Für die Verrückten, für die seitlich Umgeknickten

Dieser Blog ist nichts für den eiligen Leser oder die hastige Leserin. Geht es doch hier um nichts geringeres als ein Gedicht über das Weltende, geschrieben von einem schwerkranken Berliner Lyriker, um einen „Meister der Realsatire“, der „Ironie dritten Grades“ produzierte. Um zwei Menschen also, denen das Leben ver-rückte, so dass sie verrückt wurden und auf tragische Weise endeten. Es geht um das liebevolle Lied eines lyrischen Kabarettisten. Und letztendlich geht es um Nazis. Um die echten.

Und am Anfang steht eine Bedrohungslage von planetarischer Tragweite.

Illustration aus einem zeitgenössischen Flugblatt: Der Komet von 1680 über Nürnberg • wikipedia

Gerade noch einmal davongekommen. Er ist vorbeigeflogen und hat gottlob keine Katastrophe angerichtet. Und wir haben schadlos seine Bahn durchkreuzt, ohne an giftiger Blausäure zu ersticken. Die Menschheit wurde ein weiteres Mal vom Weltuntergang verschont. Die Rede ist vom 19. Mai 1910, als der von EDMOND HALLEY bereits 1705 entdeckte Komet mit absoluter Pünktlichkeit nach 76 Jahren wieder einmal am Nachthimmel auftauchte und die Erde dabei seine Bahn durchquerte.

Bedrohliche Himmelsgeschosse aus dem Weltall

Kometen galten in früheren Zeiten als todbringendes Zeichen für Unglück, Krieg und anderer Katastrophen, gar für den Weltuntergang, falls der Komet nicht an der Erde vorbei, sondern mit ihr zusammenstoßen sollte. [1]

Der Halleysche Komet hatte immerhin einen mittleren Kern-Durchmesser von etwa 8 km x 8 km x 16 km und war damit vergleichbar mit der Größe des Chiemsees. In Sonnennähe verlor er durch die Hitze mehr als 50 t pro Sekunde, was seiner furchteinflössenden Größe allerdings keinen Abbruch tat. Erschwerend kam die Entdeckung hinzu, dass man entdeckt hatte, dass sein Schweif eine Blausäure ähnelnde äußerst gifte Substanz enthielt. [2]

Dementsprechend war in jenen Mai-Tagen des Jahres 1910 die Panik in Europa und sicherlich auch anderswo groß. Viele Menschen hielten Gasmasken bereit, in Paris waren sämtliche Sauerstoffflaschen vergriffen. Es wurden „Kometenpillen“ verkauft, die gegen Halleys giftige Gase schützen sollten. Es wurden Kometenpartys gefeiert von der bereits damals sich so fühlenden „aller-letzten Generation“ oder man wartete in Leichenhemden auf das Ende. Man musste mit dem Schlimmsten rechnen. [3]

Bereits zwei Jahre zuvor gab es eine andere „Begegnung der ungewöhnlichen Art“, als am 30.6.1908 in Tunguska ein unbekannter Himmelskörper über den Wäldern Sibiriens explodierte, mit einer Sprengkraft stärker als die Hiroshima-Bombe. Bis in 65 Kilometer Entfernung wurden Türen und Fenster eingedrückt, noch 500 km weit hörte man die Explosion. Bis heute ist nicht klar, ob es sich um einen Asteroiden, einen Kometen, einen anderen Himmelskörper oder gar um einen vulkanähnlichen Ausbruch von Erdgas handelte. [4]

Der Weltuntergang durch bedrohliche Geschosse aus dem Weltall stellte also für die Menschen des beginnenden 20. Jahrhunderts eine durchaus reale Bedrohung dar.

Apokalypse (Gemälde von Albert Goodwin, 1903) • wikipedia

In allen Lüften hallt es wie Geschrei

Ein Jahr nach Halleys Erscheinen wird 1911 in der Zeitschrift „Der Demokrat“ ein aufsehenerregendes Gedicht veröffentlicht. Da fabuliert ein junger Dichter vom Weltuntergang, vom Ende der Welt.

Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut

In allen Lüften hallt es wie Geschrei

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

Und an den Küsten liest man steigt die Flut

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen

An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen

Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Das Gedicht stammt von dem 24-jährigen HANS DAVIDSOHN.

Kupferstich „Deichbruch“ von Winterstein 1661 • wikipedia

So soll sich also die Apokalypse abspielen? Hüte fliegen von Köpfen, Dachdecker stürzen ab, die Menschen haben Schnupfen – absurd! Sturm tritt auf – das hört sich schon eher nach einer Katastrophe an. Aber in der nächsten Zeile folgt sogleich Entwarnung: die wilden Meere „hupfen“ ja nur an Land. Gehupft wie gesprungen – wie lächerlich! Eisenbahnen fallen von Brücken – was aber ist mit den Menschen darin?

Es soll an dieser Stelle keine ausführliche Interpretation des Gedichts vorgenommen werden. Dies kann man hier oder hier oder als Video hier nachlesen.

Die Frage aber ist: Macht der Autor sich lustig über die Weltuntergangsstimmung seiner Zeitgenossen? Verspottet er die Angst vor dem Kometen, die gerade einmal ein Jahr zurückliegt? Oder reflektiert das Gedicht auf ironische Weise die Reizüberflutung in der Großstadt Berlin, das bevorstehende Ende des Kaiserreichs, den technische Fortschritt? Ahnt es gar den nur drei Jahre später eintretenden Ersten Weltkrieg voraus?

Auch wenn es noch kein Radio oder Fernsehen gab, waren es die Zeitungen, die wie heute stets auf der Suche nach der nächsten Katastrophe waren. Und so „liest man“ eben nur, was so passiert in der Welt, in der Luft gibt es kein wahres Geschrei, sondern es „hallt“ nur als ob. Man ist also weit weg von aller wirklichen Gefahr.

Das Gedicht wurde nach seiner Veröffentlichung schnell bekannt und übte eine starke Wirkung auf die Menschen aus. So beschreibt der Lyriker, spätere DDR-Kulturminister und Texter der DDR-Nationalhymne JOHANNES R. BECHER 1957 die „epochale Wirkung“ von „Weltende“ auf seine Generation:

Wir wurden durch diese acht Zeilen verwandelt. Eine neue Welt sollte mit uns beginnen, und eine Unruhe schworen wir uns zu stiften, dass den Bürgern Hören und Sehen vergehen sollte.“ [5, ein sehr lesenswerter Artikel aus der BERLINER ZEITUNG vom 17.3.2022, den der Autor einem Hinweis des FuFlers THEODOR RIEH verdankt]

Für WOLF BIERMANN ist „Weltende“ eine „drollige früh-dadaistische Cabaret-Idylle“. [5] In der Tat könnte man das „Weltende“ als Vorläufer des Dadaismus [6] auffassen, der 1916 von HUGO BALL u.a. in Zürich gegründet wurde.

In der Literaturwissenschaft gilt das Gedicht allerdings eher als ein Werk aus der Anfangszeit des literarischen Expressionismus. 1911 tauchte dieser Begriff in Deutschland erstmalig auf und bezeichnete damit zunächst die aktuelle bildende Kunst aus Frankreich (Braque, Derain, Dufy, Picasso), später dann aber auch deutsche Kunst. So wurde der Begriff „Expressionismus“ für die 1905 in Dresden entstandene Künstlergruppe „Die Brücke“ und die 1911 begründete Gruppe „Blauer Reiter“ verwendet.

In der Literatur war HANS DAVIDSOHN der erste Vertreter dieses literarischen Expressionismus. Damit ging sein Gedicht weit über eine Verspottung der Kometenangst seiner Zeitgenossen hinaus. Es war in seiner Art richtungsweisend für die Lyrik der kommenden 10 Jahre.

Als dadaistisches Moment lässt sich die Idee von Hans Davidsohn ansehen, 1909 seinen Namen zu ändern. Er schüttelte die Buchstaben seines Nachnamens kräftig durcheinander und setzte sie neu zusammen. Heraus kam: van Hoddis. Und seitdem nannte er sich JAKOB VAN HODDIS.

Jakob van Hoddis (1910) • wikipedia

Als Dichter gefeiert, als Wahnsinniger behandelt, als Jude ermordet *

Die Biografie des Jakob van Hoddis ist tragisch und erschütternd. Keine zehn Jahre seines Lebens sind ihm vergönnt, seine Begabung als Lyriker zu entfalten.

Van Hoddis wird 1887 als ältester Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren. Sein Zwillingsbruder stirbt bei seiner Geburt. Mit 21 Jahren debütiert er 1908 mit eigenen Gedichten. Ein Jahr später stirbt sein Vater. Er ändert seinen Namen, vermutlich auch wegen antisemitischer Erfahrungen.

Im gleichen Jahr (1909) gründet er mit anderen Literaten die Vereinigung „Der Neue Club“, eine Keimzelle des frühen literarischen Expressionismus. 1910 wird er in Berlin bekannt und feiert Erfolge als Dichter. 1911 erscheint sein Gedicht „Weltende“, da ist er 24 Jahre alt und bereits auf dem Höhepunkt seiner dichterischen Karriere.

Ein Jahr später (1912) stirbt sein Freund GEORG HEYM auf tragische Weise. Bei van Hoddis tritt erstmals eine beginnende Psychose auf. Es folgt im gleichen Jahr ein einmonatiger Kuraufenthalt. Doch unmittelbar danach erfolgt eine Zwangseinweisung in die Heilanstalt Waldhaus in Nikolassee/Berlin („Gewaltsam ins Irrenhaus“). 1914 hält er in Berlin seinen letzten Vortrag.

Ab 1915, mit 28 Jahren, ist er in ständiger ärztlicher Behandlung. Sein Bruder stirbt als Soldat im Ersten Weltkrieg. 1926, mit 39 Jahren, erfolgt seine Entmündigung auf Antrag seiner Mutter. 1927 wird er für sechs Jahre in eine Privatklinik für Gemüts- und Nervenkranke verlegt. 1933 emigriert die Mutter mit ihren Töchtern nach Palästina, wo bereits ihr Sohn Ernst seit Ende des Ersten Weltkriegs lebt. Die Familie kann den schwerkranken van Hoddis nicht mitnehmen, sie muten ihm die Strapazen der Reise und die Umstellung nicht zu. Am 29.9.1933 wird van Hoddis in die "Isaelische Heil- und Pflegeanstalten“ Bendorf-Sayn bei Koblenz verlegt, wo ab 1940 die meisten jüdischen psychiatrischen Patienten untergebracht werden. Um diese Zeit ist er bereits nicht mehr ansprechbar.

Am 30.4.1942 erfolgt die Deportation in den Distrikt Lublin/Polen Vernichtungslager Sobibór. Im Mai oder Juni wird Jakob van Hoddis im Alter von 55 Jahren ermordet. [5] , [8]

* zitiert nach der Überschrift eines Artikels von Alexandra Pontzen. [7]

In allen Lüften hallt der Schrei der Bomben

Was wird aus einem Kind, das mit sieben Jahren die „Operation Gomorrha“ [9] miterleben muss? So nannte man die Bombardierung Hamburgs durch britische und amerikanische Streitkräfte im Sommer 1943, bei der über 30.000 Menschen ums Leben kamen. Wie verarbeitet ein kleiner Junge die Flucht der Familie aus der zerstörten Heimatstadt nach Dresden, wo dieser im Februar 1945 Zeuge einer der verheerendsten Luftangriffe auf eine deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg wird? Über 700 britische und etwa 300 amerikanische Bomber legten Dresden mit ihrer Flächenbombardierung und Brandbomben in Schutt und Asche. [10]

Und als wenn das alles nicht genug wäre, muss der inzwischen Zwölfjährige 1950 den Selbstmord seines geliebten, an Depressionen leidenden Vaters verkraften.

HEINO JAEGER heißt dieser Junge, 1938 in Hamburg geboren. Er hat im Grunde das Weltende, von dem van Hoddis auf expressionistische Weise fabulierte, am eigenen Leib erlebt. In allen Lüften hallte es bei dem Kind Heino Jaeger nicht „wie Geschrei“, sondern das Geschrei war real – das der fliegenden Bomben und das der schreienden Menschen.

Heino Jaeger – der Maler und Grafiker

Die Familie Jaeger kehrt nach 1945 wieder nach Hamburg-Harburg zurück, wo Heino Jaeger die Volksschule besucht und anschließend in den 1950er Jahren an der Hamburgischen Hochschule für bildende Künste ein Studium absolviert. Seinen Unterhalt verdient er sich während dieser Zeit als Briefträger oder auch als „Scherbenzeichner“ für archäologische Museen. In den 1960er Jahren wird Jaeger Wissenschaftlicher Zeichner im Hamburger Museum für Völkerkunde und anderer Museen, arbeitet dann aber freiberuflich als Maler und Grafiker in der alternativen Kunstszene Hamburgs.

Heino Jaeger verarbeitet seine traumatischen Kriegserlebnisse durch Zeichnen. Seine Bilder thematisieren Zerstörung und Gewalt, Trostlosigkeit und Vereinsamung. Die menschlichen Figuren sind grotesk überzeichnet, teilweise mit tierischen Elementen verfremdet und erinnern an das Werk eines Hieronymus Bosch.

In Jaegers Malerei offenbart sich seine Erinnerungswelt als Kriegskind. Er zeichnete häufig Uniformen, Kriegsgeräte oder Soldaten. Er tat dies aber auch, um seinen Mitmenschen den Spiegel vorzuhalten und auf die unverarbeitete Zeit des Nationalsozialismus hinzuweisen.

Heino Jaeger: CD „Wie sieht’s denn bei Euch aus?“ • Verlag Kein & Aber, Zürich • CD-Foto (Ausschnitt): Hochwald

Heino Jaeger – der Unterhaltungskünstler

In den 1970er Jahren gerät Jaeger mit etwas anderem in den Fokus der Aufmerksamkeit: Er wird Unterhaltungskünstler, vornehmlich im Radio. Es zeigte sich, dass Jaeger ein ausgeprägtes Talent besaß, seinen Mitmenschen zuzuhören, ihr Verhalten und ihre Sprache zu beobachten und dann auf unnachahmliche Weise nachzumachen.

Es war Hanns Dieter Hüsch, der sofort sein sprachliches Talent entdeckte: „Er macht uns alle nach, damit wir uns nichts vormachen. Ich halte ihn für den erbarmungslosesten Ohrenzeugen unserer Allerweltsgespräche.“ [11]

Jaeger imitierte vornehmlich den norddeutschen Dialekt und „leistete in dieser Hinsicht das für das Norddeutsche, was GERHARD POLT für das Bairische und HELMUT QUALTINGER für das Wienerische getan haben.“ [12]

Heino Jaeger (1970er Jahre) Foto: Harold Müller • Mit freundlicher Genehmigung des Fotografen

Stimmen zu imitieren oder Parodien darzubieten ist eine Kunst für sich. Die Kunst des Heino Jaeger aber bestand nicht nur in der Nachahmung von Alltagsfiguren, wie Arzt, Polizist, Seelsorger, Personalchef, Handwerker, Rentner, Kriegsversehrter. Er begann seine Stehgreifszenen meist mit den sprachlichen Marotten seiner Figuren, kippte dann aber „mit subtilen Wortverdrehungen, falschen Fremdwörtern und semantischem Blödsinn [13] ins Absurde ab. „Heino Jaeger war ‚komisch‘ im doppelten Wortsinn. Er reizte zum Lachen, gleichzeitig war er hochgradig sonderbar und löste beim Publikum nicht selten Ratlosigkeit, Befremden oder sogar Empörung aus.“ [14]

HEINO JAEGER: „Sport Aktuell“ (5:44)

HEINO JAEGER: „Patientengespräch mit Herrn Wiebert“ (5:18)

PRAXIS DR. JAEGER: „Die Passkontrolle“ (2:29)

Heino Jaeger – der ewige Geheimtipp

Die „pointenfreie, absurden Radiostücke“ [14] des „Genies der Realsatire“ [15] mit seiner „Ironie dritten Grades“ [16] wurden nicht von jedermann verstanden und gewürdigt. Für Fans von SCHOBERT & BLACK, INSTERBURG & CO oder ULRICH ROSKI war Heino Jaeger allerdings ein ebenbürtiger Vertreter des in den 1970er Jahren so genannten „Höheren Blödsinns“. Obwohl: Jaegers Texte waren kein Blödsinn, es steckte weitaus mehr dahinter. Er parodierte auch nicht die Menschen aus seiner Umgebung: „Er hat sie gnadenlos nachgemacht. Nicht parodiert – imitiert!“. [17] Dabei hat er sich nie über seine Figuren lustig gemacht oder gar denunziert.

Für viele Zeitgenossen blieb Heino Jäger damals ein schräger Vogel und sein hintergründiger Humor unverständlich. Und so blieb Jaeger letztlich ein „ewiger Geheimtipp“. „Wir haben ihn wohl nicht verdient“ stellte Loriot einst fest.

Heino Jaeger – Depression, Alkoholismus, schizoide Dämmerung

War es der plötzliche Kultcharakter in den 1970er Jahren, als er mit seiner (Sprech-) Kunst den Zeitgeist der damaligen Kabarettszene traf? Waren es die vom Vater geerbten Depressionen? War es sein Lebensumfeld auf dem Hamburger Kiez? Irgendwann nahm der „old demon alcohol“ (The Kinks) zunehmend Besitz über den hochsensiblen und sprachbegabten Menschen. Das Feuer, dass seine Kindheit in den letzten Kriegsjahren geprägt hatte, kam 1983 in Form eines selbstverschuldeten Wohnungsbrandes zurück in Jaegers Leben und sorgte für ein vorläufiges Ende seiner künstlerischen Aktivität.

Er wurde in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht, entmündigt und 1986 nach Feststellung „einer fortschreitende[n] Verwahrlosung und Alkoholsucht“ in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Er, der auf so einzigartige Art und Weise Stimmen nachmachte, litt darunter, Stimmen zu hören. Die Verrücktheit, in die er vor dem Mikrofon auf geniale Weise die Figuren seiner Lebenswelt trieb, wurde bei ihm selbst als Wahnsinn wahr.

Die letzten zehn Jahre verbrachte Heino Jaeger, alkoholkrank und in schizoider Dämmerung, im Sozialpsychologischen Pflegeheim „Haus Ingrid“ in Bad Oldesloh. Dort verstarb er 1997 an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde 59 Jahre alt.

Sein zunächst namenloses anonymes Sozialgrab erhielt erst zu seinem 10. Todestag auf Initiative seiner ehemaligen Freunde einen Grabstein.

Das Grab von Heino Jaeger in Bad Oldesloh • Foto: Udo Grimberg • wikipedia

Inzwischen tut sich in Sachen Heino Jaeger so einiges. 2022 wurde die Grabstätte zum Ehrengrab erklärt. Es gibt Filme und Bücher über ihn. Seine Radioproduktionen liegen auf CDs vor. Er hat in Mainz einen „Stern der Satire – Walk of Fame des Kabaretts“ bekommen. In Hamburg-Harburg fanden Heino Jaeger Festspiele statt. Das Kunsthaus Stade zeigte eine Werkschau des Künstlers. Und auch im süddeutschen Raum gab in diesem Jahr eine Ausstellung mit seinen bildnerischen Arbeiten.

HEINO JAEGER – Look before you kuck (2:38)

Offizieller Kino-Trailer zu dem Film "Heino Jaeger - Look before you kuck“ (2012)

„Ich sing für die Verrückten, für die seitlich Umgeknickten“

Hanns Dieter Hüsch setzt in einem Lied all jenen ein Denkmal, denen das Leben nicht bis zu Ende gelingt. Die irgendwann ver-rücken und sich dann still und leise von der Bühne des Lebens schleichen. Die den Stürmen, denen sie im Laufe ihres Lebens ausgesetzt waren, nicht mehr standhalten können und die dann wie ein Grashalm seitlich umknicken. Einfache Leute, die dennoch ihre Würde bis zum Schluss behalten. Namenlose, die in den Augen anderer nichts für die Nachwelt hinterlassen haben. Diese verzweifelten, gescheiterten Außenseiter der Gesellschaft sind es, für die Hanns Dieter Hüsch ein Herz hat und denen er ein Lied widmet.

Er hat es sicherlich auch für Jakob van Hoddis und Heino Jaeger gesungen.

HANNS DIETER HÜSCH: „Für wen ich singe“ (1969)

Auszüge aus dem Text:

Ich sing für die Verrückten

Die seitlich Umgeknickten

Die tagelang durch Städte streifen

Und die Geschichte nicht begreifen

Und still die Tagessuppe essen

Dann alles wieder schnell vergessen

Die suchen und die niemals finden

Und nachts vom Erdboden verschwinden

Die sich durchs rohe Dickicht schieben

Von Wahnsinn wund und krank gerieben

Ich sing für die Verrückten

Die seitlich Umgeknickten

Die eines Tags nach vorne fallen

Und unbemerkt von allen

Sich aus der Schöpfung schleichen

Weil Trost und Kraft nicht reichen

Und einfach die Geschichte überspringen

Für diese Leute will ich singen.

Der vollständige Text steht hier.

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Quellenangaben:

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kometenfurcht und https://de.wikipedia.org/wiki/Weltuntergang_in_der_Kunst und https://de.wikipedia.org/wiki/Komet

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Halleyscher_Komet

[3] https://www.deutschlandfunk.de/passage-durch-den-schweif-des-halleyschen-kometen-der-100.html und https://www.deutschlandfunk.de/der-todbringende-komet-100.html

[4] https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2021/09/was-geschah-in-tunguska und https://www.ardalpha.de/wissen/weltall/astronomie/tunguska-ereignis-asteroid-feuerball-vulkan-100.html

[5] https://www.berliner-zeitung.de/open-source/in-allen-lueften-hallt-es-wie-geschrei-jakob-van-hoddis-und-sein-weltende-li.216309

[6] https://www.lempertz.com/de/academy/detail/dadaismus.html

oder als Kurzfassung: https://www.lempertz.com/de/academy/detail/dadaismus.html

[7] https://literaturkritik.de/id/4563

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_van_Hoddis

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Gomorrha

[10] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/dresden-radebeul/bomben-angriff-krieg-februar-nationalsozialismus-100.html und https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/bombardierung-von-dresden-1945.html

[11] Joska Pintschovius: Heino Jaeger: Eine erzählte Biographie. In: Heino Jaeger: Man glaubt es nicht. Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2007, S. 11-161, hier S. 55.

[12] https://literaturland-sh.de/autorinnen/jaeger-heino

[13] https://www.deutschlandfunkkultur.de/noch-immer-ein-geheimtipp-100.html

[14] https://taz.de/Erinnerungen-an-Kuenstler-Heino-Jaeger/!5853308/

[15] https://kunstschau.netsamurai.de/heino-jaeger-phrasenzertruemmerer-durch-mimikry/

[16] Zitat von Hanns Dieter Hüsch, in: https://www.deutschlandfunkkultur.de/noch-immer-ein-geheimtipp-100.html

[17] https://www.deutschlandfunkkultur.de/vergessenes-komikergenie-100.html

Fotos:

• Der Komet von 1680: https://de.wikipedia.org/wiki/Kometenfurcht•https://commons.wikimedia.org/wiki/File:C_1680V1_N%C3%BCrnberg.jpg

•Apokalypse:https://de.wikipedia.org/wiki/Weltuntergang_in_der_Kunst•https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ApocalypseAlbert_Goodwin.jpg

•Deichbruch:https://en.wikipedia.org/wiki/Weltende_(Jakob_van_Hoddis)•https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Deichbruch_Winterstein_1661.jpg

Das Grab von Heino Jaeger: https://de.wikipedia.org/wiki/Heino_Jaeger•https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2582_Heino_Jaeger.JPG•Foto: Udo Grimberg, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de, CC BY-SA 3.0 DE

• Foto Jakob van Hoddis: https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_van_Hoddis•https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jacob_van_Hoddis.JPG

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