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Letzten Samstag kam es in Wien bei einer Demonstration der „Querdenker“ zu einem Eklat. Die Querdenker, genauso wie die „Reichsbürger“, sind ein Sammelsurium aus rechten Corona-Leugnern und Verschwörungstheoretikern, die allesamt jeglichen Kontakt zur Realität verloren haben und in ihrer eigenen, obskuren Welt leben. Prominente Protagonisten sind unter anderem Xavier Naidoo, der in seinen immer wirrer werdenden Videos von Kindern fantasiert, die in unterirdischen Gefängnissen gefangen gehalten werden, und aus deren Körpern Schergen der Eliten das Enzym Adrenochrom extrahieren, um es den „Mächtigen“ als Verjüngungs-Elixier zur Verfügung zu stellen. Außerdem soll sich, laut Naidoo, in einem Tunnelnetz unterhalb Österreichs eine brutale Schlacht zwischen Klonen und Robotern abspielen. Ein anderer lustiger Zeitgenosse dieser Art ist Attila Hildmann, seines Zeichens veganer Koch und Warnung dafür, dass die Auswirkungen rein veganer Ernährung auf das Gehirn offensichtlich doch nicht so ganz ungefährlich sind. Hildmann spricht unter anderem vom geplanten Völkermord durch Anti-Corona-Impfungen, die von einem „zionistischen Regime“ unter Merkel und Bill Gates organisiert werden sollen.

Aber was ist bei der angesprochenen Demo passiert? Drei Personen stehen auf einer Bühne vor der Wiener Karlskirche, eine Frau namens Jennifer Klauninger brüllt hasserfüllt Parolen gegen Kinderschänder in ein Mikrophon. Soweit, so gut. Das alleine wäre ja noch nichts verwerfliches. Die Situation stellt sich gleich ganz anders dar, nachdem offenkundig wird, dass Klauninger, gemeinsam mit zwei anderen Personen, eine Regenbogenfahne in den Händen hält. Diese Regenbogenfahne ziert ein, ebenfalls in den Farben des Regenbogens gehaltenes, Herz. Unter Gejohle des Publikums wird nun diese Fahne von den Protagonisten zerrissen.

Die Rechtfertigung der „Querdenker“: Diese „Art“ der Regenbogenfahne würde für Pädophile stehen, wäre das geheime Symbol der Kinderschänder.

Selten so einen Schwachsinn gehört. Eine Flagge, mit exakt der Farbanordnung wie auf der zerrissenen, steht ganz offensichtlich für die LGBTI-Community. Herz hin oder her. Man kann ja auch nicht, wie von der LGBT-Aktivistin Katherina Kacerowski bei der Gegendemo am Montag erwähnt, ernsthaft behaupten, die Herzen, die zum Valentinstag verschenkt werden, sind in Wirklichkeit Pädophilen-Symbole.

Die LGBTI-Community mit Kinderschändern in einen Topf zu werfen, ist schon lange eine Taktik der extremen Rechten und Ewiggestrigen. Immer wieder wird diese Behauptung aufgestellt, meist unterschwellig, oder auch ganz offen. Und die Herstellung dieser Verbindung wurde bei der Demo am Samstag mit dieser Aktion ganz bewusst in Kauf genommen. Denn wären die halbherzigen Rechtfertigungsversuche der „Querdenker“ ernst zu nehmen, hätten sie auf den Unterschied hinweisen und erwähnen müssen, dass sich diese Aktion eben nicht gegen die LGBTI-Community, sondern explizit gegen Pädophile richtet. Da sie aber wissen, aus welcher Richtung der Großteil ihrer Unterstützer kommt, wurde der Zusammenhang stillschweigend in Kauf genommen. Denn für die Rechten ist eine Regenbogenfahne, egal ob mit oder ohne Herz, ein Symbol der LGBTI-Bewegung. Klarerweise wird enthusiastisch applaudiert, wenn jemand wieder einmal Pädophile und LGBTI in einem Atemzug erwähnt.

Grundsätzlich bin ich für Toleranz. Alle Menschen haben ein Anrecht auf ihre Meinung, und auch darauf, diese öffentlich, und ohne Angst, äußern zu können. Nun hört diese Toleranz genau dort auf, wo andere ganz offensichtlich, und absichtlich, diskriminiert werden. Im Gegensatz zu manchen Kommentatoren will ich nicht so weit gehen, und den Akt des öffentlichen Zerreissens eines Symbols, in Zusammenhang mit den Bücherverbrennungen im dritten Reich zu bringen. Das ist schon nochmal eine ganz andere Dimension, und mit solchen Vergleichen sollte man grundsätzlich vorsichtig sein. Nichtsdestotrotz ist es ein Gebot der Stunde, den Anfängen zu wehren. Und wachsam zu sein. Denn der erste Schritt in eine Richtung, die wir alle nicht wirklich wollen, ist schnell getan. Umso mehr freut es mich, dass sich bei der kurzfristig ins Leben gerufenen Gegendemo am Montag beim Museumsquartier über 1000 Menschen zusammengefunden haben, um gegen Hass im Allgemeinen und gegenüber der LGBTI-Community im speziellen zu demonstrieren. Auch ich hab mich erstmals unter das Demo-Volk gemischt. Obwohl ich nach dem Ende meiner Polizeikarriere geschworen habe, mich nie wieder in der Nähe einer Demo blicken zu lassen. Aber wenn es notwendig ist, muss man eben seine persönlichen Grenzen ein wenig pushen. Denn es gilt: DEM HASS KEINEN PLATZ!

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