Die an Genialität grenzende Senilität des nervenaufreibenden Selbstdarstellers und die an Senilität grenzende Systemlogik der Medien verstärken einander. Das ist die Dialektik der Lugnerpresse.

Ich kann mich nicht erinnern, seit wie vielen Jahren und Jahrzehnten jeder Furz des Baumeisters in Rundfunk und TV sein Echo findet und sich in Druckerschwärze der Printmedien materialisiert, bevor diese sich zu Altpapier stapeln. Lugner ist der Beweis, dass die Lugnerpresse funktioniert. Wer darin einen Beweis für die Lügenpresse sieht, liegt falsch.

Die These von der Lügenpresse geht davon aus, dass die Interessen einzelner (Personen, Parteien oder Geheimbünde) darüber entscheiden, was wo wie berichtet wird. Die These von der Lügenpresse geht davon aus, dass eine Person, eine Partei oder ein Geheimbund die Fäden zieht. Also z.B. Richard Lugner. Wäre diese These empirisch nachweisbar, so müsste mindestens einmal jährlich in der Lugnercity ein Geheimtreffen aller namhaften Chefredakteure dieses Landes stattfinden, bei dem der große Baumeister seinen Logenbrüdern von der Presse vorgibt, was sie in den kommenden Monaten über ihn zu berichten haben.

Ich erwarte mir nicht mehr als ein müdes Hahaha beim Leser dieser Verschwörungstheorie. Und trotzdem: die Lugnerpresse funktioniert wie geschmiert! Warum? Weil die Systemlogik der Medien noch einfacher gestrickt ist als alle monokausalen Verschwörungstheorien.

Die drei Faktoren warum Medien über etwas berichten und nicht nicht, lauten: (1) Aktualität, (2) Sensation, (3) Prominenz.

Für Aktualität hat Lugner alias Mörtl in seinen Anfangsjahren gesorgt: die häufige Schräglage seiner Baufirma, der Bau der Lugnercity, Kampf mit den Behörden, seine ersten Opernball-Auffälligkeiten. Lugners jährliche Opernball-Gästin hat sich zur Sensation verselbstständigt. Je langweiliger der Opernball Jahr für Jahr wird, umso sicherer schmeißen sich die Medien darauf, wen Lugner aus dem Hut zaubert. Wen kündigt er an, wer gibt ihm einen Korb, wer kommt tatsächlich, wann landet der Star, wie viel Schmerzensgeld kassiert der Star für die unerträglichen Peinlichkeiten??? Fragen über Fragen und alle Medien sind der Meinung, sie müssten darüber berichten. Massenmedien berichten, was ihre Leser angeblich interessiert, kritische Medien berichten über die Auswüchse des Systems. Beide meinen, deshalb über Lugner berichten zu müssen. Alle folgen sie der Logik des Systems, in dem Sensation Inhalt substituiert und selbst zum Inhalt wird. Durch seine ständige Präsenz hat es der selbsternannte Kasperl zur Prominenz geschafft. Letzlich wurde Lugner sogar vom Kaiser geadelt und ist so vom B zum A Promi aufgestiegen, von der ATV- zur ORF-Prominenz.

Sensation und Prominenz brauchen keinen Inhalt, brauchen keine Aufforderung an die Chefredakteure und untergeordneten Redakteure zu berichten. Sensation und Prominenz sind die zuverlässigsten Faktoren, dass ein Thema zu Selbstläufer wird. So einfach funktioniert die Lugnerpresse. Und die sogenannte Lügenpresse ebenso.

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