Max Neumeyer

Von einem der die Schnauze voll hat

Teil 12

Ein Schicksalsschlag

Seit meinem letzten Blog sind wieder einige Wochen ins Land gezogen. Auch in dieser Zeit hat sich wieder einiges getan. Gutes und Schlechtes. In den letzten Jahren – genau gesagt seit meinem ersten und hoffentlich auch letzten Burnout, das mich nach meiner Tätigkeit als Redaktionsleiter einer Lokalzeitung überrollt hat, versuche ich mit mehr Achtsamkeit durchs Leben zu gehen. Ich bin noch genauso humorvoll wie eh und je. Bin immer noch sehr umtriebig und voller Ideen aber hin und wieder bin auch noch nervös oder gar jähzornig. Ich bin ein Mensch, aber ich versuche, mich besonders in emotional herausragenden Momenten selbst zu beobachten – wenn man das überhaupt so nennen kann.

Achtsamkeit mag für viele nach einem ausgelutschten Begriff klingen – für mich ist es zu einer Lebenseinstellung geworden. Der Vorteil: Selbst die kleinen positiven Momente im Alltag werden als etwas nicht alltägliches, als etwas besonderes wahr genommen. Der Nachteil: Schicksalsschläge treffen einen, nach dem ersten Schock, mit voller Wucht und rasen mit Hochgeschwindigkeit durch die eigene Gefühlslandschaft. Dennoch ist es besser, sich diesen Gefühlen zu öffnen und sich auch negativen Emotionen hinzugeben, denn nur so kann die Katharsis nach kleineren und größeren Katastrophen von statten gehen.

Dass es auch bei unserem Projekt „Selbstversorgung“ zu Rückschlägen kommen wird, war meiner Frau und mir von Anfang an klar – nennen Sie uns einfach Utopisten mit Hausverstand. Dass diese Rückschläge so schnell kommen und derart brutal sein können, hätten wir allerdings nicht gedacht. Beim Aufbau unserer „kleinen Farm“ im Südburgenland gab es in den letzten drei Monaten immer wieder kleine Ärgernisse, das gehört besonders bei dieser Art des Lebensstils einfach dazu: Gemüsepflanzen sterben ab oder werden von Schnecken gefressen, später Frost dezimiert die Obsternte oder der Hammer landet beim Werken mit voller Wucht auf dem Daumen. Mit solcherlei Kleinigkeiten lernt man zu leben, aber nicht alle Schicksalsschläge sind so leicht zu verkraften.

Samstag, der 18. Juni 2016 war für uns ein lang erwarteter Tag: Vier wunderbare Alpakamännchen, zwei Wallache und zwei junge Hengste, sollten unsere Landfamilie komplettieren. Seit einigen Wochen freuen wir uns wie verrückt auf diesen Tag. Alpakas gehören zu Familie der Neuwelt-Kameliden und sind tolle Zeitgenossen. Sie sind ruhig, freundlich, neugierig, sehen witzig aus und sind dennoch ziemlich pflegeleicht. Die vier Burschen Antonio, Tiago, Don und Sancho sollen uns nicht nur als Bio-Rasenmäher zur Seite stehen, sondern als echte Familienmitglieder in unsere kleinen Gemeinschaft, bestehend aus drei Menschen, zwei Hunden, drei Enten sowie sechs Hühnern und einem Hahn, aufgenommen werden. Für diese vier haarigen Gesellen haben wir unser letztes Erspartes geopfert.

Die Ankunft der Alpakas war für alle Seiten sehr aufregend. Für Anfänger wie uns, war es gar nicht so einfach die neu zusammengewürfelte Herde den Hang hinunter in den Stall zu bekommen. Da Alpakas speziell zu Beginn doch eher schüchtern sind, war ich sehr stolz, dass es mir gelungen ist, ihnen auch die Halfter abzunehmen – am Kopf sind die „kleinen Kamele“ sehr empfindlich. Meine wunderbare Frau nennt mich seitdem den „Alpakaflüsterer“ - ich bin gespannt, ob ich diesem Ruf auch in Zukunft gerecht werden kann.

Die ersten vier Tage mit unseren neuen Mitbewohnern waren wunderschön und äußerst spannend. Mit Geduld und einer großen Portion Leckerlis haben wir uns bemüht eine tiefere Beziehungen mit diesen tollen Tieren einzugehen. Leider hat uns das Schicksal erst einmal einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Am fünften Tag passierte es. Als ich die Jungs am Vormittag mit einer Portion „Alpakamüsli“ in ihrem Stall besucht habe, war noch alles normal. Auch Antonio, der sich durch sein Zutrauen, seine besondere Zeichnung und seinen humorigen Charakter stark von den anderen Tieren abgehoben hat, fraß mir wie bereits gewohnt aus der Hand. Nach diesem ersten Snack, haben sich die vier Freunde daran gemacht unseren Rasen zu kürzen – es war alles wie es sein soll und ich ging zum schweißtreibenden Unkrautzupfen ins Gemüsebeet. Es war ein schöner sonniger Tag im Südburgenland.

Als ich rund zehn Minuten später wieder hinauf zum Haus, sah ich Antonio bereits mit verdrehtem Hals und herausgestreckter Zunge am Boden liegen. Ich ahnte Schlimmes und mein Herz begann wie wild zu schlagen. Bitte nicht! Antonio atmete nicht mehr und die anderen drei Burschen, allen voran sein Halbbruder Tiago, wirkten verwirrt. Ich rief sofort unseren Tierarzt an, der mir genau erklärte wie ich den Tod unseres neuen Freundes feststellen könne. Zwei Minuten später schickte ich ein SMS an meine Frau: Antonio ist tot!

Panisch begann ich den Stall-Vorplatz provisorisch einzuzäunen, um die anderen drei Alpakas von Antonio zu trennen. Ich wusste ja nicht was die Todesursache war und wollte verhindern, das eventuell giftige Pflanzen von den anderen auch gefressen werden. Das „in den Stall treiben“ der drei verängstigten Tiere erwies sich als äußerst schwierig, doch es gelang mir mit einigen Tricks. Kurz danach kam meine Frau aus der Arbeit nach Hause und fand mich bei Antonio. Erst als ich sie sah, ließ der panische Schockzustand nach und ich fing an zu weinen, wie ich schon seit Jahren nicht mehr geweint habe. Auch meine Frau konnte sich nicht zurückhalten. Es war der schlimmste Tag seit Jahren!

Nachdem meine wunderbare Frau wieder zurück in die Arbeit gefahren ist, musste ich mich sehr überwinden, den leblosen Körper unseres liebgewonnenen Antonios auf den Anhänger zu heben. Unser 6-jähriger Sohn sollte „seinen Lieblingsalpaka“ auf keinen Fall so sehen. Mit Antonio im Schlepptau fuhren meine Frau und ich dann etwas später in die veterinärmedizinische Uni Wien, um die Todesursache herauszufinden. Das Ganze passierte gestern. Im Moment sitze ich daheim und warte auf das Ergebnis der Obduktion. Armer Antonio, du wirst uns fehlen. Seinen drei Gefährten, die heute noch immer etwas verwirrt wirken, habe ich bereits versprochen wieder einen neuen, netten Freund für sie zu finden – wenn wir wieder ein bisschen Geld auf der hohen Kante haben.

Bye bye Antonio, wir hoffen, Du bist jetzt an einem wunderschönen Ort mit vielen hübschen Alpakadamen! Baba, wir lesen uns!

Max Neumeyer

Du wirst uns fehlen, Antonio!

Max Neumeyer

Deine Lebensfreude war ansteckend.

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lie.bell

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Spinnchen

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