Wien ist eine schöne Stadt. Liberal und weltoffen. Trotz Baustellenchaos und immer noch viel zu vielen unklimatisierten Öffis schafft es die Stadtverwaltung nicht, uns den Sommer zu vermiesen.

Ich wurde kürzlich gefragt, wie es sich so lebt, als Transe in Wien. Eigentlich ganz gut. Ich habe bisher noch keinerlei negative Erfahrungen gemacht. Mir wurde überall korrekt und freundlich begegnet. Natürlich schauen die meisten Leute erstmal, ob des für viele nach wie vor exotischen Anblicks einer Transe. Aber die meisten Menschen kümmern sich sofort wieder um ihre eigenen Angelegenheiten. Manche Menschen nehmen mich gar nicht wahr, weil sie so in ihr eigenes Leben vertieft sind. Und ab und zu kann man sich sogar über ein freundliches Lächeln freuen.

Ein seriöses und selbstsicheres Auftreten ist dabei natürlich hilfreich. Ich bin aber nicht so naiv, zu verdrängen, dass dazu auch eine gehörige Portion Glück gehört. Denn Fakt ist, dass es auch in Wien immer wieder Übergriffe auf transsexuelle Personen gibt. Schlagzeilen machte im Februar 2013 der Fall einer Transsexuellen, die von 8 primitiven Vollidioten bei der Strassenbahnstation Matzleinsdorfer Platz krankenhausreif geprügelt wurde. Aber viele Fälle dringen gar nicht bis an die Öffentlichkeit. Im Jahr 2013 wurde eine Studie der EU-Grundrechteagentur (FRA) mit Personen aus der LGBT-Gemeinschaft (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle)  angefertigt, an der sich auch knapp 6000 Transsexuelle beteiligt hatten. Von den EU-weit Befragten gaben 73 % an, Gewaltvorfälle nicht der Polizei gemeldet zu haben. Als Grund für den Verzicht auf Polizeimeldung wurden Schamgefühl und Furcht vor Repressalien angegeben.

Laut der Studie sind MzF-Transsexuelle besonders bedroht, so berichten 41 % von gewaltsamen Übergriffen oder Drohungen. Insgesamt sei die Zahl gewaltsamer Vorfälle pro Jahr - einer pro transsexueller Person - doppelt so hoch wie bei lesbischen, schwulen oder bisexuellen Befragten. Die Täter waren in den meisten Fällen Gruppen von Männern.

Spezifische Ergebnisse für Österreich wurden auch erfasst: so gaben 44 % aller hierzulande befragten Transsexuellen an, dass sie wegen ihrer Transsexualität diskriminiert oder belästigt wurden, hiervon wiederum 69 % der befragten transsexuellen Frauen. Bezüglich Diskriminierung von Transsexuellen am Arbeitsplatz liegt Österreich mit 43 zu 37 % sogar über dem EU-Durchschnitt. Dieser Wert ist, laut Studie, wiederum doppelt so hoch wie bei den lesbischen, schwulen oder bisexuellen Befragten.

Trotz dieser erschreckenden Ergebnisse darf man nicht alles schlecht reden. Es wird besser. Aber es ist noch sehr viel zu tun, um solche kriminellen und menschenverachtenden Vorfälle zu stoppen. Und man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Kinder aufzuklären, dass Homo- und Transsexualität keine bösen oder peinlichen Launen der Natur sind, sondern einfach eine gegebene Realität, ist, meiner Meinung nach, der erste Schritt. Denn wer von klein auf lernt, mit einer Thematik unverfänglich umzugehen, ist auch später weniger gefährdet, aus Angst und Unwissenheit, und damit einhergehender Überforderung, zu diskriminieren.

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Silvia Jelincic

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