Rede- und Meinungsfreiheit

Es ist interessant zu beobachten wie in Krisenzeiten, von allen Seiten die vereinfachte Form der Darstellung genutzt wird, um die Massen anzusprechen.

Das sich radikalisierende Gruppen, dieser propagandistischen Stilmittel bedienen, ist ja hinlänglich bekannt. Der Vorteil liegt auf der Hand. Durch die Schaffung vereinfachter, wenig differenzierender Aussagen, können auch Menschen mitreden, die sich die Mühe einer umfassenden Auseinandersetzung mit einem Thema ersparen wollen. Diese wenig differenzierenden und meist demagogisch aufbereiteten Aussagen erreichen leichter eine große Anzahl von Menschen. Besonders komplexe und komplizierte Sachverhalte, politischer, wirtschaftlicher oder sozialökonomischer Themen, werden hierfür auf einfache formelhafte Standpunkte reduziert und medienwirksam verbreitet.

Interessant ist, dass sich auch immer mehr der gebildeten Menschen, die gerade den Anspruch auf differenziertes Denken und einen sachlichen, auf die Komplexität rücksichtnehmenden Diskurs fordern, sich heute teilweise nicht einer unvoreingenommen und offenen Diskussion stellen, ja sogar die freie Meinungsäußerung durch Stigmatisierung einschränken wollen.

Die Motivation für derartiges Verhalten scheint relativ einfach, durch pragmatische Notwendigkeiten erklärbar zu sein. In kritischen Zeiten bleibt oft keine Zeit um auch der breiten Masse die diffizile Situation nahezubringen. Ob derartiges Verhalten aber letztendlich durch eine Nutzen-und Schadens Abwägung legitimiert werden kann, sollte unter Rücksichtnahme der verschiedenen Ebenen, der medialen Kanäle erfolgen.

Auf Ebene der Foren und Blogs sollte man aber die Vielfalt der Standpunkte, solange sie kein hetzerisches Potenzial enthalten, zulassen. Hier wäre Raum um ausgedehnte Diskussionen, auf sachlicher Ebene, ohne Tabuisierung und Blockdenken, auf traditionelle freie und offene Art zuzulassen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich auf den hohen Stellenwert, der absoluten Rede und Meinungsfreiheit hinweisen denn das macht wahre Freiheit aus, keinen Diskriminierungen ausgesetzt zu sein, weil man über eine Sache seine Meinung äußert. Nur in so einem Klima können Menschen unterschiedlichster Lebenseinstellung und Lebensführung miteinander leben und können neue Gesellschaftsmodelle entstehen. Zum Beispiel kann eine positive Konnotation des Begriffes „Multikulti“ nicht von außen oktroyiert werden, sondern muss sie sich aus einem Selbstverständnis einer freien Gesellschaft entwickeln, wie dies auch schon früher in unserer Gesellschaft möglich war.

Einige dieser Themen die heute viel zu emotional geführt werden, zu unreflektierten Äußerungen verleiten und bei denen viel zu vielen die nötige Distanz fehlt, sind das Flüchtlingsthema, der Terrorismus und die Islamisierung. Ich kann die Befürchtungen einer weiteren Radikalisierung und die davon ausgehenden Gefahren nachvollziehen. Niemand wünscht sich dass die öffentliche Meinung in Bezug auf Flüchtlinge oder Muslims_a kippt, ich glaube aber dass wir in der Lage sind mit realistischen Bewertungen umzugehen. Warum? Wir haben doch auch über den Nationalsozialismus, die Ausbeutung, die Verbrechen der westlichen Kriege usw. offen diskutiert, zum Teil aufgearbeitet und, so glaube ich, dadurch Schrittweise zu einer kritischeren Haltung gegenüber solchen Erscheinungen gefunden.

Konkret sehe ich beim Flüchtlingsthema die Angst vor einer Diskussion wenn es um die Frage geht, wie viele Flüchtlinge ein Land verkraften kann und das alle Syrer „Flüchtlinge“ sind. Besonders der zweite Punkt darf hier wohl als reine Schutzbehauptung bezeichnet werden. In einem derart unübersichtlichen Bürgerkrieg, in dem es laut US-amerikanische Defense Intelligence Agency im Juli 2013 etwa 1200 Oppositionsgruppen gab, kann wohl niemand ernsthaft behaupten „das sind alles Menschen, die gerade vor diesen terroristischen Gruppen geflohen sind“. Auch hier wird wieder mit einer vereinfachten aber wirkungsvollen Gegenoffensive gearbeitet, nämlich als ob die Annahme dass sich unter den Flüchtlingen auch radikalisierte und fanatische Islamisten befänden, praktisch eine Generalverdächtigung aller Flüchtlinge beinhaltet.

Eine weitere schwierige Thematik betrifft die Islamisierung. Mein absolutes Lieblingsargument ist in diesem Zusammenhang ist, dass sich die Radikalisierung und Gewaltbereitschaft in unseren Gesellschaften vollziehe und folgedessen auch nur hier präventiv dagegen vorgegangen werden kann. Hier haben wir es wieder mit der entweder, oder Argumentation zu tun, statt einer sowohl als auch. Denn die Tatsache dass die Finanzierung, die Ideologisierung und die Ausbildung für den Dschihad vom Ausland her geschehen, wird mal eben kurz vernachlässigt.

Es mutet schon einigermaßen skurril an, wenn manche ernsthaft, persönliche Erfahrungen mit liberalen und netten Muslims_a als Gegenargument anführen. Niemand zweifelt daran, dass viele Muslime in Europa auch nur ein friedliches und freies Leben anstreben. Aber der Islam beherrscht die öffentliche Debatte und zwingt unsere Gesellschaft sich permanent mit sämtlichen Facetten dieses Glaubens auseinanderzusetzen. Der amerikanische Journalist Christopher Caldwell schrieb schon 2009, dass der Islam die wichtigste Religion in Europa sei, weil ihr medial die größte Aufmerksamkeit gewidmet werde.

Dass sich der Islam als solcher einer Kritik entzieht, durch fortwährende Behauptung dass es „den Islam“ nicht gibt, ist in Anbetracht der unzähligen Widersprüche die sich aus den offiziellen und inoffiziellen Statements der so genannten Gelehrten ergeben, offensichtlich eine Taktik, um seine Kritiker zu entzweien und zu verwirren. Daher muss sich die muslimische Bevölkerung in Europa auch die Fragen über Frauenunterdrückung, Gewalt, Schwulenhass und Antisemitismus gefallen lassen, ohne sofort wieder die Opferkarte auszuspielen. Ich gebe zu mit Religiosität, die das Leben in all seinen Facetten reglementiert und Gehorsam bis zur Aufgabe des eigenen Denkens fordert, nicht viel anfangen zu können. Wahrscheinlich fällt es mir auch deshalb so schwer nachzuvollziehen, warum sich nicht mehr Menschen von dieser Religion abwenden, so wie das bei Christen in Folge von Verfehlungen und Übertretungen der Geistlichen bzw. der Kirche üblich ist.

Eine offene Diskussionskultur, auch in den social media Plattformen, zwischen Muslims_a und den Kuffar könnte zu einem gegenseitigen Verständnis beitragen, findet aber offensichtlich kaum statt. Oder gibt es hier auf FuF Muslims oder Muslima? Ich habe den Eindruck dass hier schon diese Trennung stattfindet, obwohl ich mich gerne mit den Menschen, die dem Islam angehören, direkt auseinandersetzen würde.

Wer die islamische Lebensweise, mit all seinen rigiden und autoritären Vorschriften, bevorzugt kann sich beruhigt zurück lehnen und abwarten. Wer jedoch eine freie und liberale Gesellschaft bevorzugt sollte wachsam sein. Die hohe Zuwanderung von Menschen die vorwiegend dem muslimischen Glauben angehören und die demographische Entwicklung werden einen Wandel in unserer Gesellschaft bewirken. Ob dieser Wandel zu einer Rückentwicklung unserer Gesellschaft, durch die Implementierung  archaischer Denk und Verhaltensmuster sowie einer Rückkehr in ein patriarchales System führt, oder wir uns unsere kulturelle Identität bewahren können, kann heute wahrscheinlich niemand vorhersagen.

Ich möchte hier nur zwei Beispiele anführen für den widersprüchlichen Diskurs über den Islam in Europa, deren Aussagekraft jeder für sich beurteilen soll.

Tariq Ramadan ist ein Schweizer Islamwissenschaftler und Publizist. Als Experte gehörte er mehreren Kommissionen des Europaparlamentes an und ist Mitglied der „Gruppe der Weisen für den Dialog der Völker und Kulturen“ bei der Europäischen Kommission unter Vorsitz von Romano Prodi.

Er tritt als Vertreter konservativer und orthodox-sunnitischer Positionen auf und bezeichnet sich als „Reformsalafist“. Ramadan setzt sich für die da'wa ein, die islamische Mission in Europa. Ihr Ziel sei, dass die Europäer den Islam freiwillig annähmen, ohne ihre Sprache oder Sitten ablegen zu sollen, solange diese mit der Scharia vereinbar seien.

Jedenfalls sind die Muslime, wie Tariq Ramadan sagt, eine Tatsache. Mit der müssen alle umgehen lernen (derstandard.at/2000005451456/Muslime-in-Österreich)

Aus der Sendung Orientierung vom So, 22.11.2015

Moderation: Christoph Riedl-Daser

Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien.

Frage: Herr Aslan ist das alles ein Missverständnis, interpretieren Dschihadisten des IS einfach den Islam falsch?

Professor Aslan:Sie interpretieren den Islam nicht falsch, das ist eine verbreitete Lehre an den islamischen theologischen Fakultäten in dem islamischen Lehre, du schaust kann ich die Theologie der vom des IS sehr gut verstehen, eigentlich.

Frage:  Ja, wenn man aber hört das viele Gelehrte in Europa eine andere Interpretation der Verse, der Gebote sehen, dann scheint das wenig Eindruck auf die zu haben die nach ihren Regeln leben?

Professor Aslan: Diese Gelehrten setzen sie sich nicht mit der Zielsetzung vom IS auseinander sondern vielmehr mit der Methodik vom IS. In der Zielsetzung wird der IS nicht in Frage gestellt, sie können auch in Europa keine einzige Moschee finden die die Gründung eines islamischen Staates oder Kalifat in Frage stellt. Der islamische Staat und Kalifat steht im Zentrum des politischen Islams.

Frage: Aber braucht es diese Verurteilungen, braucht es immer wieder diese Distanzierung und hat das überhaupt irgendeinen Einfluss auf IS-Kämpfer. Ist das denen nicht komplett egal was weltweit Gelehrte sagen?

Professor Aslan: Die Position der Gelehrten entspricht nicht der Lehre die sie an den islamischen Universitäten lehren. Was in Mossul unter der Leitung vom IS gelehrt wird ist identisch was man in Saudi Arabien, in Ägypten teilweise auch in der Türkei unterrichtet. Wenn ich ihnen ein Beispiel geben kann, zu Selbstmordattentate, renommierte moslemische Theologen, geistige Führung von Muslimbruderschaft begrüßt die Selbstmordattentate in Palästina.Der sagt, wir müssen einfach Angst jagen in die Herzen der Ungläubigen. Deshalb kann ich hier keine großen Unterschiede zwischen dieser Lehre und dem Verhalten vom IS eigentlich sehen.

Frage: Aber jetzt hat der Islam insofern eine andere Situation als etwa die katholische Kirche, da gibt es einen Papst, da gibt es ein Lehramt, das gibt es im Islam nicht. Wie kann man dennoch hier positiv einwirken das der Islam sich hier entwickelt.

Professor Aslan: Wir haben im Islam keine Institution wie die Kirchen, aber im Islam haben wir eine Gelehrtentradition, die wir hier in Europa beleben können, weil wir in Europa diese Freiheit haben, die uns in den islamischen Ländern leider fehlt. Wir können damit Anfangen das wir einfach den Mensch als Zentrum dieser Theologie betrachten, die Stellung des Korans und der Sunna des Propheten neu definieren, vor allem die Religion von der Scharia trennen und dann einfach uns zur Pluralität bekennen, das die Muslime sich mit einem säkularem System identifizieren können. Leider fehlen uns diese Grundlagen das wir einfach mit einer Alternativtheologie die Theologie des IS ablehnen können. Uns fehlt diese Alternativtheologie nicht nur in den islamischen Ländern sondern auch hier in Europa. Deshalb können wir mit unseren Ideen mit unseren Ablehnungen, Kritik die jungen Menschen von einer neuen Theologie nicht überzeugen.

Frage: Wie könnte es gelingen diese jungen Menschen in Europa zu überzeugen, dass nicht dieser wie ein Popfilm verkaufter Islam, wo es um Gewalt und Tötung geht, das der, der wahre Islam ist, wie kann das gelingen?

Professor Aslan: Das kann uns an den europäischen Universitäten gelingen, dass wir einen Islam mit europäischer Prägung etablieren können. Dieser Islam mit europäischer Prägung bekennt sich zur Pluralität und definiert die Stellung des Koran und der Sunna des Propheten neu und begründet die Stellung der Pluralität im Islam. Daraus kann eine neue Identität, eine dynamische Identität unter den jungen Menschen hier in Europa entstehen.

Frage: Sie sind selbst Pädagoge, Religionspädagoge, nehmen sie diese Entwicklung in Österreich wahr, gibt es diese Ansätze sich hier kritisch auseinanderzusetzen.

Professor Aslan: Wir haben in Österreich das Problem das viele muslimische Organisationen leider vom Ausland gesteuert werden. Und solange wir einfach in dieser  Abhängigkeit stehen, dann wird so ein Islam mit europäischer Prägung sehr schwer entstehen. In dieser Debatte zum Islamgesetz haben wir auch festgestellt dass sehr viele Organisationen auf der Einmischung der ausländischen Staaten bestehen. Erst nach einer unabhängigen Debatte hier in Europa, kann ein Islam mit europäischer Prägung entstehen, der auch die jungen Muslime von einer neuen Theologie überzeugen kann.

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