Vor Jahren wurde ich bei einer Podiumsdiskussion gefragt, wie es mit Österreich wirtschaftlich weiter gehen könnte. Mehr aus Jux und Tollerei schlug ich spontan vor: Wir machen gar nix mehr, außer unsere Umwelt zu pflegen und eine Senioren-Residenz nach der anderen zu bauen! In 15 Jahren liegen dann die ersten fünf Millionen russischen, indischen und chinesischen Millionäre in unseren Betten und werden von 500.000 ausländischen Pflegekräften betreut. Wir stellen lediglich die Infrastruktur bereit. Weil, die Wohlhabenden sind ja so viele und wir nur sehr wenige... Unsere Kundschaft will nicht in einem staatlichen Bunker in Sibirien die letzten Lebensjahre verbringen; auch nicht geschlichtet in einem Bettenturm in Singapur. Die Wüste Gobi mutet auch nicht wirtlich an. Statt dessen bieten ein Blick über die Almwiesen und das beruhigende Läuten der Kuhglocken eine unvergleichliche Lebens-End-Alternative.

Damals war mir noch nicht klar, dass die Pflegenden ohne weiteres Asylsuchende sein könnten und ich hatte noch keine Idee davon, dass im Vorjahr allein in Hallstatt 600.000 ChinesInnen zur Besichtigung des echten Seedorfes kamen, nachdem sie dessen Kopie in China gesehen hatten. Heuer werden es 750.000 sein und nächstes Jahr 1 Million! Der Fleischhauer dort verkauft eine halbe Million Wurstsemmeln und alle sitzen mit geblähten Nasenflügeln am See, um reine Luft zu atmen, was in Peking nicht mehr möglich sein wird. Was damals als spassige Provokation gemeint war, könnte bald Wirklichkeit werden. Angeblich plant man in China als nächstes die Innenstadt von Innsbruck zu kopieren!? Dann vervierfacht sich das touristische Volumen wahrscheinlich. Österreich schafft so recht flott soviele Arbeitsplätze, dass alle Arbeit Suchenden des Landes unter kommen. Falls sie pflegen wollen!?

Unsere Wirtschaftsdelegationen, um die uns Deutschland seit langem beneidet, könnten also schon mit der Bewerbung und Registrierung von älteren Reichen beginnen. Das wäre ein kreativer Schritt von der gefürchteten Willkommens- hin zur allseits beliebten Einladungs-Kultur! Wir schnappen uns die reichsten Geldsäcke der Welt und pflegen sie in alpenländischer Gemütlichkeit bis zum glücklichen Ende.

Natürlich ist die Vision von einem Wirtschaftspsychologen wie mir nur ein bescheidener Denkansatz von vielen anderen, viel versprechenden Arbeitsplatz-Optionen. Es ist an der Zeit, mit einem allseits akzeptierten "Naturgesetz" aufzuräumen, das sowohl die Politik als auch die Wirtschaft durchdringt: dass nämlich die Anzahl von Betätigungsplätzen limitiert ist. Ganz sicher erodiert die Arbeitswelt von gestern und heute. Mein Buch von 2002 "Das Ende der Massenmenschhaltung" war zwar ein Flop, aber die Vision von damals realisiert sich eben. Vollzeit-Jobs lösen sich auf in Projekt-Nomadentum, Teilzeit- und Mac-Jobs, Leihpersonal, neue Selbständigkeit, prekären Beschäftigungsverhältnissen usw. Die Arbeitslosigkeit wird steigen und der Trend scheint unumkehrbar. Aber selbst wenn sich unsere Arbeitswelt komplett auflösen sollte und die meisten von der Mindestsicherung leben: zu tun haben wir in dieser Welt genug! Lohn-Arbeit war sowieso eine schlechte Erfindung. Hat sich seit der Leibeigenen- und Sklavenhaltung auch nur 250 Jahre gehalten... Arbeiten will doch niemand der Generation Y, aber sinnvoll tätig sein - das schon! "Nie wieder Arbeit!" schrieb schon Reinhard P. Gruber in einem lustigen Buch.

Wie werden Arbeitsplätze vernichtet und wie neue generiert? Spanien ist da ein gutes Beispiel für Ersteres! Dort gab es im Wesentlichen drei Berufsbilder: Erntehilfe, Bau-Industrie und Tourismus. Die Tomaten und Orangen werden von den billigen Kräften aus dem Maghreb gepflückt: nicht attraktiv für stolze spanische Hände. Der Tourismus wurde vom Hotel-Bau ruiniert. Jetzt, wo die ganze Küste durch einen Beton-Zunami zugepflastert ist, will niemand mehr hin und es sind auch beide Berufs-Zweige kaputt. Ganz anders in Estland: Da hat sich Wirtschaft und Politik vor Jahren umgeschaut, wie man so ein uninteressantes Land am Ende der Welt wirtschaftlich stabil machen könnte. Der Plan war, auf Software-Produktion zu setzen. Auf eine Branche, die zukunftssicher und ortsunabhängig ist. Nun gibt es dort hunderte junge Start-Ups und das Land floriert. Estland hat seine Bestimmung gefunden.

In Österreich existiert nach wie vor kein strategischer Zukunftsplan. Unser trübes Bildungssystem bildet trotz hoher Kosten Jugendliche aus, die nur schwach rechnen, lesen und schreiben können. Es gibt nicht einmal eine funktionierende Berufsberatung! Ein starkes Sinnlosigkeits-Gefühl breitet sich unter den arbeitslosen Jugendlichen aus.

Und dabei wäre es wirklich keine Hexerei, einen erfolgsträchtigen Masterplan für Österreich zu entwickeln. Jede auch nur mittelmäßig erfolgreiche Firma investiert in die Sinnfindung, arbeitet am "Purpose", am Zweck. Die Frage: Wozu das Ganze? ist Basis für jede Organisation, sei es ein Unternehmen, ein Verein oder das Gemeinwesen. Es müssen sich nur zehn, zwanzig öffentliche und private Denkende zusammen finden und visionär etwas Hirnschmalz investieren, um Lösungsoptionen zu entwickeln. Die Pläne müssten dann allerdings auch zügig umgesetzt werden. Wir alle sind in der Lage, die Zukunft vorher zu sehen. Jede/r verfügt über Puzzle-Steine der Vorausschau, aus der wir uns entwerfen, ja entwickeln. Viele solche kleine Stückchen ergeben ein zwar unscharfes Bild davon, was uns bevor steht. Diese Techniken sind zur Genüge bekannt und werden von erfolgreichen Betrieben periodisch angewandt. Nur im öffentlichen Raum wenden wir all diese wunderbaren Management-Instrumente nicht an. Wenn solche Routinen vor zwanzig Jahren eingesetzt worden wären, so hätten wir gesehen, dass es heute etwa einen riesigen Bedarf an technischen Personal geben wird. Ohne Plan besinnungslos im Nebel voran zu schreiten: das geht nicht gut. Den selben Fehler haben auch die meisten osteurop. Gesellschaften begangen, indem sie sich blitzartig aus Ingenieur-Gesellschaften in Pseudo-Management-Kulturen verwandelt haben. Auch dort fehlen uns die Techniker/innen zuhauf. Damit verliert man permanent Terrain an die USA und den asiatischen Mitbewerb.

An sich wäre alles klar: Die Branchen der Zukunft sind bekannt (Gesundheit/Wellness/Pro-Aging ist nur eine von vielen), die Management-Methoden stehen zur Verfügung und die Notwendigkeit für strategische Planung erscheint evident. Der von Kanzler Vranitzky geprägte Satz "Wer Visionen hat braucht einen Arzt!" wird in turbulenten Zeiten wie diesen fatal. "Wer heute keine Visionen hat braucht einen Totengräber!" Österreich sollte seine Bestimmung, seinen Sinn und Platz in der Weltgemeinschaft schleunigst finden und sich strategisch positionieren. Pro-Aktivität statt Reagieren ist angesagt.

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Fodiator

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FerdinandK

FerdinandK bewertete diesen Eintrag 02.02.2016 17:13:44

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