Die katholische Kirche hat sich einmal mehr nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Vor kurzem wurde von der Kongregation für das katholische Bildungswesen ein Dokument vorgestellt, das auf den bombastisch klingenden Namen “Male And Female He Created Them” hört. Abgesehen von der grammatikalisch fragwürdigen Satzstellung, die wir aber ohnehin schon gewohnt sind von kirchlich-literarischen Ergüssen, wird in diesem Dokument wieder mal auf all jene Menschen hingehaut, die sich nicht in der herkömmlichen, sprich gesellschaftlich vorgegebenen Rolle von Mann und/oder Frau wiederfinden.

Wieder einmal kotzt man sich im Vatikan gegen die “Gender-Theorie”aus. So heißt es in dem Dokument: “Die Orientierungslosigkeit betreffend der Anthropologie, die ein weitverbreitetes Merkmal unserer kulturellen Landkarte ist, hat ohne Zweifel zur Destabilisierung der Familie als eine Institution beigetragen, und bringt eine Tendenz mit sich, welche die Unterschiede zwischen Mann und Frau abschafft, um sie stattdessen als bloßes Produkt von geschichtlicher und kultureller Konditionierung darzustellen.”…

Bevor sich hier gleich die Gegner der sog. “Gender-Theorie” zu Wort melden, und, meist wider besseren Wissens oder überhaupt in Unkenntnis der Fakten, wie ertrinkende panisch um sich schlagen, schauen wir doch mal, was die Wissenschaft zum Thema “Geschlecht” zu sagen hat:

Ja, es gibt Unterschiede zwischen Mann und Frau. Und zwar die körperlichen. Penis, Hoden und das XY-Chromosom gelten als biologisch-männlich. Vagina, Eierstöcke und XX-Chromosom gelten als biologisch-weiblich. Soweit, so gut. Ein Artikel in der Tageszeitung “Der Standard” vom 12.März 2015 lässt hier aber bereits ein wenig tiefer blicken: “Manchmal entscheiden sich aber auch die Keimdrüsen für ein anderes Programm als das, das die Chromosomen festlegen würden. Dann tritt etwa das mit Männlichkeit assoziierte Y-Chromosom mit Eierstöcken zusammen oder ein doppeltes X mit Hoden. "Disorders of sexual development" (DSD), Intersexualität oder Sexualdifferenzierungsstörungen heißen solche Phänomene.”

Und weiter: “Je tiefer die Forschung in unseren genetischen Bauplan eintaucht, umso stärker bröckeln die in Zement gemeißelten Kategorien Mann und Frau. Neue Methoden der Genforschung bringen bis heute immer wieder neue Gene ans Licht, die für die Geschlechtsentwicklung des Fötus zentral sind. Im Jahr 1990 entschlüsselten ForscherInnen das Gen SRY, das weibliche Keimdrüsen zu männlichen Keimdrüsen umbilden kann, also Hoden statt Eierstöcken entstehen lässt. Das Gen WNT-4 wirkt in die entgegengesetzte Richtung: Es unterdrückt die testikuläre Entwicklung und begünstigt stattdessen Ovarien.Das Geschlecht ist also kein simples Produkt aus X- und Y-Chromosomen, sondern auch ein Balanceakt zwischen verschiedenen regulierenden Genen. So kann es vorkommen, dass die Geschlechtlichkeit den simplen Formeln "XX gleich weiblich" und" XY gleich männlich" widerspricht oder einen Platz zwischen den Polen einnimmt” - derstandard.at/2000012795999/Zwischen-X-und-Y-Das-Geschlecht-nimmt-viele-Gestalten-an

Und bis jetzt geht es ausschließlich um körperlichen Merkmale. Schauen wir uns mal im folgenden die Geschlechts-Identität an. Die Theorie des letzten Jahrhunderts war, dass man eine Geschlechtsidentität anerziehen könne. Hiezu sei ein Fall angeführt, auf den ich bereits in einem Blog aus dem Jahr 2017 eingegangen bin, nämlich jender von David Reimer: David, 1965 in den USA geboren, wurde bei einem fehlerhaften chirurgischen Eingriff im Alter von 8 Monaten sein Penis irreversibel zerstört. Auf Anraten des Sexualwissenschafters John Money entschieden sich seine Eltern dazu, eine geschlechtsverändernde Operation durchführen zu lassen und den Jungen als Mädchen zu erziehen. Im Alter von 22 Monaten wurden David die Hoden entfernt und aus der Haut seines Hodensacks Schamlippen geformt. David wurde ab diesem Zeitpunkt Brenda genannt. Darüber hinaus wurde David etwa ab dem 12. Lebensjahr mit weiblichen Hormonen behandelt.

Die Forscher wollten an David ein Exempel statuieren, und feierten das Kind als eindeutigen Beweis dafür, dass die Erziehung in den frühen Lebensjahren eine Hauptrolle bei der Ausprägung der geschlechtsspezifischen Identität spiele. Demnach wurde David von Money als „normales, glückliches Mädchen“ beschrieben; Spätestens in der Pubertät wurde jedoch klar, dass er sich keineswegs in seiner ihm zugeschriebenen weiblichen Rolle wiederfinden konnte. Familie und Freunde beschrieben ihn als ein zutiefst unglückliches Kind mit großen sozialen Problemen. Mit 14 Jahren wechselte er in die Rolle des Mannes zurück. Er unterzog sich einer konträren Behandlung mit Brustentfernung, Testosteroninjektionen und Phalloplastik. Trotzdem beging David, nach jahrelanger Depression und finanzieller Instabilität, am 4. Mai 2004, im Alter von 38 Jahren, Suizid.

Geschlechtsidentität kann also nicht “erlernt” werden. Klar, was man sehr wohl bis zu einem gewissen Grad erlernen kann, sind “geschlechtstypische” Verhaltensweisen, wie sie von der Gesellschaft, ursprünglich aber wohl von der Kirche, vorgegeben werden. Dass diese aber krass entgegengesetzt zum eigenen Empfinden stehen können, ist auch klar. Und wenn diese Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum, gegen den eigenen Willen, aufrechterhalten werden müssen, ist das für die psychische Gesundheit alles andere als förderlich.

Ich würde ohnehin sagen: die meisten Männer sind Männer, wie sie sich von der Gesellschaft erwartet werden. Und die meisten Frauen sind ebenso gesellschaftskonforme Frauen. Die Anzahl jener, die sich anders entwickeln, und eben nicht in diese Kategorien passen, ist, im Vergleich dazu, verschwindend gering.

Daher: wie, bitteschön, sollen Homosexuelle oder Trans*Personen zur Destabilisierung der Familie beitragen ? Ich kann diesen Schwachsinn nicht mehr hören. Denkt man ernsthaft, weil man einer Trans* Person sagt, du bist nicht das, wofür du dich hältst, wird auch nur eine einzige Familie gerettet ? Oder dass auch nur eine einzige homosexuelle Person gegengeschlechtlich heiraten wird, nur weil ihr die gleichgeschlechtliche Eheschließung untersagt ist ? Kein Schwuler denkt sich "na gut, wenn ich keinen Mann heiraten darf, dann heirate ich eben eine Frau." Das passiert nicht, Also wie kann das die “traditionelle Familie” gefährden? Ich begreife es nicht.

Lasst die Menschen doch einfach sein, wer oder was sie sein wollen. Davon wird weder die Welt untergehen, noch werden wir aussterben. Garantiert!

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