Die FPÖ und das schwedische Vorbild: Wenn Zahlen eine andere Sprache sprechen

In seiner gewohnt emotionalen Rede im Nationalrat, übte Herbert Kickl eine Fundamentalkritik und lobte den schwedischen Weg. Die auf Emotionen basierende Rede kann anhand von Zahlen entzaubert werden. Was ist nun der hierzulande von manchen gelobte schwedische Weg? Halten wir fest (Stand 24.04.2020): Vier Mal mehr Todesfälle, zehnfach höherer Anstieg der Infiziertenzahlen und fünf Mal mehr aktive Fälle in Schweden. Soviel zum Thema "zwischen Schweden und uns gibt es kaum Unterschiede" oder "auch ohne einen Lockdown hätten wir es geschafft". Übrigens, wirtschaftlich wird den Schweden seitens IWF fast dasselbe Minus attestiert wie in Österreich (-6.8% in S bzw. -7% in Ö). Mit dem Unterschied, dass die Schweden zehn Milliarden für den Wiederaufbau (27,6) stecken, als Österreich (38). Das alles bei halb so vielen Testungen und geringerer Bevölkerungsdichte. Die hohen Arbeitslosenzahlen sind übrigens in den meisten betroffenen Staaten sehr hoch. Das ist kein österreichisches Alleinstellungsmerkmal. Der Unterschied ist aber, dass Österreich - auch aufgrund der Mittel - langfristig besser aussteigen wird, als manch andere Länder.

Also abgesehen davon, dass das Vielfache an mehr Menschen sterben, sind die wirtschaftlichen Prognosen für Schweden (gemessen am BIP) nicht besser. Alleine die Tatsache, dass einige die Wirtschaft leichtfertig über Menschenleben stellen und es herunterspielen, ist zynisch. Es wäre diesen Menschen gut beraten mit jenen zu reden, die leider jemanden verloren haben.

Der Weg, der sogar in Schweden sehr umstritten ist

Der hierzulande von der Opposition gelobte schwedische Weg ist in Schweden übrigens nicht unumstritten. Der verantwortliche Epidemiologe Anders Tengell traf davor schon irrtümliche Prognosen - etwa, dass der Virus nur in Wuhan bleiben werde, oder, dass sich in Schweden keiner/wenige damit anstecken werden. Sein Weg wurde übrigens von den 22 prominentesten schwedischen Epidemiologen scharf kritisiert - mit der Forderung zurückzutreten. Sogar noch mehr: Auch in Schweden sah man sich Ende März gezwungen, einige Bereiche stärker einzuschränken, etwa bei Veranstaltungen oder Altersheimen (nach dem man herausgefunden hat, dass viele Altersheime verseucht waren).

Länder, die im Westen ähnlich gut abgeschnitten haben, sind vor allem Tschechien und Israel, die ähnlich schnell und rigoros gehandelt haben. Auch wenn es einigen nicht schmeckt, kann man empirisch ganz nüchtern, ohne Theatralisierung und Emotionalisierung die unterschiedlichen Wege gegenüberstellen. Tschechien fährt das Land nun - wie Österreich - schrittweise hoch. Verglichen mit den meisten westlichen Ländern, schneidet Österreich sehr gut ab - egal ob mit Belgien, dessen Vergleich von der FPÖ kritisiert wurde, oder den Niederlanden, Portugal, Schweiz oder Irland verglichen.

Pluralismus ist keine Einbahnstraße

Zu guter Letzt: Die Kommentarsektion einzelner Politiker und Parteien ist nicht repräsentativ für das ganze Land und das ist auch gut so. 79/80% der Menschen finden, dass Österreich das Virus unter Kontrolle hat und die Maßnahmen gerechtfertigt waren. Bei einer jetzigen Wahl würden 41% die ÖVP, 19% die Grünen wählen - also 60% für die Regierungsparteien. Was sich so oder so aber sagen lässt: In einer Demokratie können alle ihre Meinungen vertreten und die Opposition erfüllt eine wichtige Funktion. Das Recht, die eigene Meinung sagen zu dürfen, verpflichtet aber nicht alle, dieser Meinung auch zu folgen. Das gilt vor allem für einzelne FPÖ-Politiker, die mit 10% (laut Umfrageergebnissen) im Begriff sind, das ganze "Volk" zu repräsentieren. Man darf heute froh sein, dass nicht ebensolche Politiker in Österreich die Regierungsverantwortung tragen - sonst hätten wir den schwedischen, unverantwortlichen Weg.

Die Medienkritik einer Partei, die österreichische Medien verkaufen und umbauen wollte, kann man beinahe unkommentiert lassen. Ein Blick auf die unterschiedlichen Medien, die – wie in einer Demokratie üblich und notwendig – verschiedene Facetten, Standpunkte beleuchten und oft auch Kritik gegenüber der Regierung äußern, zeugt vom gelebten Pluralismus.

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