratisch" getroffen werden). Er propagiert daher für solche "demokratische Kooperativen" - als dem Kern eines "Sozialismus im 21. Jh."

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

2 Kommentare

Mehr von Hans.Winterbach@outlook.com