Kirsten DUNST brilliert in der Rolle der Marie Antoinette (1755-93) in dem gleichnamigen Film von Sofia COPPOLA. Der Film ist ein kaum zu übertreffendes Film“oeuvre“, so reich an barocker Schönheit, ja Opulenz - in der Beschreibung des Milieus am französischen Hofe vor der französischen Revolution. Alle Manieren und Allüren des Barock „herausspielend“, – alle auf die Spitze getreibend. Aber die Protagonisten – also die Figuren, die dargestellt werden als Hofdamen, als Botschafter, als Dauphin, … merken es nicht, oder nur zum Teil (so wie wir unser Modetrends nicht merken wenn sie da sind, - eben erst rückschauend…) – Geschichte rollt in dem Film buchstäblich vor den eigenen Augen ab, es kann nicht anders sein als es läuft… – so spürt man es durch die Vielzahl der Szenen und Bilder: Sofia COPPOLA gelingt es dies einzufangen…

Ein überwältigendes Kunstwerk, das „Geschichte“ deutlich macht, deutlich wie es besser kaum vorstellbar ist (vielleicht könnte man die Länge 123 Min. beanstanden)… Aber die Leute des beginnenden 21. Jhs. sehen sich dies einfach nicht an, 40 Leute waren im Gartenbaukino, und auch beim Start 2006 war der so „reiche Film“ (reich an allem: Bedeutung, Geschichtsdeutung, Barock…) – sicher auch schwer und teuer herzustellen – kein Kassenerfolg. (Leute gehen in großer Zahl und wiederholt heute – 2000ff – eher in „Fast and Furious“, – wie es für die neoliberale Idiotie der Verschwendung maßgeschneidert ist.)

Kisten DUNST spielt überzeugend, und das mit Leichtigkeit, – so wirkt es; es scheint ihr ja auch wie auf den Leib geschrieben … sie kann es, weil sie es versteht, evtl. wie Marie Antoinette es auch schon verstanden hatte (die Allianz der Habsburger mit Frankreich wird eben nur durch einen französisch–österreichischen Prinzen als Thronfolger Frankreichs zusammengehalten: Sex als Muß-Übung, buchstäblich unter den Augen der neugierig-geschwätzigen Höflinge und -innen) … Die Österreicherin auf „Himmelbettmission“ ist auch gnädig und geduldig gegenüber den Tölpel von Ludwig den XVI., und all den Hofzeremoniellen, – und die dauermaskierenten Barockfiguren, die wie Marionetten in ihre Rollen hineingewachsen waren, … eben Kinder ihrer Zeit (eine Zeit, die – wie jede Zeit jeweils meint – es könnte ja gar nicht anders sein, ja es sei der letzte Höhepunkt der Geschichte…).

Kaum je ist jemand mit Bewusstsein seiner/ihrer selbst ausgestattet, noch können sie – sichtbar gemacht – das Historische ihrer Zeit begreifen... Und es kam, wie es bei der rasanten Überspitzung des des damals realen Zeitgeistes kommen musste, – für einen Hof, übervoll mit Puppen des Barock... – Bis es eben am Schafott endete, aber auch das schien sie – die letzte Königin von Frankreich – langmütig hinzunehmen, wie alles andere, wo sie doch immer einfache Wege parat hatte, die aber jeweils höfisch-höflich am Hofe unterbunden wurden, unterbunden wurden …

So ist Geschichte als Kunst aufgezeichnet, meisterlich in allen Einstellungen, im Drehbuch, faszinierend in der Ästhetik der vielen Details, – wo man lernen kann, von innen eine Zeit zu sehen (– ja natürlich, es musste so sein, wenn man einmal die Versailler Kultur akzeptiert hatte …). Man lernt wie die Schwäche der Person an der letzten Spitze – Ludwig der XVI. als letzter König von Frankreich – schicksalhaft Unheil bringt (sein Vater Ludwig der XV. vertrödelte seine Zeit mit der Mätresse Marquise de Pompadour, dann der Madame du Barry – aber noch lief das „Franzenland“ wie von selbst…).; … man begreift den Lauf der Zeit, die Hierarchie, die wachsende Kluft zum Volk, die Europäischen Zwänge der Allianzpolitik … Marie Antoinette schien dies alles immer mehr zu begreifen (– im Film zumindest), als sie sich nach einigen praktischen Versuchen lächelnd in die Manieren-Spirale am Hofe fügte (den Briefen der besorgten Mutter – Maria Theresia von Österreich – folgend). Weil es der einzige Weg schien, in vollendeter Contenance die Monate, die Zwänge, die subtilen Druckmechanismen, die Degeneration von Versailles, zu leben.

Ein Versailles, das eben so geworden ist, und eben ohne einen Ludwig den XIV. nicht mehr in dieser Form existieren konnte, weil es nur mit diesen an der Spitze regierungsfähig war; – ein großes Paar Schuhe hinterlassend hat Ludwig der XIV. Frankreich auf den Höhepunkte seiner Selbstdarstellung getrieben. Aber ohne einen dementsprechenden Dirigenten musste dies eben verkommen… wie ein Riesenschiff mit einem zu kleinen Kapitän… An dem damals auch eine kluge Frau wie Marie Antoinette an der Seite dieses kleinen Kapitäns beim besten Willen nichts ändern konnte. Nichts. (Gar nicht so lange her - vor "Chemnitz"; und welch ein Sprung.) ###

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