Er sitzt an der Theke einer ihm eigentlich unbekannten Bar, und trinkt ein kleines Bier. Es befinden sich noch einige Personen im Lokal, doch er registriert sie nicht. Er sieht sein Gesicht im Spiegel hinter der Bar, und denkt sich , “Wer bin ich und nach was suche ich eigentlich?“

Kennen Sie dieses Gefühl der inneren Traurigkeit, der Traurigkeit der verlorenen Gefühle? Irgendwie hat man irgendwann etwas verloren, doch was war es, was war es, was ist es das uns manchmal so einsam und traurig macht? Eines ist gewiss, es ist nicht das Sterben, sondern es ist das nicht mehr berühren können, eines Menschen, eines Wesens, ein Bild, das man in der Seele mit sich trägt. Gerade war noch alles irgendwie in Ordnung, das Leben ging seinen Weg, was will man sich auch erwarten. Da draußen vor der Tür, da ist der Winter, es schneit, und es weht ein eisiger Wind.

Eine gerade verschneite einsame Straße führte ihn genau hierher in diese Bar. Er hatte den Kragen seines Mantels hochgeschlagen. Wenige Menschen waren zu sehen. Es gab einige Seitengassen, in denen verschwanden einige, andere wieder gingen wie er einsam geradeaus weiter. Wie das Leben, dachte er sich. Da ist die breite große Straße, man begegnet sich, sieht sich kurz an, und verschwindet dann in irgendeiner der Seitengassen. Was war da gewesen? Jetzt spürte er dieses Gefühl wieder, irgendetwas hatte er verloren, war in einer dieser Seitengassen für immer verschwunden. Noch sah er dieses Gesicht, die schwarzen großen Augen, den leicht geöffneten Mund, mit den sanft geschwungenen Lippen. Wer bist du, wieso bist du gegangen? Wir waren doch das Leben. Wie lange haben wir uns gesucht, in den vielen Jahrtausenden im unendlichen Universums. Du hast mir gesagt, dass du eine alte Seele bist, eine Seele, die schon lange wandert von einer Dimension in die andere. Ich habe nur leise gelacht darüber, doch ich war glücklich, weil ich spürte, das du da bist.

Es ist nicht das Sterben, das mich traurig macht, sondern, dass nicht mehr berühren können. Er bestellt sich noch ein kleines Bier, und starrt sein Gesicht weiter im Spiegel an. Was für verrückte Gedanken, was für ein verrücktes Leben, das wir leben. Immer diese Suche, das niemals ankommen, und das Gefühl, dass eigentlich etwas war, das man wieder verloren hatte. Wie sinnlos dieses Hasten, dieses sinnlose besitzen wollen, dieses verletzen, diese unendliche Traurigkeit, die in der Seele brennt wie Feuer. Er sitzt da und zündet sich eine Zigarette an, und versucht sein Selbstmitleid in den Griff zu bekommen.

Wer hat gesagt, dass man das Glück finden kann, wer hat gesagt was Liebe, was Zärtlichkeit und Verlangen für dein Herz bedeuten können, wenn du das alles findest. Es liegt an dir, haben sie gesagt. Doch ist es wirklich so Vielleicht machen wir uns nur etwas vor? Er zahlt, zieht seinen Mantel an, und geht hinaus, hinaus in die kalte Winternacht.

Er geht nach Hause, was man auch immer darunter verstehen mag. Ihm fällt das Märchen von dem Mädchen mit den Streichhölzern ein. Niemand kauft ihr ein Streichholz ab, es ist kalt. So zündet sie sich an, um sich zu wärmen. Die Menschen gehen achtlos an ihr vorbei, ohne ihre Not zu bemerken. So gleitet sie hinüber von der Kälte in ein warmes zartes Licht. Wie achtlos, wie kalt kann doch das Leben sein. Jetzt ist er daheim angekommen. Es ist warm, und hell und man erwartet ihn. Was für Gedanken, wo war ich nur gewesen, habe ich geträumt, dachte er sich? Aber da war doch dieses Wesen, das ich verloren hatte, irgendwann, es ist schon so lange her. Es ist nicht das Sterben, es ist das nicht mehr berühren können. Und jetzt wusste er es, das war sie, die Liebe zweier Seelen, die sich irgendwann wieder in der Unendlichkeit des Universums wiederfinden werden. Es ist nur eine Geschichte, doch es könnte so gewesen sein.

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Silvia Jelincic

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