Arbeit von Tierschutzvereinen: Anzeigen wegen Tierquälerei.

Im Rahmen unserer Kampagne für ein Verbot der Gatterjagd und des Aussetzens gezüchteter Vögel für die Jagd haben wir auch viele Anzeigen wegen Tierquälerei erstattet. Die Reaktion mancher LeserInnen meiner Blogs war darauf, dass sie nicht ganz verstehen, warum ich das tue. Entweder die Gatterjagd ist schon verboten, dann kann man sie anzeigen, wenn man eine sieht, bzw. sollte die Polizei sie verhindern, aber dann bräuchte es doch unsere Kampagne nicht. Oder die Gatterjagd ist erlaubt, deshalb machen wir ja eine Kampagne dagegen, wozu dann aber anzeigen.

Zunächst muss ich klarstellen, dass eine der ganz wesentlichen Aufgaben, ja Dienstleistungen von Tierschutzvereinen jene ist, für Menschen, die sich an sie wenden und eine von ihnen beobachtete Tierquälerei melden, Anzeige zu erstatten. Wir bekommen sehr viele solcher Meldungen herein und können nur einer gewissen Anzahl pro Jahr nachgehen. So kommen wir auf gut 300 Anzeigen in 12 Monaten, die wir einbringen. Beim VGT, wie bei vielen anderen Vereinen, ist extra nur dafür eine Person angestellt, Meldungen dieser Art entgegen zu nehmen, sie zu verifizieren und Anzeige zu erstatten.

Aber wozu? Manche Vorfälle sind ganz klar Übertretungen des Tierschutzgesetzes und müssen geahndet werden. Sie fallen der Behörde nicht auf, weil einerseits Tierquälerei oft nicht ernstgenommen wird und als Kavaliersdelikt gilt, und weil andererseits sehr wenige Kontrollen stattfinden, in Tierfabriken z.B. laut Kontrollverordnung nur alle 50 Jahre ein Mal! Als das Verbot von Legebatterien 2009 in Kraft trat, wurde es von vielen Betrieben einfach ignoriert. Erst durch unsere Aufdeckarbeit und die Anzeigen wurde nach vielen Monaten der rechtmäßige Zustand hergestellt. Wenn wir schon Verbesserungen im Tierschutzgesetz erreichen, dann müssen wir auch darauf schauen, dass das neue Gesetz vollzogen wird.

Aber sehr viele andere Fälle von Tierquälerei sind einfach eine übliche Praxis, die geduldet wird, obwohl sie dem Wortlaut des Gesetzes widerspricht. Beispiel ist das routinemäßige Kupieren der Schwänze von Ferkeln, obwohl das Gesetz dieses Vorgehen nur im Ausnahmefall bei auftretenden Problemen zulässt. Da kann eine Lawine von gut belegten Anzeigen eine Diskussion auslösen und das Problem virulent machen. Ähnlich gelagert ist die Situation, wenn eine Praxis einem Gesetz widerspricht, aber von seiner Verordnung oder von einem anderen Gesetz explizit erlaubt wird. Das ist ganz typisch im Tierschutz, weil hier die Rechtslage in einer ständigen Entwicklung steht und es massives Lobbying von großen Wirtschaftsinteressensverbänden gibt. Die Folge sind Widersprüche, wo man hinschaut. Das Aussetzen von Fasanen für die Jagd ist so ein Fall. Laut Tierschutzgesetz ist das Aussetzen von Tieren, die in der Freiheit nicht lebensfähig sind, verboten. Ausnahme ist nur die Ausübung der Jagd. Wenn also Fasane lange vor der Jagd ausgesetzt werden, wie es laut Jagdgesetz sein müsste, hat das ja mit der Ausübung der Jagd nichts zu tun, die laut Gesetz durch das Nachstellen von Wild definiert ist, und es müsste das Tierschutzgesetz gelten. Auch hier kann eine Lawine von Anzeigen den Finger schmerzhaft in die Wunde legen. Mehr ist für uns im Tierschutz nicht möglich, solange Tiere in Essenz als Sachen gelten.

Aber da ist noch ein ganz wesentlicher anderer Grund für unsere Anzeigen gegeben. Viele Gesetze verbieten keine konkrete Praxis, sondern das unnötige Zufügen von Qualen. Was unnötig ist und was Qualen sind, müssen die Gerichte entscheiden. Und wie die Gerichte das werten, hängt natürlich stark von der Meinung in der Bevölkerung ab. Und diese wird von Jahr zu Jahr tierfreundlicher und sensibler. Also fallen heute Praktiken unter unnötige Qualen, die noch vor 20 Jahren keine waren, oder es gelten heute Praktiken als keine unnötigen Qualen, die in 20 Jahren sehr wohl als welche gelten werden. Und diese Entwicklung in den den Gesetzen zugrundeliegenden Werten kann sich nur auf die rechtliche Praxis auswirken, wenn man die Gerichte immer wieder anruft und diese Praxis überprüfen lässt.

Vor 20 Jahren waren Gatterjagden, also das Hetzen von gefangenen Tieren bei einer Treibjagd in einer Umzäunung, allgemein anerkannte Praxis und daher keine unnötige Qual. Doch die Zeiten haben sich geändert, die Lust an der Jagd an sich wird nicht mehr als notwendig, d.h. als eine rechtfertigende Begründung für eine Tieren zugefügte Qual anerkannt. Und viele der Dokumentationen, die wir von solchen Gatterjagden zurückgebracht haben, beweisen allein schon durch die Reaktion der Bevölkerung, dass so etwas rundheraus abgelehnt wird. Auch die Tierschutzombudsfrau der Steiermark, die lange Amtstierärztin war, vertritt nun den Standpunkt, dass eine Treibjagd in einem Gatter – auch wenn sie nach dem Jagdgesetz erlaubt ist – nach dem Strafrecht als Tierquälerei zu gelten hat.

Zuerst bekommen StaatsanwältInnen unsere Anzeigen, die erste Hürde. Handelt es sich um eine ausreichend sensible Person, die eine Möglichkeit sieht, dass es sich um Tierquälerei handelt, dann leitet sie Ermittlungen ein, die Polizei wird mit dem Sammeln der Beweise beauftragt. Das Ermittlungsergebnis wird noch einmal evaluiert – die zweite Hürde. Ist der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin motiviert, dann geht es vor Gericht. Und nun – die dritte Hürde – entscheiden RichterInnen, wie das Gesetz zu interpretieren ist. Sollte aber die Gatterjagd in einem einzigen Fall als strafrechtliche Tierquälerei verurteilt werden, dann könnten Dämme brechen und die Praxis in der Rechtsprechung verboten werden, ohne dass die Politik das Gesetz ändern muss.

Darum erstatten wir Anzeige.

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