Memoiren einer Geschäftsreisenden - Amerikaner sind oberflächlich und dumm!

In meinem Export-Geschäftsleben wollte meistens niemand mit den Amerikanern und den Arabern zu tun haben, deshalb blieben sie üblicherweise an mir hängen. Und ich liebte es!

Meine erste US-Geschäftsreise führte mich nach New York. Was kann einem Besseres passieren? Abgesehen vom ersten überwältigenden Eindruck, wenn das Taxi aus dem Midtown Tunnel auf- und in die Wolkenkratzerschluchten eintaucht oder man sein mitgebrachtes Frühstück vor der Arbeit auf der Aussichtsplatform eines der Hochhäuser einnimmt oder wenn im Bryant Park um acht Uhr früh schon Norah Jones auf der Bühne steht, haben mich die US-Aufenthalte immer sehr beflügelt.

"Die sind dumm, ungebildet und oberflächlich" hört man in Europa meist, wenn es um die Amerikaner geht. Stimmt, Austria und Australia sind nicht so leicht zu unterscheiden, und sie auf der Landkarte zu finden, ist auch nicht so leicht. Aber Hand aufs Herz, wie viele Österreicher wissen über die USA mehr als das, was sie aus Fernsehserien und  Hollywood-Filmen kennen?

Ich war zunächst begeistert von der Freundlichkeit der Amerikaner. Auch wenn sie mich fragten "How are you today?" und ich mich fragte "Wieso, haben wir uns gestern schon gesehen?". Ein freundlicher Umgang miteinander macht einfach den Tag schöner! Ich liebe es, wenn mich eine wildfremde Frau auf der Strasse anspricht und sagt "Ich liebe ihr Kleid!", wenn mir jemand im Hotelaufzug über dreißig Stockwerke seine Lebensgeschichte erzählt, wenn man von Männern ein einfach nettes "Du siehst heute gut aus!" hört, wenn man von Leuten, die man erst vor kurzem kennengelernt hat, herzlich umarmt wird. Mag schon sein, dass ich all diese Leute nie wieder sehe, aber sie haben meinen Tag mit einer Kleinigkeit bereichert. Ich remple versehentlich jemanden auf der Strasse an und die andere Person entschuldigt sich. Das finde ich wunderbar! Man braucht  nicht nur mieselsüchtig durch den Tag gehen!

Auf der anderen Seite muss man auch erst lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Ein Amerikaner sagt nun einmal nicht "Das gefällt mir nicht", er sagt "Das ist sehr interessant". "Das ist sehr interessant" ist so ziemlich das Schlimmste, was einem im Geschäftsleben passieren kann. Es bedeutet, man ist durchgefallen. Das Produkt, das man anbietet, interessiert keinen. Aber das wußte ich bei meiner ersten Reise noch nicht. Ich dachte, ich hätte mein Geschäft schon so gut wie in der Tasche. Nach einiger Zeit kannte ich mich aber schon gut aus, wie was gemeint war. Die Amerikaner sehen zwar mehr oder weniger so aus wie wir, es gibt aber dennoch große Unterschiede im Denken.

Das andere, das man nicht so ernst nehmen darf, sind Aussagen wie "Dann komm mich doch einmal besuchen", denn das kann natürlich ernst gemeint, aber auch einfach eine Höflichkeitsfloskel sein. Man darf nicht alles wörtlich nehmen, sondern muss, wie schon gesagt, zwischen den Zeilen lesen.

Aber wenn man das alles einmal durchschaut hat, wird man das Arbeiten mit Amerikanern gern haben. Nur geduldig muss man sein, sie sind nämlich nicht so perfekt, wie mancher vielleicht glaubt. Man hat zwar dort viel weniger Urlaub als bei uns, aber es geht in der Zeit, wo sie arbeiten, nicht so viel weiter (Ausnahmen bestätigen die Regel) wie bei uns (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Mein Mentor, der mich viel im Umgang mit Menschen gelehrt hat, ist mein amerikanischer Freund Paul. Nie habe ich erlebt, wie er auch mit den größten Idioten ungeduldig wurde oder einen negativen Kommentar abgab. Rückschläge haben ihn nie zum Aufgeben gebracht. In dieser Hinsicht können wir viel von den Amerikanern lernen. Aus einer jahrelangen Geschäftsbeziehung ist eine tiefe Freundschaft geworden.

Irgendwie gehen sie mir schon ab, die dummen, oberflächlichen, ungebildeten Amerikaner!

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irmi

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