Italien-Pleite: Fünf Wege aus dem „Oliven-Sozialismus“

Acht Jahre nach der Finanzkrise sieht es in den europäischen Krisenländern schlechter aus denn je. Statt schmerzvoll Strukturen zu verändern, verplemperte man die Zeit mit dem (wesentlich einfacheren) Schimpfen auf Sündenböcke. Ein liebenswert verharmloster „Oliven-Sozialismus“ lässt den Jungen keine Chance – außer auszuwandern.

Gewerkschaftspower: Jugend ohne Job

Schon vor der Euro-Einführung hatte Spanien in der OECD die höchste Jugendarbeitslosigkeit. Die Immobilien-Spekulationswelle, von den niedrigen Euro-Zinsen ausgelöst, hatte dies nur kurz überdeckt.

Tatsächlich leiden die Ökonomien Süd- und Westeuropas gestern wie heute unter den rigiden Arbeitsgesetzen, die sozialistische Gewerkschaften in den 1970ern durchgeboxt hatten. Bis zu 3,5 Jahresgehälter mussten Spaniern bei Kündigung bezahlt werden. Unzählige Generalstreiks und eine kleine Reform später sind es heute immer noch zwei Jahreslöhne. Selbst Österreichs "Abfertigung Light" (ein Jahreslohn Abfertigung nach 25 Jahren) überlebte die Neuzeit nicht (stattdessen „Abfertigung neu“).

Der kommunistischen CGIL ist es zu verdanken, dass italienische Betriebe mit über 15 Mitarbeitern ebensolche nicht entlassen können. Wen wundert es, dass selbst innovative Betriebe nicht über diese magische Grenze hinauswachsen wollen – und dabei auch weder Jobs noch Volkseinkommen schaffen.

Wen wundert es, dass sich auch Portugals, Spaniens, Frankreichs oder Griechenlands Betriebe mit Schein- und Werkverträgen um die Anstellung neuer Mitarbeiter drücken.

Jeder dritte Italiener unter 24 hat heute keinen Job, jeder Zweite unter 35 hangelt sich mit befristeten Verträgen durchs Leben. Immer mehr verlassen ihr Land. Monti sprach seinerzeit von „Apartheidverhältnissen“: Auf der einen Seite umfassend geschützte, ältere Festangestellte, auf der anderen Seite ein Heer von unter- oder unbeschäftigten Jungen.

Importlawine

Wen wundert es, dass es in all den Jahrzehnten nur einer Handvoll spanischer Firmen gelungen ist, weltweit an die Spitze vorzustoßen? Ganz einfach: Weil jede noch so kleine Kinderkrankheit jedes noch so hoffnungsvolle „Start-Up“-Unternehmen schon am Anfang scheitern ließ: Der Umsatzrückgang von 20% kann in einer Zehn-Mann-Firma eben nicht durch die Entlassung von zwei Mitarbeitern ausgeglichen werden, sondern zwingt die junge Firma, ihre ohnehin kleinen Reserven zum „Durchfüttern“ zweier sinnlos gewordener Mitarbeiter zu vergeuden. Über kurz oder lang ist die Firma pleite – und alle Zehn verlieren ihren Job.

Weil die Nachfrage der Südeuropäer dank der stetig gesteigerten Schuldenaufnahme aber nicht gesunken war, importierte man die Konsumgüter aus jenen Ländern, die entsprechende Kapazitäten durch die Beschäftigung von Millionen jungen Menschen aufgebaut hatten.

Letztendlich produzieren heute „junge“ Deutsche, Österreicher oder Dänen für „alte“ südwesteuropäische (Staats-)Angestellte.

Staatssozialismus

Denn der Staat ist meist der einzige Arbeitgeber, der sich an rigiden Arbeitsgesetzen nicht stört. 23% der Franzosen arbeiten heute für den Staat, 25% sind es in Griechenland oder Italien. Weil schlicht und einfach zu viele Stellen in Prozesse involviert sind, dauern Betriebsbewilligungen, Patentanmeldungen oder selbst simple Stromanschlüsse oft Jahre.

Nach dem Scheitern von Kreiskys Planwirtschaft (ab 1985) arbeiten heute nur mehr 12% der Österreicher für den Staat (bei Kreisky waren es 22%). Österreichs Bürger haben sich längst abgefunden, in der Privatwirtschaft zu arbeiten. Das erhöht den Druck auf die öffentliche Verwaltung, mit „sauer verdientem“ Steuergeld verantwortungsvoll umzugehen.

In Frankreich geht nichts ohne - aber auch nichts mit - dem Staat. Beschließt der Präsident, dass Windräder gebaut werden sollen, dann muss ein Staatskonzern die Dinger konstruieren. Überlegt es sich der Präsident, dann macht der Staatskonzern halt stattdessen wieder Atomkraftwerke.

Weil die Produkte staatlicher Konzerne bekanntermaßen von überschaubarer Qualität sind (bei höheren Kosten), bleiben lohnende (aber anspruchsvolle) Exportmärkte wie Amerika oder Arabien der marktwirtschaftlich organisierten Konkurrenz aus Deutschland oder Schweden vorbehalten. In die Nachfragelücke springt dann der französische Staat als Auftraggeber ein. So versickern Steuereinnahmen im Filz maroder Staatfirmen und unkontrollierbar gewordener Beamtenheere.

Le Monde“ hat das Problem des „Oliven-Sozialismus“ einmal so umschrieben: Alle Griechen wollen beim Staat arbeiten – aber niemand will Steuern bezahlen.

Soziologen an der Macht

In Griechenland ist die Gemeindestube oft das größte Gebäude eines Ortes. Wenn sich in Hellas überhaupt wer findet, der etwas produzieren wollte, dann ist der schnell „abroad“. Denn für Griechenlands Bürger ist die schweißtreibende Produktion von Gütern gänzlich unattraktiv.

Über die Jahrzehnte hat es eine Gesellschaft verinnerlicht, dass es nicht auf persönlichen Fleiß oder Erfindungsreichtum ankommt, sondern auf die Beziehung zur Jahrzehntelang regierenden sozialistischen PASOK. Alle vier Jahre ließ man 50.000 Griechen beim Staat befristet anstellen, um ihnen für den Falle eines PASOK-Sieges die Pragmatisierung zu versprechen. Heute hat das Land 750.000 Beamte. Österreich hat mehr Erwerbstätige, kommt jedoch mit 350.000 aus.

Warum bei einem harten und langen Elektrotechnik-Studium schwitzen, wenn Soziologie mit seinem Freiraum für`s Studentenleben doch viel lustiger ist? Für den Staat sind ohnehin alle Akademiker gleich – einzig das Parteibuch macht den Unterschied. So studierten zwei Generationen Griechen, Spanier und Italiener Soziologie und Philosophie statt Maschinenbau und Elektronik.

Volkswirtschaftlich verbrauchen die Absolventen ersterer Studienfächer aber Werte – die die Absolventen der zweiten Gruppe vorher erzeugen. Sind die Zweitgenannten einmal in der Minderheit, kollabiert jedes System.

Heute stellen die Hunderttausenden Absolventen chancenloser „Flower-Power“-Studienrichtungen ein unkalkulierbares sozialpolitisches Unruhepotential für die Staaten dar.

Föderalismus – doch gut?

Jahrelang stand der „deutschsprachige“ Föderalismus in der Kritik. Mit der Krise der zentralistisch geführten „Oliven-Länder“ glänzt er aber nun in neuem Licht. Die über die Jahrzehnte gewachsenen Strukturen wechselseitiger Abhängigkeiten hatten zur peniblen Kontrolle staatlicher Bundesausgaben durch die Länder geführt.

Der italienische Ökonom Tito Boeri verzweifelt über die „enorme Verschwendung in Italiens öffentlicher Verwaltung“. Italien Regionen erhielten aus Rom de facto einen Blankoscheck, sie müssten ihre Ausgaben nicht rechtfertigen. Ein Ausgabendeckel für die Regionen könnte ohne großen Aufwand sehr viel Geld sparen.

Wochenlang hatten mit versteckter Kamera gefilmte Beamte Italien empört: Sie hatten morgens beim Einstempeln auch Karten von Kollegen mitgestempelt, die schon seit Wochen nicht mehr in der Arbeit waren.

„Neo-Liberalismus“ ist schuld

Sozialismus und Katholizismus haben sich zu einer Gemengelage vermischt, in der die Bürger sich nach Gewerkschaftsmacht und starkem Staate sehnten, um ein vordergründig behütetes Leben führen zu können. Als der Traum vom Sozialismus platzte, fand man die Schuld beim „Neo-Liberalismus“. Tatsächlich hätte eine gesunde Portion davon die Region vor dem Gröbsten bewahrt – vor 40 Jahren. Nun muss die Reißleine gezogen werden:

• Die rigiden Arbeitsgesetze tragen die Hauptschuld – sie sind sofort und ersatzlos zu streichen.

• Dem Würgegriff sozialistischer Beamtengewerkschaften ist mit Härte zu begegnen, sie haben den halben Kontinent in die heutige Krise geführt.

• „Brotlose Studienrichtungen“ sind durch Studiengebühren von 1.000 Euro je Semester zu belasten – mit dem Geld sollen technische Fakultäten ausgebaut werden. Die Bezüge pensionierter Beamte sind solange nicht anzuheben, bis sie das 65. Lebensjahr erreicht haben. Das eingesparte Geld geht in Jungunternehmer-Darlehen und Gewerbeparks.

• Einführung föderaler Strukturen. Die drei Verwaltungsebenen Bund, Länder und Gemeinden sollen sich künftig gegenseitig kontrollieren, das schafft gesunde Kontrolle.

• Öffentlicher Aufnahmestopp, in Österreich seit 10 Jahren erfolgreich praktiziert. Weil sich weniger Beamte im Wege stehen, stieg die Qualität öffentlicher Leistungen hierzulande bedeutend an („Post“).

Zahlen zeigen nach Süden

2003 war Deutschland der kranke Mann Europas, seine Arbeitslosenquote lag bei zehn Prozent. Als mit der „Agenda 2010“ („Hartz IV“-Reformen) der Kündigungsschutz gestrichen wurde, setzte ein ungeahnter Boom ein: 2 Millionen Menschen kamen in Brot und Arbeit. Die Zahl der Armutsgefährdeten sank sofort, von 18 auf 15 Prozent. Und auch der Gini-Koeffizient (Maßzahl für die Ungleichheit) bewegte sich nach Süden.

Süd- und Westeuropa müssen durch dieselbe kalte Dusche. In Deutschland führte dies zwar zur Abspaltung einer kommunistischen Splitterpartei von der SPD, der „Linken“, – in Süd- und Westeuropas gibt es solche Parteien aber ohnehin schon lange.

Somit führt an echten Reformen nichts mehr vorbei – es sei denn, man will den Euro und Europa riskieren. Doch dann geht die Entwicklung ganz Europas „südwärts“.

Michael Hörl.

In „Deutschland lügt sich links“ („und Österreich lügt mit“), erläutert der Wirtschaftspublizist, warum Europas Eliten ihre Bürger in Schulen, Unis, NGOs und Medien nach dem marxistischem Gleichheitsbegriff erziehen wollen - und wie sie die Bürger darum täglich in der Presse anlügen.

„Deutschland lügt sich links“ ist bei Lichtschlag erschienen und hat 452 Seiten.

Zuvor erschienen

„Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“ (2011) - warum Politik und Staat Finanzkrise auslösen.

„Die Gemeinwohl-Falle“ (2012)

Das erste Globalisierungskritiker-kritische Buch Europas

www.michaelhoerl.at

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