Alle Jahre wieder, der Frühlingsbacklash!

Daran merkt man, dass langsam der Frühling ins Haus steht. Jedes Jahr wieder werden um den 8. März herum frauenspezifische Statistiken veröffentlicht und medial der Gender Pay Gap beklagt. Und dann geht es in den Online-Foren dieses Landes hoch her. Tausende beleidigte Männer posten sich ihren Unmut von der Seele. Einen könnte man sie unter der Überschrift: Selber schuld, ihr blöden Weiber! Die Untertitel variieren: Hättet ihr halt Maschinenbau statt Germanistik studiert! Was bekommt ihr auch Kinder? Wieso arbeitet ihr nicht am Bau? Und überhaupt das Pensionsalter und zum Militär müsst ihr auch nicht! Seid doch froh, dass ihr Autofahren dürft!

Das Weltbild der Armee der zornigen Herren sieht in etwa so aus: Gleichberechtigung ist längst gegeben und an allen Nachteilen, die Frauen noch haben, sind sie selbst schuld oder diese sind durch die Biologie unumstößlich gegeben. Überhaupt, inzwischen werden die Männer benachteiligt. Alles was mit dieser Ideologie in Konflikt steht wird einfach ausgeblendet. Und auf diese blinden Flecken würde ich gerne mal eingehen:

Vorwurf 1. Hättet ihr halt Maschinenbau statt Germanistik studiert!

Das ist weitaus das Lieblingsargument um Pay Gap Studien zu verreißen. Was dabei gerne vergessen wird: Diese Studien gibt es auch nach Branchen sortiert. Der Pay Gap wird zwar etwas kleiner, aber er verschwindet keineswegs wenn man nur noch Maschinenbauer mit Maschinenbauerinnen vergleicht, sondern ist nach wie vor deutlich. Nur an den unlukrativen Studienpräferenzen von Frauen liegt es also nicht, auch wenn diese ein Faktor sind. Der Grund warum Frauen auch mit gleicher Ausbildung oft schlechter bezahlt werden, liegt in der ungerechten Aufteilung der Familienarbeit. Ein Arbeitgeber kann immer noch davon ausgehen, dass es wesentlich wahrscheinlicher ist, dass eine Frau in Karenz und später in Teilzeit geht, als ein Mann, dadurch wird es unlukrativer Frauen innerbetrieblich durch Fortbildungen und Beförderungen für ihre Leistung zu belohnen. Ergo, bekommen diese solche einkommenssteigernden Vorzüge wesentlich seltener. Den Betrieben, insbesondere den kleinen, kann man das nicht mal vorwerfen, die müssen schließlich an das Gesamtwohl der Firma denken. Hier würde es nur helfen, wenn sich die Wahrscheinlichkeiten angleichen würden und Männer mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie Frauen in Karenz gehen würden (siehe Vorwurf 2).

Aber wollen wir das Lieblingsargument der Zornigen nicht unter den Teppich kehren. Es stimmt. Finanziell betrachtet treffen Frauen oft ungünstige berufliche Entscheidungen. Allerdings lohnt sich auch hier eine Frage auf das warum, anstatt von der gottgegebenen Doofheit des Weibes auszugehen. Wir alle werden Rollenbildern und Klischees von frühester Jugend an ausgesetzt, das fängt mit Puppen und Bauklötzen an, geht weiter über die „soziale Ader“, die Frauen zugeschrieben und von ihnen erwartet wird, hin zum DG Lehrer, der behauptet Frauen hätten kein dreidimensionales Vorstellungsvermögen. Sicher kann man sich gegen diesen Mist wehren und ihn widerlegen. Aber es ist anstrengend. Es zwingt den weiblichen Teil der Bevölkerung gegen die Strömung zu schwimmen, wenn sie sich für frauenuntypische Felder wie Mathe oder Physik interessieren. Natürlich bleiben da nicht gleich viele übrig, wie bei den Männern, die in diese Felder gedrängt werden und ausgelacht wenn sie Pädagogik studieren.

Vorwurf 2: Was bekommt ihr auch Kinder?

Tja, eigentlich würden wir ja alle zusammen Kinder machen. Aber kümmern drum tun sich halt dann größtenteils Frauen. Beruf und Familie sind hierzulande sehr schlecht zu vereinbaren. Der Staat bietet wenig Betreuung, schon gar nicht für Vollzeit Arbeitende und die Männer nehmen ihren Teil der Kinderverantwortung größtenteils nicht war. Zustande kommt das durch die historische Entwicklung des Feminismus. Am Anfang wollten sie Frauen ja primär mal raus aus der Küche. Also hat man so getan, als könnte man einfach beides machen, arbeiten und die Familie mit allem versorgen und behüten. Sorry, Jungs, das war gelogen. Ohne euch geht’s nicht. Irgendwer muss sich um die Kinder kümmern. Sie, Er oder der Staat. Ich denke, das idealste wären wohl alle drei. Sie und er weil ein Kind von beiden Elternteilen ganz viel lernen kann. Weil so beide eine Bindung zum Kind aufbauen und gleichzeitig ihre Berufe mit einer guten Work/Life Balance verfolgen können (nebenbei würde eine faire Karenz/Teilzeit-verteilung einen großen Teil des Gender Pay Gaps eliminieren, siehe auch Vorwurf 1). In Sachen staatlicher Betreuung plärrt der gelernte Zornpinkel dann gerne was von einer unglaublichen mystischen Bindung zwischen Mutter und Kind und was für eine unnatürliche Rabenmutter man doch sei, wenn man das Kind in eine Krippe oder eine Spielgruppe bringt. Leider steht die Biologie nicht wirklich so sehr auf der Seite der zornigen Herren, wie sie das gerne hätten. Mütter hatten früher viel mehr Kinder und dementsprechend nicht dauernd Zeit sich um alle permanent zu kümmern. Dafür lebten die Kinder aber auch miteinander und lernten viel von ihren Geschwistern. Heute sind Großfamilien selten. Da ist der Ersatz durch Kinder in einer Spielgruppe gar nicht schlecht. Das Sozialverhalten wird gefördert, die Selbstständigkeit wächst. Ein Einzelkind wird nicht, bis es 20 ist, vom Helicopterparenting einer hauptberuflichen Mutter erdrückt. Wäre also eine Win, Win, Win Situation für Sie, Ihn und das Kind.

Vorwurf 3: Wieso arbeitet ihr nicht am Bau?

Lässt man uns denn? Ich wollte eigentlich im Sommer mal bei Rauch im Lager arbeiten. Die haben nur Jungs genommen. Ich war damals recht kräftig, aber unter Beweis stellen durfte ich das nicht. Wär gut gezahlt gewesen für einen Ferialjob. Körperliche Arbeit ist so eine Sache. Da spielen wieder die Rollenbilder mit rein. Frauen sollen ja zart sein. Wenn wir nicht zart genug rüberkommen, will uns wieder kein Mann haben. Und weil wir so zart sind, will uns kein Arbeitgeber in Männerjobs. Obwohl Krankenschwestern dauernd Leute durch die Gegend heben und was nicht alles. Aber Doppelmoral war noch nie ein Problem in Genderfragen. Es gibt einen körperlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen, aber das soziale Konstrukt rundherum macht ihn viel größer, als er ist. Was wäre wenn man die Leute bei Rauch dazu zwingen würde, körperliche Leistungsvorgaben zu setzen anstatt nach Geschlecht zu diskriminieren? Es wär ein Anfang. Was wär, wenn wir aufhören würden Frauen die ein paar Muskeln haben als Mannweiber zu verspotten? Wär auch ein Anfang.

Vorwurf 4: Und überhaupt das Pensionsalter und zum Militär müsst ihr auch nicht! Und im Lokal zahlt ihr auch nie selber!

Da müsst ihr euch mit einer anderen Feministin streiten, Jungs. ich halte auch nichts von ausgleichender Ungerechtigkeit. Das niedrigere Frauenpensionsalter ist kein Vorteil. Wirklich nicht. Gerade in besser qualifizierten Berufen sind das die besten Jahre. Super bezahlt, Kinder sind aus dem Haus. Die wegzulassen führt nur zu Altersarmut. Berufsheer wär besser als Wehrpflicht, aber wenn sollte sie für alle gelten (grade um den Mythos von der körperliche Unterlegenheit der Frau ein wenig mit der Realität in Kontakt zu bringen, Ich empfehle eine Reise nach Israel). Ich zahl im Lokal selber und wenn ich eingeladen werde, revanchiere ich mich auch gerne mal bei dem Herren. Ich verdiene ja mein eigenes Geld und finde es schön, wenn ich damit mal jemand eine Freude machen kann. Und ich möchte, dass einem Mann klar ist, dass ich an seiner Person interessiert bin und nicht an seinem Geld. Also Jungs, alles geschenkt, wenn ich dafür gleichen Lohn für gleiche Arbeit und fiftyfifty daheim bekomme.

Vorwurf 5: Seid doch froh, dass ihr Autofahren dürft!

Oh mein Lieblingsvorwurf. Euch geht es doch eh so gut hier. Meistens in einem Atemzug damit, wie gleichberechtigt hier doch alles ist und das Frauen nur anderswo diskriminiert werden. Wie toll, das Leid und die Ungerechtigkeit in anderen Ländern heran zu ziehen um die Ungerechtigkeit in unseren Breiten zu erhalten. Der Vorwurf macht deutlich, wie sehr es uns alle angeht, was im Rest der Welt passiert. Frauenhass muss auf der ganzen Welt bekämpft werden, in der Form, in der er auftritt. Gerade, dass unsere Vorfahrinnen schon viele Rechte für uns erstritten haben, verpflichtet uns zum „lift as we climb". Wir müssen unsere Rechte hier verteidigen und volle Gleichberechtigung erzielen während wir uns mit der Macht, die wir bereits haben, gegen den entsetzlichen Umgang mit Frauen in anderen Ländern und Kulturen zur Wehr setzen. Ich bin froh, dass ich Autofahren darf, genau deswegen halte ich nicht mehr die Schnauze.

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Herbert Erregger

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