Warum teure Unternehmens-Beratung oft nichts bringt und dennoch so gefragt ist?

Kennen Sie den? Eine Luxuslimousine wird von einer Schafherde aufgehalten. Der Fahrer fragt den Schäfer: "Wenn ich ihnen sage, wieviele Schafe sie haben, darf ich dann eines behalten?" Der Schäfer schlägt ein und der Manager checkt via Satelliten-Control, dass die Herde aus 582 Schafen besteht. Der Schäfer ist beeindruckt und der andere packt ein Schaf in seinen Kofferraum. Darauf der Schäfer: "Wenn ich ihnen sage, was sie von Beruf sind, krieg ich dann mein Tier zurück?" - "Ja, klar!" "Sie sind Berater, denn sie kommen ohne gerufen zu werden, beantworten mir Fragen, die ich nicht gestellt habe, deren Antwort ich kenne und verlangen ein Honorar für etwas, wovon sie keine Ahnung haben. Und nun geben sie mir meinen Schäfer-Hund zurück!" Alle Beraterwitze stimmen! Warum nur, fallen viele Firmen darauf rein?

Überall dort, wo den Auftraggebern das Wissen über eine komplizierte Materie fehlt, ist Beratung nötig und angebracht: bei Steuerberatung, in verzwickten juridischen Fällen, bei ärztlicher Diagnose, um ein Unternehmen zu bewerten oder wenn etwa in Ungarn ein General Manager gesucht werden soll. Da wäre der Aufwand, firmeninternes Wissen aufzubauen, um solche Prozesse erfolgreich durchzuziehen einfach viel zu hoch. Klienten nutzen Spezialwissen, um einen Wettbewerbs-Vorteil zu erlangen oder sich schlicht gegen Schäden abzusichern. Wo soll das neue Werk gebaut werden? Wie kann man den Produktionsprozess noch effizienter gestalten? Welche Investitionen rechnen sich und wann müssen diese getätigt werden? All das sind Aufgabenstellungen, wo die Kompliziertheit unter Kontrolle gebracht werden muss. Kompliziertheit heißt: Die Dinge richtig machen. Während Komplexität bedeutet: Die richtigen Dinge machen. Da wird die Sache plötzlich schwierig, denn wir leben in Welten, die sowohl komplizierte wie auch komplexe Anforderungen an uns stellen. Komplizierte Sachverhalte bestehen aus einer logischen Reihe an Abläufen, Prozessen, Aktionen, die mehr oder weniger effizient zu gestalten sind. Gute Beratung macht solche Anforderungen durchschaubar und versucht immer die Komplexität zu reduzieren: etwa mit one-page-Management, Meeting-Kultur-Verbesserung, Entscheidungs-Regeln, ganz allgemein mit Management-Techniken.

In komplexen Szenarien wirken hingegen verschiedene, schwer vorhersagbare und sich in gegenseitiger Abhängigkeit befindlichen Einflußfaktoren aufeinander ein: sie heben sich auf oder verstärken sich gegenseitig, sind schwer kontrollierbar. In die Zukunft eines Unternehmens zu blicken mittels strategischer Planung etwa ist gar nicht kompliziert aber sehr komplex. Beziehungsarbeit im Unternehmen zwischen Belegschaft, Betriebsrat, Management und Eigentümern: sehr komplex. Ein Nachfolger soll gefunden werden, der von seinem Werteverständnis in den Betrieb passt! Die kulturellen Unterschiede zwischen einer italienischen Eigentümer-Familie und der französichen Mitarbeiterschaft auszugleichen?! Alles sehr komplex. Und da hilft auch kein logisches Denken, weil in komplexen Welten die Logik meist aussetzt zugunsten von Befindlichkeiten, Emotionalität, Ängstlichkeit, Gier, Ego-Ansprüchen etc.

Wenn nun Unternehmensberater aus ihrer Rolle heraustreten und mittels logischer Analyse-Systeme die Organisation ihrer Klienten in komplexer Hinsicht untersuchen, kommen sie IMMER zu falschen Schlüssen. Deshalb feierte ja in den 90er Jahren der systemische Ansatz fröhliche Urstände in der Beraterszene. Zu recht. Die Systemiker/innen sehen sich die Ganzheit des Systems inklusive der Umgebung an. Das funktionierte auch besser als der rein mechanistisch-kognitive Zugang. Nur: heutzutage reicht systemisches Denken (erfassen des ganzen Organisationssystems) nicht mehr aus, um den volatilen Grad von komplexen Betriebsveränderungen (etwa Technologiewandel, Arbeitsmentalität, interkulturelle Ansprüche der Globalisierung) gerecht zu werden. Da fehlt zusehr der psychische Aspekt. Jedoch: darauf kommt es in stürmischen Zeiten mehr denn je an!

Die Gründe, noch immer überteuerte Großaufträge an die größten der Beraterbranche zu erteilen sind eindeutig: Es ist meist nicht die Unfähigkeit des Top-Management zu rationaler Analyse, sondern meist die Feigheit, selbst weit reichende Entscheidungen zu fällen, durchzuziehen und die Verantwortung zu übernehmen. Hat ein Geschäftsführer einen großen Beratungsauftrag plaziert - womöglich an den Branchen-Primus - kann er sich bei einschneidenden Veränderungen - wie etwa Massenkündigungen - hinter der Empfehlung aus dem Ergebnis-Report verstecken. Und bei Fehlentscheidungen die Verantwortung an den Berater abschieben.

Aber auch ein zweiter Aspekt könnte die Ursache dafür sein: das instinktive Verständnis, dass man mit dem Taylorismus à la Ford zwar eine Autofabrik perfektionieren kann, aber für unvorhersehbare Bedürfnisse dieses Denken nicht ausreicht. Die meisten Manager sagen zwar: "Also ich habe ein gutes Bauchgefühl und habe mich noch nie getäuscht, wenn ich dem gefolgt bin." Sie haben aber außer dieser Grundstimmung keine Vorstellung, dass komplexe, oft existenzielle Situationen nur mit intuitiven Techniken zu lösen sind. Die Intuition ist nämlich hunderte Male schneller und sicherer als der schärfste Gedanke. Intutive Techniken gibt es zuhauf, aber sie sind im Management so gut wie unbekannt. Frédérick Laloux präsentiert in seinem neuesten Buch ("Reinventing organisations";) viele diesbezügliche Beispiele. Ich selbst wende seit dreißig Jahren fast ausschließlich intuitive Methoden an: Bilder zeichnen, Aufstellungsarbeit, Rollen- und Schätzspiele, story telling, Kärtchenarbeit, Gruppendiskurs (nicht Diskusssion) und Deliberationen, analoges Lernen, outdoor-Begegnungsarbeit etc.

Gruppen, die daran gewöhnt wurden, neben all der hypertrophen betriebswirtschaftlichen Zahlen-, Daten- und Fakten-Kauen auch intuitiv zu arbeiten sind viel glücklicher, kaum frustriert und letztendlich erfolgreicher als einseitig hirnlastig Ausgerichtete. Wie sagt mein Freund Nic Turner, der bescheidenste Management-Guru den ich kenne: "The mind is a wounderful slave, but a terrible master."

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